Mariam Irene Tazi-Preve:
Motherhood in Patriarchy.
Animosity Toward Mothers in Politics and Feminist Theory – Proposals for Change.
Opladen u.a.: Verlag Barbara Budrich 2013.
304 Seiten, ISBN 978-3-8474-0048-6, € 36,00
Abstract: In der Tradition des Bielefelder Ansatzes (Subsistenztheorie) stehend versucht Mariam Irene Tazi-Preve nachzuweisen, dass das Patriarchat das Ansinnen verfolge, sich weibliche Gebärfähigkeit anzueignen und weibliche körperliche Fruchtbarkeit durch männliche geistige Schöpfungskraft zu ersetzen. Einen Ausweg aus patriarchaler Ausbeutung sieht die Autorin in der Rückkehr bzw. Hinwendung zum Matriarchat. Die Autorin argumentiert wissenschaftlich unsauber und schottet sich hermetisch gegen Kritik ab, was eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Thesen verunmöglicht.
Ökofeminismus, Subsistenzansatz und kritische Patriarchatstheorie führen im feministischen Diskurs ein Nischendasein; Beiträge aus diesen Schulen werden (zumindest im akademischen Feminismus) kaum wahrgenommen. Das ist m.E. ein Problem, denn damit wird ein Strang feministischen Denkens ausgeblendet, der eine vielfältige Tradition aufzuweisen hat – in Matriarchatsforschung, Spiritualismus, Ökologiekritik, Patriarchatskritik u.a. Inwieweit die ausbleibende Rezeption mit der Verwissenschaftlichung des Feminismus zu tun hat, der der Ökofeminismus nicht gerecht wird, oder mit der Dominanz poststrukturalistischer Theorie (oder aber ganz andere Gründe hat), kann ich hier nicht klären. Ich möchte allerdings die Frage aufwerfen, was das tendenzielle Verschweigen der genannten Ansätze für den politischen Impuls des Feminismus bedeutet – geht es ihm doch nicht zuletzt darum, in Auseinandersetzung mit verschiedenartigen Positionen, in Rede und Gegenrede Herrschaftskritik zu betreiben. Nicht zuletzt werden mit der Marginalisierung bestimmter Diskursstränge auch die Themen, mit denen diese Stränge sich befassen, marginalisiert – auch das ist problematisch, weil es Themen gibt, die damit fast vollständig von der Oberfläche verschwinden. Eines dieser Themen ist Mutterschaft, dem sich die Matriarchatstheorie intensiv widmet und das auch im Ökofeminismus eine zentrale Rolle spielt.
Jetzt steht mit der ursprünglich 2004 auf deutsch erschienenen und nun ins Englische übersetzten Dissertation von Mariam Irene Tazi-Preve, einer Schülerin von Claudia von Werlhof, ein Buch aus dem Umfeld der Kritischen Patriarchatstheorie, das sich zudem noch dem Thema Mutterschaft widmet, auf den Rezensionslisten wichtiger feministischer Zeitschriften. Die nunmehr erforderlich gewordene Auseinandersetzung ist überfällig.
Tazi-Preve widmet sich in ihrem Buch dem Zusammenhang von Patriarchat und Mutterschaft. Ihr zufolge zielt ‚das Patriarchat‘ darauf, sich die weibliche Gebärfähigkeit anzueignen: „remove maternal potency and replace it with the patriarchal intellectual birth“ (S. 73). Das Patriarchat wird dargestellt als (bisher unverwirklichte) „Utopie“ zur Ersetzung fruchtbarer Körper durch nicht-physische und nicht-weibliche Maschinen (S. 16) – als Quelle von Herrschaft und von zerstörerischer und menschenfeindlicher Aneignung von Natur und Leben mit dem Ziel, sterbliches, von Müttern geborenes Leben in ewiges, sich selbst gebärendes Leben zu verwandeln (S. 208) und weibliche Mutterschaft zu vernichten (S. 211). Diesem Zweck diene die patriarchale Trennung und Entgegensetzung von (niederem, weil naturbehaftetem) Körper und (erhabenem, eigentlich schöpferischem) Geist (S. 101) genauso wie die klassische Psychoanalyse, die mit der Ersetzung der Mutter durch den Therapeuten die weibliche Genealogie zerstöre (S. 169–184). Auch die Hexenverfolgung, die darauf gezielt habe, weibliches Wissen über Fortpflanzung und damit selbstbestimmte Mutterschaft zu vernichten (S. 111 f.), ebenso wie Bevölkerungspolitik (S. 110), Reproduktionstechnologie (S. 203–221) oder auch die Pathologisierung von Schwangerschaft und Geburt (S. 103–107) seien Instrumente ‚des Patriarchats‘, um die Kontrolle über weibliche Gebärfähigkeit zu erzielen und Mütter zu „eliminieren“ (S. 204). Folge dieser patriarchalen „Verkehrung“ (S. 270) sei eine soziale Ordnung, die die Erhaltung der menschlichen Gemeinschaft nicht mehr garantieren könne, weil sie sich nicht mehr an den Bedürfnissen von Müttern und ihren Kindern orientiere (S. 272).
Vergleichsschablone für die Kritik des Patriarchats und normativer Fluchtpunkt ist für Tazi-Preve das Matriarchat, das ausnahmslos positiv beschrieben wird: Matriarchale Gesellschaften seien organisiert gemäß den mütterlichen Prinzipien von Verantwortlichkeit und Fürsorge (S. 78), Gewaltfreiheit und Freiheit von Unterdrückung (S. 80); das Leben werde über allem anderen geschätzt. ‚Das Matriarchat‘ wird dargestellt als historische, vor-patriarchale menschliche Gesellschaftsform wie auch als heutige Organisationsform bestimmter Ethnien (S. 73–94). Konzeptionell unterscheide sich das Matriarchat deutlich vom Patriarchat: Im Patriarchat hätten sich mechanistische Naturkonzepte gegen organische, ganzheitliche durchgesetzt (S. 118–137); der Körper werde als bloße „materielle Naturressource“ (S. 139), mithin als kulturelles und soziales Produkt statt als menschlicher, beseelter Leib verstanden (S. 138–158); Zeit werde nicht mehr zyklisch, sondern linear begriffen (S. 158–164); und der Subjektbegriff sei idealistisch statt materialistisch-genealogisch: Das Ich werde als Ergebnis geistiger Prozesse verstanden, anstatt anzuerkennen, dass es von der Mutter geboren werde (S. 164–168).
Entsprechend dieser Darstellung sieht Tazi-Preve den Ausweg aus dem permanenten Ausbeutungszustand, wie das Patriaracht ihn etabliert habe, in der Rückkehr bzw. Hinwendung zu einer matriarchalen Ordnung. Ausbeutung und Entfremdung könne mit einer matriarchalen Geisteshaltung (S. 258) bzw. einer matriarchalen Spiritualität (S. 248) begegnet werden; so werde die patriarchale Kluft zwischen Natur und Kultur überwunden. Die Errichtung einer matriarchalen Ordnung (S. 269) stärke die erste soziale Einheit, die Mutter-Kind-Beziehung, und die Maßstäbe, nach denen diese funktioniere (S. 269), und ermögliche es somit, friedvolle Koexistenz und gegenseitige Verantwortlichkeit gesellschaftlich durchzusetzen (S. 273). Der konkrete Weg sei die Stärkung der matriarchalen Genealogie sowie eines spiritualistisch anmutenden Verständnisses von weiblicher Energie (S. 261), Kreativität und Weisheit (S. 253), repräsentiert im Bild der weiblichen Göttin (S. 259).
Mit diesem affirmativen Bezug auf ‚das Matriarchat‘ vertritt Tazi-Preve letztlich antimoderne Positionen. Die Errungenschaften der Moderne – Gleichheit, Freiheit, Demokratie, Autonomie – werden einer kritischen Auseinandersetzung nicht für würdig befunden, sondern im Ganzen als patriarchale Projekte zurückgewiesen (etwa S. 248). Das Patriarchat sei dermaßen total, dass es bis in die Frauenbewegung und die feministische Wissenschaft hineinreiche: Feministische theoretische und politische Positionen seien zutiefst patriarchal unterwandert, so etwa Forderungen nach Gleichheit (S. 216, 241), die Errungenschaften der Demokratie und das Konzept der Menschenrechte (S. 46 f.) ebenso wie die „postmodernen Gender Studies“ (S. 64–71) oder der positive Bezug auf selbstbestimmte Verhütung und Abtreibung (S. 215 f.). So radikal diese Haltung sein mag – sie verunmöglicht politisches Handeln und zeigt als mögliche Strategie letztlich nur den Rückzug in „matriarchal memories of the time before the existence of the matricidal patriarchal order“ und die Besinnung auf die „gynergy“ der Frauen auf (in Anlehnung an Mary Daly, S. 220).
Mit dem Generalvorwurf, der Feminismus gehe dem Patriarchat in die Falle, immunisiert sich Tazi-Preve auf eine Art und Weise gegen Kritik, die selbst als zutiefst unkritisch bezeichnet werden muss. Durch ihre radikale Haltung werden Ambivalenzen negiert und Kontroversen verunmöglicht – die Maxime ‚Es gibt nichts Richtiges im Falschen‘ wird hier auf die Spitze getrieben. Als wirklich revolutionär, weil system-transzendierend, lässt die Autorin nur Überlegungen aus dem Spektrum des Subsistenz-Ansatzes, der Matriarchatstheorie und der Kritischen Patriarchatstheorie, besonders das Konzept der Dissidenz von Claudia von Werlhof (S. 278), gelten – von „Gruppen“ (groups of people) also, die eine Vision hätten (S. 63). Kritik an ihren Überlegungen nimmt sie als patriarchal unterwandert vorweg (S. 64) – die in der vorliegenden Rezension geäußerte Kritik etwa würde die Autorin sehr wahrscheinlich nicht gelten lassen, sondern ihre These der patriarchalen Unterwanderung feministischer Positionen bestätigt sehen. Dies steht selbstverständlich der Auseinandersetzung mit dieser Schule, wie ich sie oben eingefordert habe, massiv im Wege bzw. verunmöglicht sie, da (zumindest von Tazi-Preve) ‚der Feminismus‘ gar nicht erst als gleichwertiger Diskussionspartner angesehen wird.
Die Kritik der Autorin am Feminismus geht allerdings noch weiter: Sie unterstellt ihm nicht nur die Reproduktion patriarchaler Verhältnisse, sondern sieht ihn auch in einem „Konnex“ zum Nationalsozialismus – weil nämlich sowohl im Feminismus als auch im Nationalsozialismus Mutterschaft nur in instrumentalisierter Form vorkomme (S. 59 f.). Indem der Feminismus das Thema Mutterschaft vernachlässige bzw. die wenigen Autorinnen, die sich damit beschäftigten, nicht rezipiere (S. 54), begehe er den gleichen Muttermord (matricide), wie er für das Patriarchat typisch sei und im Nationalsozialismus durch die Verbindung von Mutterschaft und Tod seinen Höhepunkt gefunden habe (S. 57).
Auch abgesehen von dieser schwerwiegenden Unterstellung, der Undifferenziertheit in der Verwendung der Konzepte Matriarchat und Patriarchat und dem Rückzug in spirituelle Wunschträume als politischer Vision ist das Buch wissenschaftlich unsauber bis unseriös. Argumente werden postuliert statt hergeleitet, skeptisch zu bewertende Literatur wird unkritisch als Quelle übernommen (etwa eine Studie, der zufolge die Pest-Epidemien des Mittelalters die somatische Folge eines spirituellen Wandels seien, S. 111 f.), die Autorin äußert generalisierende Behauptungen (etwa zur Gleichsetzung von Weiblichkeit mit Mutterschaft, S. 49, 261, 276; oder zum angeblich per se solidarischen zwischenmenschlichen Umgang „in most parts of the so-called third world“, S. 242 f.).
Vor diesen Problematiken geraten die Aspekte des Buches, die bedenkenswert und anregend sind, in den Hintergrund. In der Tat wird die ‚Natur‘ der Frauen, gerade im Bereich Mutterschaft, diskursiv tendenziell den Konservativen überlassen, weil sich die Feministinnen aus der (sehr berechtigten) Scheu heraus, antifeministische Biologismen zu stärken, lieber gar nicht dazu äußern. Meines Erachtens aber darf diese Auseinandersetzung den Konservativen genauso wenig überlassen werden wie solchen vom Schlage der Autorin. Auch die Reflexion über die gesellschaftstheoretische und -politische Bedeutung von Mutterschaft bedarf der Einmischung aus unterschiedlichen theoretischen und politischen Perspektiven, um eine lebendige Kontroverse zu ermöglichen und emanzipatorische Forderungen zu entwickeln.
Marie Reusch
Philipps-Universität Marburg
Institut für Politikwissenschaft
E-Mail: marie.reusch@staff.uni-marburg.de
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