„Die europäische Querelle des Femmes des 15. bis 18. Jahrhunderts war geprägt von leidenschaftlichen Debatten über Geschlechterverhältnisse, die von Männern und Frauen geführt wurden, zum Teil gegeneinander, zum Teil miteinander, stets jedoch mit Witz, Verve, Temperament.“ (Editorial von Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung)
Mit dieser Programmatik, die schon dem an der Freien Universität Berlin herausgegebenen Jahrbuch ihren Titel gab, präsentieren wir uns ab heute mit Querelles-Net, einer Rezensionszeitschrift für Frauen- und Geschlechterforschung. Damit wollen wir einen weiteren Ort der interdisziplinären Streitkultur, des intellektuellen Austausches und der kritischen (Selbst-)Reflexion anbieten und zunächst den deutschsprachigen, später den europäischen Diskurs zur Frauen- und Geschlechterforschung über das WorldWideWeb vernetzen.
Der momentane Status der Frauen- und Geschlechterforschung läßt sich als eine virtuelle Disziplin (vgl. dazu den Beitrag von Evelyn Annuß, Word6/Win9x) beschreiben, die quer zum Kanon der traditionellen Fächer organisiert ist und von da aus nach der gesellschaftlichen Relevanz der Geschlechterverhältnisse fragt sowie die Wissenschaft selbst einer kritischen Analyse unterzieht. Der erfolgreiche Kampf um Institutionalisierung (vgl. dazu den Beitrag von Ulla Bock, Word6/Win9x), aber auch die Gender-Debatte der vergangenen Jahre implizierte eine Akademisierung und damit eine Distanz zu den Anfängen als Teil einer sozialen Bewegung. Frauenforschung hat sich inzwischen als Frauen- und Geschlechterforschung, inhaltlich wie organisatorisch in eine unüberschaubare Vielfalt ausdifferenziert. Gleichzeitig hat sie sich in kritischer Selbstreflexion methodisch weiterentwickelt. Gerungen wird um die Gegenstandsbereiche, um die Frage, wer die bevorzugten Forschungssubjekte sind, und auch um die Forschungsparadigmen, kurz: um die Grenzen der Geschlechterforschung. Querelles-Net möchte zu dieser kritischen Weiterentwicklung beitragen und eine Auseinandersetzung auf wissenschaftlicher Ebene fördern, die an gegenstandsbezogenen Forschungsergebnissen ansetzt, diese kritisch auf ihre inter- oder transdisziplinäre Methodik reflektiert und sich daneben nicht per se auf weibliche Forschungssubjekte beschränkt.
Das virtuelle Forum des Internets scheint uns in mehrfacher Hinsicht geeignet, der Vielfalt und Schnelligkeit der Ausdifferenzierung von Frauen- und Geschlechterforschung Rechnung zu tragen. Forschungsergebnisse können schnell und qualifiziert vorgestellt und besprochen werden. Vergleiche und weiterführende Anregungen aus anderen Ländern werden über die Möglichkeit der Vernetzung innerhalb des eigenen Publikationsorganes unmittelbar und einfach zugänglich. Widerstreitende Ansätze und Meinungen können im Dialog transparent gemacht werden. Email-Kontakte und Diskussionsforen ermöglichen eine direkte Reaktion und vor allem eine kontinuierliche Reflexion der Ergebnisse und ihrer methodischen Grundlagen.
Betrachtet man das Medium Internet als ein Instrument für die Gestaltung von (auch politischen) Inhalten statt lediglich seine passive (und mitunter von der Flut an Informationen benommene) Konsumentin zu sein, dann eignet es sich dazu, die vielen gesponnenen Fäden eines wissenschaftskritischen Denkens kreativ zu etwas Neuem zu verweben. Frauen- und Geschlechterforschung soll dabei immer wieder neu in ihrem paradoxen Anspruch präsentiert werden, unverzichtbarer Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung und Lehre zu sein, ohne jedoch im Korsett einer institutionalisierten Disziplin zu erstarren.
Im Mittelpunkt von Querelles-Net steht ein Forum für Neuerscheinungen im Bereich der Frauen- und Geschlechterforschung. Dieses Forum bündelt bislang im Internet kaum vorhandene Besprechungen wissenschaftlicher Publikationen und Fachinformationen im deutschsprachigen akademischen Kontext. Es soll dazu beitragen, außerhalb der für die USA bereits weit fortgeschrittenen Vernetzung und Kommunikation im Netz auch einen europäischen Standort für einschlägige neuere Forschungen zu etablieren. Zunächst werden wir alternativ zum Deutschen lediglich eine englischsprachige Einstiegsversion, quasi als Navigationshilfe bieten können, für die Martina Engel dankenswerter Weise die meisten Übersetzungen besorgte. Auch die Rezensionen müssen vorläufig in Deutsch oder Englisch abgefaßt sein. Doch hoffen wir, nach und nach weitere Sprachen integrieren und auch darauf, mit anderen Projekten im Netz kooperieren zu können.
Aus den wissenschaftlichen Neuerscheinungen zur Frauen- und Geschlechterforschung wählen wir pro Jahr vier Themenschwerpunkte, zu denen jeweils Rezensionen erscheinen werden. Daneben wird es immer auch einen offenen Rezensionsteil geben, in dem Bücher rezensiert werden können, die außerhalb des Schwerpunktes von Interesse sind.
In jeder Ausgabe von Querelles-Net kommentieren wir eine Auswahl an Internet-Adressen. Innerhalb des Rezensionsjournals finden sich unter der Rubrik Links Hinweise auf Adressen, die zum jeweiligen Schwerpunkt passen, unter der Rubrik Fachinfos dagegen eine mit der Zeit erweiterbare Liste von Adressen zu Online-(Rezensions-)Zeitschriften, Foren für den wissenschaftlichen Austausch, wissenschaftlichen Einrichtungen, Kooperationspartnerinnen. Auch hier freuen wir uns über Vorschläge.
Mit der zweiten Ausgabe von Querelles-Net Anfang September 2000 starten wir ein von uns moderiertes Forum, das parallel zur Schwerpunktausgabe für drei Monate ein virtueller Ort sein wird, an dem zum Themenbereich diskutiert werden kann.
Als weiteren Service möchten wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Freien Universität anbieten, in Querelles-Net auf ihre neuesten Publikationen (seit 1999) zum Bereich Frauen- und Geschlechterforschung zu verweisen. Diese werden zukünftig unter der Rubrik Publikationen, neben der von der Zentraleinrichtung selbst herausgegebenen Edition: Ergebnisse der Frauenforschung wie der Reihe Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung zu finden sein.
Für die Startnummer haben wir einen programmatischen Auftakt, und wir werden mit unserer Auswahl an Buchbesprechungen nur andeuten können, welche Fülle an Titeln in jüngster Zeit zur Frauen- und Geschlechterforschung erschienen ist. Ergänzend zu den Rezensionen bieten wir einige weitere Literaturhinweise unter der Überschrift Bibliographie.
Eine Vorschau informiert über die Bücher, die wir für unseren jeweils folgenden Schwerpunkt zur Rezension vorschlagen möchten – hier können sich Rezensentinnen und Rezensenten anmelden und gerne weitere Vorschläge für zu rezensierende Bücher, CD-ROMs, Websites machen.
Im Archiv werden wir die nicht mehr aktuellen Ausgaben aufbewahren, so daß auch zu einem späteren Zeitpunkt noch erfolgreich nach Literatur recherchiert werden kann.
Die Redaktion
URN urn:nbn:de:0114-qn011015
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