Mediale Darstellungen des Anderen in der Analyse: Der ‚Tatort‘ als ‚Schule der Nation‘?

Rezension von Patricia Piberger

Anna-Caterina Walk:

Das Andere im Tatort.

Migration und Integration im Fernsehkrimi.

Marburg: Tectum Wissenschaftsverlag 2011.

136 Seiten, ISBN 978-3-8288-2593-2, € 24,90

Abstract: Aus medien- und kulturwissenschaftlicher Perspektive widmet sich Anna-Caterina Walk in ihrer knappen Publikation der TV-Krimireihe ‚Tatort‘. Anhand von drei konkreten Folgen analysiert sie, wie das Andere in dieser Serie medial repräsentiert und konstruiert wird. Ihr Ziel ist es, die konkreten Darstellungen und deren Bedeutungen in ihrer Selbstverständlichkeit zu hinterfragen. Dabei sucht sie vor allem nach nicht-stereotypen oder destabilisierenden Bildern und fordert zugleich einen kritischeren Umgang mit Differenzkonstruktionen der Identität innerhalb der einzelnen ‚Tatort‘-Folgen. Zumal der Fokus der Autorin auf kulturellen Andersartigkeiten liegt, kommen Betrachtungen des_der geschlechtlich Anderen eine marginale Position zu und bleiben prinzipiell eher oberflächlich.

Die Autorin Anna-Caterina Walk nimmt in ihrem überschaubaren Werk die Krimireihe ‚Tatort‘ in den Blick und versucht am Beispiel dreier Folgen herauszuarbeiten, was in dieser Serie als das Andere repräsentiert und wie es konstruiert wird. Bereits im Untertitel und in der Einleitung der Arbeit wird deutlich, dass Walk das Andere im Kontext einer globalisierten Welt von Migration und Integration und einer damit einhergehenden „Krise der Identität“ (S. 10) nicht nur, aber vor allem als „ethnische […] Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft“ (ebd.) fasst. Das Fernsehen im Allgemeinen und den ‚Tatort‘ im Speziellen versteht sie dabei als Aushandlungsorte identitärer Gebilde und wertgebundener Dialoge. Im Klappentext schreibt Walk dazu: „Der Tatort am Sonntagabend gilt mit durchschnittlich acht Millionen Zuschauern inzwischen als moralische Schule der Nation.“ Sie macht es sich zum Ziel, die in der Serie repräsentierten Darstellungen des Anderen mittels einer Tiefenanalyse in ihrem Produktionsprozess sichtbar zu machen und zu dekonstruieren, und erhebt ferner den Anspruch, mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum Diskurs über das Andere zu liefern.

Grundlagen für die analytische Auseinandersetzung mit dem ‚Tatort‘

Nach der Einführung mit einigen eher oberflächlichen Absätzen zur Begrifflichkeit und Theorie der Cultural Studies sowie zum weiteren methodischen Vorgehen erörtert Walk in einem Kapitel mit dem Titel „Cultural Studies und Medienanalyse des ‚Tatort‘“ überflüssigerweise ihr Motiv für die Ansiedlung der Betrachtung des ‚Tatort‘ innerhalb dieses theoretischen Rahmens. Selbst wenn die Autorin ihre theoretische Verortung explizit begründen wollte, hätte sie diesen Punkt in einigen knappen Sätzen im vorherigen Abschnitt statt in einem gesonderten, sehr kurzen Kapitel behandeln können.

An späterer Stelle (4. Kapitel) wird die Krimireihe ‚Tatort‘ nochmals genauer fokussiert, eine klassifikatorische Einordnung der Serie vorgenommen, ihr zugrundeliegendes Konzept erläutert und der zu beobachtende Erfolg diskutiert. Walk gelingt hier eine gute und überschaubare Einführung in die Materie. Zugleich begründet sie dem_der Lesenden schlüssig, weshalb sie, eingedenk der leitenden Fragestellung, das Genre des Krimis für ihre Analyse auswählte: „Das Verbrechen ist also ein zentrales Element […]. Durch das Durchbrechen dieser gesellschaftlichen Norm wird jemand zur TäterIn und stellt sich durch diesen Akt außerhalb der Ordnung, wird so zum Anderen. Das Andere stellt im Krimi ein zentrales Element dar.“ (S. 48) Abschließend wird mit Bezug auf den medialen Erfolg des ‚Tatort‘ klar, weshalb sie sich für diese deutsche Krimiserie als Analyseobjekt entschied. Ich hätte mir allerdings von einer medienwissenschaftlichen Arbeit gewünscht, dass sie die vorgenommene Klassifikation des ‚Tatort‘ als Krimireihe anhand konkreter, zuvor etablierter Merkmale expliziter nachvollziehbar macht, indem sie diese an der Serie beispielhaft abgleicht. Die präsentierte Argumentation zeigt leider nicht, warum der ‚Tatort‘ dem Krimigenre zuzuordnen ist, sondern startet mit der Annahme, dass dies der Fall sei, und präsentiert anschließend eine allgemeine Einleitung in die Wesenhaftigkeit der besagten Gattung.

Theoretische Betrachtungen von Identität und Differenz

Im strukturell zweigeteilten Kapitel „Das Andere in den Medien“ stellt Walk zuerst verschiedene Konzepte und Vorstellungen des Anderen und anschließend den Forschungsstand zur Repräsentation des Anderen in den Medien dar. Während der zweite Abschnitt überzeugen kann und einen guten Überblick über unterschiedliche Arbeiten zum Thema liefert, weist der erste Abschnitt leider mehrere Schwächen auf, obwohl er noch mit folgender plausiblen Erkenntnis beginnt: „Um zu verstehen, was das Andere sein kann, ist hier auch die Frage nach ‚Identität‘ zu behandeln. Um begreifen zu können, wieso das Andere überhaupt existiert, ist es unabdingbar, auch Ansätze vorzustellen, welche Identität erörtern.“ (S. 25)

Unter der Überschrift „Wer bin ich – die Frage nach ‚Identität‘“ versucht die Autorin mit Bezug auf Stuart Hall unterschiedliche Formen von Identitäten zu erläutern. Anstatt etwa mit Bezug auf Jan Assmann (1997) oder Fredrik Barth (1969) herauszuarbeiten, dass sich Identitäten als diskursiv und performativ ausgehandelte Gebilde darstellen, und die Prozesshaftigkeit ihres ‚Gemachtseins‘ in den Blick zu nehmen, beschreibt Walk die „Krise der Identität“ (S. 28) sowie die in den verschiedenen Zeitaltern differenten Konzepte des Subjekts und vermischt dabei zugleich unterschiedliche essentialistische wie anti-essentialistische Identitätskonzeptionen. Ihre dünne Schlussfolgerung lautet: „Diese Krise der Identität, wie Hall sie beschreibt, bringt […] eine verstärkte Abgrenzung gegenüber Anderen mit sich, was auch für die anschließende Untersuchung ein entsprechend zu berücksichtigender Aspekt ist.“ (ebd.) Es fehlt an dieser Stelle ein grundsätzliches Verständnis dessen, was Identität meint, welche Eigenarten sie aufweist und wie sie permanent ausgehandelt und erzeugt wird. Mit einem solchen wäre es möglich gewesen, auf allgemeiner Ebene, etwa in Anlehnung an Alfred Schütz (1944) oder abermals an Fredrik Barth (1969), auf die Funktion des Anderen und der Abgrenzung zum Anderen in diesem Zusammenhang einzugehen und dessen grundsätzlichen Nutzen im identitären Produktionsprozess zu benennen.

Für den weiteren Verlauf des Kapitels, in dem sie eine Art Typologie des Anderen präsentiert, wäre eine grundsätzliche Klärung sinnvoll und ergiebig gewesen, viele inhaltliche Wiederholungen hätten damit vermieden werden können. Wenn Walk in den folgenden Darstellungen als „Konzepte des Anderen“ (S. 25) Reinheit und Ordnung, Differenz, Rasse, Geschlecht, Stereotype und Vorurteile, Gastarbeiter_innen und Tourist_innen und Intersektionalität nennt, fehlt der rote Faden. Die einzelnen Abschnitte erarbeitet die Autorin nahezu ausschließlich aus Sekundärliteratur, grundlegende Arbeiten gewichtiger Vertreter_innen wie Mary Douglas (1966) oder Edward Said (1978) fehlen in den jeweiligen Themenbereichen komplett.

Theoretische Betrachtungen von Geschlecht und Intersektionalität

Fragen nach Geschlecht und Intersektionalität, die bei der Betrachtung des Anderen im ‚Tatort‘ durchaus fruchtbar analytisch hätten verwertet werden können, stehen sowohl hier wie auch im weiteren Verlauf der Arbeit leider nur am Rand. Die Autorin bezieht sich hierbei wiederum ausschließlich auf einleitende und zusammenfassende Sekundärquellen. Sie verweist lediglich in einer halben Seite mit Simone de Beauvoir auf die gegensätzliche Positionierung des Weiblichen zum Männlichen und in einer weiteren auf die Unterscheidung zwischen Gleichheits-, Differenz- und (de-)konstruktivistischen Perspektiven: „In dieser Untersuchung wird vom (de-)konstruktivistischen Ansatz ausgegangen: wann wird das Andere durch das Geschlecht konstruiert, bzw. wo spielt das Geschlecht eine Rolle bei der Konstruktion des Anderen?“ (S. 36) Dabei unterläuft Walk mit der Feststellung, dass der (De-)Konstruktivismus nicht zwischen Sex und Gender unterscheide, ein grober Verständnisfehler. Hätte sie etwa Judith Butler als eine Vertreterin dieser Strömung im Original (z. B. 1990) gelesen, so wüsste sie, dass diese sehr wohl besagte Differenzierung analytisch verwendet, dabei jedoch zugleich den soziokulturellen Konstruktionscharakter der Kategorie ‚Sex‘ und die geschlechtliche Kodierung des Körpers auf diskursive Weise in den Fokus nimmt und somit in einer vordiskursiven ‚Natürlichkeit‘ kritisch hinterfragt.

Intersektionalität wird an späterer Stelle knapp definiert, und die etwas dürftige Schlussfolgerung der Autorin lautet: „Dies bedeutet für die Konstruktion des Anderen, dass es nicht darum geht, dass es bspw. schwarz, weiblich und mit Migrationshintergrund konstruiert wird, sondern dass die Interdependenzen der Differenz der Kategorien ‚schwarz‘ ‚weiblich‘ ‚mit Migrationshintergrund‘ zu einer Konstruktion des Anderen führen“ (S. 40). Die in diesen Kapiteln fehlende Tiefe und grobe Ungenauigkeit der Autorin beschränken die analytischen Betrachtungen und Ergebnisse im weiteren Verlauf der Arbeit erheblich.

Beispielhafte Analysen medialer Darstellungen des Anderen im ‚Tatort‘

Da Walk in nur „drei Folgen im Zusammenhang mit dem Themenschwerpunkt der Untersuchung signifikante Ansatzpunkte“ (S. 53) finden konnte und jene Folgen zusätzlich „heftige öffentliche Reaktionen“ (ebd.) hervorriefen, geht sie in den sich anschließenden Kapiteln anhand der Folgen „Wem Ehre gebührt“ von 2007 sowie „Baum der Erlösung“ und „Familienaufstellung“ von 2009 ihrer leitenden Fragestellung medienanalytisch nach. In allen drei Folgen werden Tötungsdelikte an oder von deutsch-türkischen (bzw. österreichisch-türkischen) Akteur_innen fokussiert, ihre Handlungsstränge drehen sich um Fragen der kulturellen Integration und bewegen sich ausschließlich in türkisch-migrantischen Milieus. Es ist zu bezweifeln, dass sich unter den etwa 800 bis Anfang 2011 (vgl. S. 11) produzierten Folgen des ‚Tatort‘ nicht auch im Grundsatz differente und (ebenfalls) zur Analyse geeignete Repräsentationen des Anderen hätten finden lassen. Die Autorin begründet hier nur wenig überzeugend ihre konkrete Folgenauswahl.

Im Weiteren wird zu jeder Folge eine kurze, selbstverfasste Inhaltsangabe, eine jeweils etwa 10-seitige, leider nicht weiter untergliederte Medienanalyse und eine Zusammenfassung der analytischen Ergebnisse geliefert. Dabei erschwert Walk der_dem Lesenden die Lektüre und den argumentativen Nachvollzug, indem sie nicht Folge für Folge geschlossen betrachtet, sondern zuerst die drei Inhaltsangaben sammelt, anschließend die Analysen präsentiert und letztendlich die unterschiedlichen Ergebnisse zusammenfasst. Unangenehm fallen dabei häufige, bisweilen sogar wörtliche Wiederholungen auf.

Prinzipiell sucht Walk in ihren Analysen nach binären, konflikthaften Differenzkonstruktionen, versucht deren dominante und somit mächtige Pole auszumachen und zeigt, ob und wie diese innerhalb der Folge anschließend aufgebrochen bzw. dekonstruiert werden. Da jedoch eine logische Untergliederung hier fehlt und auch die theoretischen Grundlagen nur unzureichend aufgearbeitet wurden, vermischt die Autorin von ihr erarbeitete Aspekte einerseits zur Frage, als was das Andere repräsentiert wird – also etwa als ethnisch-kultureller, religiöser oder geschlechtlicher Gegenpart –, und andererseits, wie das Andere in dem vorliegenden Filmmaterial konstruiert wird – also etwa mittels Sprache oder stereotypen Darstellungen. Erstaunlicherweise verbleibt die Autorin in ihrer Analyse auf der narrativen, inhaltlichen Ebene des Plots und ignoriert eher formale, visuelle Aspekte der filmischen Konstruktion des Anderen, wie beispielsweise durch den Einsatz von Licht und Schatten oder durch die Kameraperspektive.

Viele Symbole und Konstruktionen, die sich in den unterschiedlichen Folgen finden lassen, werden dennoch gut herausgearbeitet. So etwa wenn Walk für die Folge „Baum der Erlösung“ aufzeigt, wie eine prinzipielle kulturelle Differenz symbolisch in der Gegenüberstellung von Minarett und Kirchturm verdeutlicht wird (S. 75), oder wenn sie analysiert, wie die Kommissarin Lindholm aus der Folge „Wem Ehre gebührt“ durch ihre Darstellung als schwangere Frau zum Anderen stilisiert wird (S. 60 f.). Unerfreulicherweise tendiert die Autorin aber zugleich dazu, Beschreibungen oder Darstellungen als stereotyp zu klassifizieren, ohne sich zuvor explizit mit den jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen auseinanderzusetzen. Deutlich wird dieses Vorgehen beispielsweise, wenn Walk eine Szene aus „Wem Ehre gebührt“ betrachtet, in der die bereits erwähnte Kommissarin mit ihrem Lebensgefährten zu Abend isst. Er hat zuvor das Essen zubereitet, das ihr nun nicht schmeckt. Sie beschäftigt sich nebenbei mit einem Laptop. Walk kommentiert dies ohne weitere Ausführungen mit: „Lindholm verkörpert hier stereotype männliche Eigenschaften, die durch eine Spiegelung der ‚typischen‘ weiblichen Eigenschaften ihres Mitbewohners Martin zu Tage treten und dadurch als anders konstruiert werden.“ (S. 61) An späterer Stelle spricht sie sogar von einer „Überkreuzung von ‚sex‘ und ‚gender‘“ (S. 89). Für eine Publikation, die sich eben auch mit sozialwissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Themen beschäftigt, hätte ich mir hier weniger Common Sense und mehr Genauigkeit im Umgang mit eigenkulturellen Bedeutungen gewünscht.

Während eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen der Autorin überzeugen können, lassen sich auch andere weniger schlüssige Ergebnisse ausmachen. Unter anderem gelingt es ihr nicht, die in dem vorliegenden Material gehäuft auftretenden, sich überschneidenden Dimensionen bestimmter Personen im Sinne einer Intersektionalitätsanalyse in den Blick zu nehmen. Wichtige Aspekte, die sich aus der Interdependenz identitärer Eigenschaften ergeben, bleiben Walk daher analytisch verschlossen. Weitere Interpretationen sind meines Erachtens vor allem deshalb problematisch, weil die Autorin die über die Handlungsstränge der ‚Tatort‘-Folgen hinausgehende, gesellschaftspolitische Einbettung der medialen Konstruktionen in einen öffentlichen Diskurs um Andersartigkeit, Migration und Integration verkennt und demzufolge nicht berücksichtigt. Wird diese umfassendere Rahmung mitgedacht, so ist es etwa nicht nachvollziehbar, wie Walk zu dem Ergebnis kommt, dass „die türkische Familie in ‚Familienaufstellung‘ den dominanten Pol in Differenz zur deutschen Gesellschaft bildet.“ (S. 99 f.)

Zusammenfassend betont Walk in der Gegenüberstellung und Evaluation ihrer Ergebnisse die Zentralität bestimmter Konzepte des Anderen in den betrachteten Folgen: „Folgenübergreifende Konzepte sind die Differenz durch Sprache, das Symbol des Kopftuchs, das ‚Ehrenmordmotiv‘ als anfänglich vermutetes Mordmotiv seitens der Kommissare, der Unterschied von Staatsangehörigkeit und der kulturellen Identität sowie die Geschlechterdifferenz.“ (S. 98) Zugleich wird deutlich gemacht, dass zwei der bearbeiteten Folgen „stereotype […] Darstellungen ‚türkischer‘ Familien“ (S. 101) präsentieren, was die Autorin daran festmacht, dass dort „patriarchale […] Strukturen“ (ebd.) herrschen. Dennoch werden „ethnisch konnotierte Gruppen – entgegen Vorurteilen – als inhomogen repräsentiert.“ (S. 105) Generell meint Walk festzustellen, dass das Andere in den untersuchten Folgen zwar „verschiedene Gesichter“ (S. 102) aufweist, zumeist jedoch durch die weiblichen Charaktere repräsentiert wird, ohne dass ‚Geschlecht‘ dabei immer die wesentliche Rolle spielt. Sie kommt zu folgendem nachvollziehbaren, jedoch nicht sonderlich überraschenden Schluss: „Es hat sich gezeigt, dass das Andere in den untersuchten Folgen der Krimireihe mehr ist, als die bloße Erfüllung von Klischees und Wiedergabe von Stereotypen“ (S. 105) und fordert letztlich: „Es wäre wünschenswert, wenn die Krimireihe ‚Tatort‘ ihr Potenzial besser nutzen würde, um eine differenziertere Repräsentation des Anderen zu ermöglichen.“ (S. 102)

Fazit

Es handelt sich bei Das Andere im Tatort um eine kurze Publikation, der es an vielen Stellen leider an Tiefe und Struktur fehlt. Besonders die stärker gesellschafts- und geschlechterwissenschaftlichen Aspekte der leitenden Fragestellung werden von der Autorin nur allgemein und flüchtig betrachtet. Grundsätzlich wird nicht deutlich, wie Walk zentrale Begriffe, wie etwa die der Integration oder der Macht, konkret versteht und verwendet. Die Arbeit weist außerdem eine Vielzahl handwerklicher Fehler und Ungenauigkeiten auf: Immer wieder lassen sich Tippfehler und unvollständige Fußnoten finden. Der Anhang der Arbeit, in dem Material zur öffentlichen Diskussion um die drei fokussierten ‚Tatort‘-Folgen abgedruckt wird, steht völlig unkommentiert. Die Quellen wörtlicher Zitate in den Abschnitten der Inhaltsangaben und Analysen der ausgewerteten Folgen werden nicht angegeben. Es wird der_dem Lesenden überlassen, zu vermuten, dass es sich hierbei um Verschriftlichungen des im Film Gesprochenen handelt. Einige explizite Worte dazu wären dringend notwendig gewesen. Zusätzlich sind weite Teile der Arbeit eingedenk eines fehlenden stringenten Aufbaus und ständiger Wiederholungen nur mit Anstrengung zu lesen.

Zumal die angestrebte Leserschaft nicht explizit benannt wird und der Verlag keinerlei Auskünfte darüber liefert, ob es sich bei dem Text womöglich um die erste größere Arbeit der Autorin handelt, fällt eine bewertende Einordnung des Werkes schwer. Wer aus einer geschlechtertheoretischen Perspektive liest und mit der wissenschaftlichen Kategorie ‚Gender‘ sowie mit Fragen von Intersektionalität vertraut ist, wird an den wenigen Stellen, welche sich mit relevanten Aspekten beschäftigen, mit einer unbefriedigenden Oberflächlichkeit konfrontiert und infolgedessen enttäuscht sein. Wer jedoch erste Ideen für den dekonstruierenden Umgang mit medialen Bildern und Darstellungen sucht, kann sich durchaus von den analytischen Kapiteln der Arbeit inspirieren lassen, sollte im Weiteren jedoch zusätzliche Literatur zu Rate ziehen.

Literatur

Assmann, Jan (1997): Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München: C. H. Beck.

Barth, Fredrik (1969): Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference. Oslo: Pensumtjeneste Universitetsforlaget.

Butler, Judith (1990): Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. New York: Routledge.

Douglas, Mary (1966): Purity and Danger. An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo. London: Routledge & Kegan Paul.

Said, Edward (1978): Orientalism. Western Conceptions of the Orient. New York: Pantheon Book.

Schütz, Alfred (1944): The Stranger: An Essay in Social Psychology. In: The American Journal of Sociology, Band XLIX, S. 499–507.

URN urn:nbn:de:0114-qn:1021:8

Patricia Piberger, M.A.

Freie Wissenschaftlerin in Berlin, gelegentliche Mitarbeit bei gender-politik-online.de (geschlechterpolitisches Portal für die Sozialwissenschaften)

E-Mail: patricia.piberger@web.de

(Die Angaben zur Person beziehen sich auf den Stand zum Veröffentlichungsdatum.)

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