Cornelia Koppetsch, Sarah Speck:
Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist ─
Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten.
Berlin: Suhrkamp Verlag 2015.
297 Seiten, ISBN 978-3-518-12701-8, € 18,00
Abstract: In der vorliegenden Studie werden Dynamiken von Paaren, bei denen Frauen den Großteil des Familieneinkommens erwirtschaften, im Milieuvergleich untersucht. Empirische Grundlage bilden Leitfaden-gestützte Paar- und Einzelinterviews mit 29 heterosexuellen Paaren. Die Autorinnen differenzieren ein individualisiertes, ein familistisches und ein traditionales Milieu. Sie zeigen, dass es trotz Gleichheitsorientierung gerade nicht im individualisierten Milieu zu einer Lockerung geschlechterdifferenter Zuschreibungen kommt, sondern im eher wertkonservativen familistischen Milieu.
Geschlechterverhältnisse haben sich in den vergangenen vier Jahrzehnten grundlegend verändert. Alte Rollenvorgaben scheinen für Männer und Frauen an Bedeutung zu verlieren, und die Hausfrauenehe verliert ihre Attraktivität, auch sozialpolitisch wird das Zweiverdiener-Modell avisiert. Paare orientieren sich zunehmend an Gleichheit. Wessen beruflicher Karriere heute der Vorrang gegeben wird, wenn sich ein Kind ankündigt, wird im Paar flexibel und pragmatisch entschieden. Es scheint ein Zufall zu sein, wenn die Karriereentscheidung dann doch (wieder) auf den Mann fällt. Die ‚männliche Herrschaft‘ (Bourdieu 2005) sei nahezu überwunden. Oder etwa nicht? Mitnichten, lässt sich nach der Lektüre der materialreichen Studie von Cornelia Koppetsch und Sarah Speck resümieren, in der Dynamiken von Paaren aus drei verschiedenen Milieus im Zentrum stehen, in denen nicht mehr Männer, sondern Frauen die Brötchen verdienen. Als solche Familienernährerinnen werden Frauen bestimmt, die mehr als 60 Prozent des Familieneinkommens erwirtschaften. In ostdeutschen Haushalten sind dies 13,5 Prozent und in westdeutschen Haushalten 9,5 Prozent (BMFSFJ 2006, S. 79 f.), die Tendenz ist steigend (Brehmer/Klenner/Klammer 2010).
Wie die noch junge deutschsprachige Forschung zu Familienernährerinnen zeigt, entscheiden sich Paare mehrheitlich nicht ‚freiwillig‘ für dieses Arrangement. Die meisten Familienernährerinnen-Haushalte sind aus der Not heraus entstanden, weil die Männer die Ernährerrolle nicht mehr ausfüllen können: sei es aufgrund einer prekären Beschäftigung, Arbeitslosigkeit oder geringer Rentenansprüche des Mannes (Klammer/Neukirch/Weßler-Poßberg 2012, Klenner/Menke/Pfahl 2012). Ein deutlicher hierfür sprechender Befund besteht darin, dass es in diesen Haushalten nicht zu einer Umverteilung von Haus- und Sorgearbeit kommt. Auch wenn Frauen in Vollzeit erwerbstätig sind, wandert Haus- und Sorgearbeit nicht entsprechend in die männliche Verantwortung, wobei in den ostdeutschen Bundesländern männliches Engagement in diesen Bereichen noch eine größere Selbstverständlichkeit darstellt als in den westdeutschen.
Die Studie von Koppetsch und Speck ist die erste Arbeit im deutschsprachigen Raum, die konsequent Paare und damit Paardynamiken von Familienernährerinnen-Haushalten ins Zentrum rückt. Ihre Forschungsfragen lauten: Was bedeutet es für das Geschlechterarrangement in Paaren, wenn Männer nicht mehr Ernährer sind? Wie verändern sich damit Männlichkeits- und Weiblichkeitsentwürfe? Diese Forschungsfragen bearbeiten die Autorinnen in einem Milieuvergleich. Ausgehend von einer früheren Studie (Koppetsch/Burkart 1999) unterscheiden sie drei Milieus: das individualisierte (die gebildete Mittelschicht im urbanen Raum), das familistische (aus der mittleren Dienstleistungsberufsgruppe) und das traditionale (traditionelle Handwerker und Arbeiter) Milieu. Diese Milieuunterscheidung wirft, wie nachfolgend weiter ausgeführt wird, eine Reihe von Fragen auf. Zunächst ist es verdienstvoll, dass die Autorinnen nicht nur Interviewpartner_innen aus ihrem eigenen individualisierten Milieu rekrutieren, wie es in vielen empirischen Studien die Regel ist. Jedoch werden Einsichten verschenkt, wenn zu Beginn Charakteristika für Milieus konstatiert werden, die im weiteren Verlauf der Forschung wiederum bestätigt werden. Wie wären die Ergebnisse ausgefallen, wäre die Milieuunterscheidung aus dem Material selbst extrahiert worden?
Die empirische Grundlage bilden Leitfaden-gestützte Interviews mit 29 heterosexuellen Paaren. Die Partner_innen wurden erst getrennt voneinander und im direkten Anschluss gemeinsam als Paar befragt. Zusätzlich zu den Einzel- und Paarinterviews fertigten die Autorinnen Beobachtungsprotokolle an, in denen sie Auffälligkeiten zur Wohnung, Kleidung und zu den Interaktionen im Paar und mit den Interviewerinnen festhielten.
Im individualisierten Milieu orientieren sich Paare typischerweise an der Gleichheit der Geschlechter, zentral sind die Werte Autonomie und berufliche Selbstverwirklichung. Wenn man sich die Frage stellt, welchem Milieu am ehesten eine Abkehr von konventionellen Geschlechterrollen gelingt, läge also dieses Milieu nahe. Wie Koppetsch und Speck jedoch eindrucksvoll zeigen, ist das Gegenteil der Fall. Da ist etwa das Paar Thomas (57) und Annabella (46), die mit ihrer Tochter in einer Berliner Altbauwohnung leben. Sie verdient als Produktionsleiterin beim Radio das Familieneinkommen, er versucht sich nach einem Philosophiestudium an einer Schauspielkarriere, womit er, zumindest in finanzieller Hinsicht, bisher wenig Erfolg hat. Da Thomas häufig beruflich unterwegs ist, übernimmt Annabella weitgehend alleine die Sorge- und Hausarbeit, zu ihrem großen Unmut beglich sie in der Vergangenheit zudem häufig einen Großteil der Kosten für seine Theaterprojekte. Ärger bereitet ihr auch, dass Thomas sich nicht stärker im Haushalt und in der Kindererziehung engagiert, sie habe allerdings auch ein größeres Bedürfnis nach Ordnung als er. Gleichzeitig ist sie bei den wenigen Gelegenheiten, in denen er initiativ wird, voll des Lobes, wie etwa, wenn er für Gäste kocht. Annabellas Relativierungen der ungleichen Verteilung von Haus- und Sorgearbeit kommen für Koppetsch und Speck einer Dementierung ihres Vorwurfs an ihn und einer Individualisierung ihrer Ansprüche gleich, womit auch sie das ungleiche Arrangement stützt. Aber warum tut sie dies und wieso kommt es nicht zu einer Umverteilung von Haus- und Sorgearbeit? Für die Autorinnen liegt dies paradoxerweise an der Gleichheitsorientierung der Paare in diesem Milieu.
Gleichheit bedeutet gerade nicht, dass Haus- und Sorgearbeit gleichberechtigt verteilt werden, sondern dass sich beide Partner_innen gleichberechtigt beruflich selbstverwirklichen können und ─ so die Pointe ─ auch sollen. Da männliche Selbstverwirklichungsansprüche und Authentizität in diesem Milieu mit Attraktivität verknüpft sind, sind auch Frauen bereit, ein Arrangement in Kauf zu nehmen, in dem sie die Alleinverantwortung für das Einkommen sowie die Haus- und Sorgearbeit haben. Männliche Hauptverantwortung in der Haus- und Sorgearbeit bietet diese Attraktivität eben nicht. Auch wenn sich diese Paare nach außen betont gleichberechtigt geben, ist es für Männer dieses Milieus nicht denkbar, dass sie die Hauptverantwortung für Haus- und Sorgeverantwortung übernehmen.
Die Autorinnen rekonstruieren in diesem Milieu zudem bei den Männern eine „Haltung der ‚Coolness‘“ (S. 69): Männer inszenieren sich als entspannt, sie sind weder karriere- noch geldfixiert; wenn sie Aufträge annehmen, dann nur solche, die auch stimmen. Für Koppetsch und Speck formulieren sie damit auch eine Abwertung ihrer Partnerinnen als übereifrige Karrierefrauen, womit sie den weiblichen Hysterievorwurf reaktualisieren (S. 90). Gelassen scheinen die Männer dieses Milieus auch ihre Liebesbeziehung zu sehen: Ein Mann gibt an, dass nicht er sich für seine Partnerin und ein Kind entschieden habe, dies sei seine Partnerin gewesen. Diese Gefühllosigkeit interpretieren die Autorinnen mit Eva Illouz (2012) als eine „Form männlicher Bindungsmacht“ (S. 71). Kurzum: Auch wenn Männer in diesem Milieu keine Ernährer sind, wird männliche Überlegenheit diffizil auf alternativen Wegen abgesichert. Dass gerade bei diesen Paaren das Ideal der Gleichheit in ein traditionelles Rollenmuster umkippt, wollen sie nicht wahrhaben. Der geringe Verdienst der Männer wird in der Regel ausgeblendet und paradoxerweise das Gleichheitsideal betont.
Das traditionale Milieu zeichnet sich durch eine „hierarchische Sphärentrennung“ und einen „rituelle(n) Patriarchalismus“ aus (S. 38). Eine typische Dynamik von Familienernährerinnen-Paaren im traditionalen Milieu findet sich bei Andrea (28) und Ralf (31), die in einer ländlichen Kleinstadt leben. Sie arbeitet als Erzieherin und stellvertretende Leitung in einer Kindertagesstätte. Er ist gelernter Drucker, verlor wegen eines Firmenkonkurses seine Beschäftigung, arbeitete dann als Verkäufer in einer Computerfirma, gab diese Stelle wieder auf und macht zum Zeitpunkt des Interviews eine Umschulung zum IT-Spezialisten. Andrea wünscht sich, dass Ralf möglichst schnell wieder in Lohn und Brot kommt, da sie eine Familie gründen möchte. Auch das Eigenheim soll her, was sie ebenfalls daran knüpft, dass er wieder erwerbstätig wird. Es ist nicht nur Andrea, die von Ralf verlangt, Ernährer zu sein, auch ihre und seine Familie fordern dies ein, wie etwa durch regelmäßige Nachfragen, was seine Jobsuche mache. Sein Vater unterstützt Andrea zudem bei der Suche nach einem Haus, unabhängig davon, dass Ralf noch keinen Job in Aussicht hat.
Anders als beim individualistischen Milieu steht nicht das Streben nach Selbstverwirklichung im Zentrum, sondern die Realisierung der ‚Normalbiographie‘: Nach der Schule folgen die Ausbildung, der Berufseinstieg, die Hochzeit, der Hausbau und schließlich die Geburt von Kindern. Die Geschlechterrollen sind eindeutig verteilt: Wie auch bereits in der Elterngeneration sind Frauen für Kinder und Haushalt zuständig, Männer für das Einkommen. Auch wenn die Frauen, bevor sie Kinder bekommen, erwerbstätig waren, bildet ihre Hauptverantwortung die Haus- und Sorgearbeit. Wenn sie mit Kindern weiter arbeiten, dann als Zuverdienst. Werden Männer arbeitslos, ist es durchaus legitim, wenn Frauen von ihnen mehr Einsatz in der Hausarbeit einfordern, entscheidend ist, dass sie selbst weiter die Hauptverantwortung tragen.
Frauen in diesem Milieu erfahren also tatsächlich einen kleinen Machtzugewinn: Als Hauptverdienerinnen können sie Kaufentscheidungen tätigen, Männern bestimmte Konsumwünsche abschlagen und sie auffordern, sich stärker bei der Jobsuche und der Hausarbeit einzubringen. Nach Ansicht von Koppetsch und Speck ist für Paare dieses Milieus entscheidend, dass die Familienernährerinnen-Position akzeptiert wird, solange sie ein vorübergehendes Stadium bildet. Ein dauerhafter Wandel von Geschlechterverhältnissen zeichnet sich nicht ab. Anders als bei den individualisierten Paaren wird das geringe Einkommen der Männer aber nicht verdeckt. Für die Jobsuche des Mannes, seine Wiedereingliederung in die männliche Normalbiographie fühlt sich das gesamte Familienumfeld verantwortlich. Entscheidend ist aber auch hier, dass Männer nach außen nicht als schwach und handlungsarm erscheinen: So betonen Frauen, dass ihre Partner nichts für ihre Erwerbssituation können, etwa krank wurden und dass der Zustand sich sehr bald ändern wird.
Im familistischen Milieu bildet die an „Geschlechterkomplementarität orientierte Gemeinschaft“ (S. 38) den Rahmen, und Werte wie Solidarität und Gemeinsinn stehen im Zentrum. Ein Beispiel für einen Familienernährerinnenhaushalt in diesem Milieu bilden Jana (45) und Markus (50). Sie leben mit ihren fünf Kindern in einer Kleinstadt. Sie arbeitet als Verkehrsleiterin an einem Flughafen, er wurde erst Schweißer, später Zeitsoldat, Feuerwehrmann und schließlich Altenpfleger. Für beide steht nicht Selbstverwirklichung im Beruf, sondern die Familie an erster Stelle. Im Laufe der Ehe arbeitet Markus immer weniger, während Jana ihre Erwerbstätigkeit ausbaut. Nach dem vierten Kind bleibt Markus ganz zuhause. Anders als für Frauen im individualistischen Milieu erwartet Jana von ihrem Partner keine beruflichen Selbstverwirklichungsansprüche, um ihn attraktiv finden zu können. Die Entscheidung für ihr Arrangement begründen sie pragmatisch: Von seinem Gehalt könnten sie keine fünf Kinder ernähren, von ihrem dagegen schon. Bei näherem Nachfragen wird aber doch deutlich, dass der Rollentausch nicht unproblematisch erfolgt, wie etwa bei Kindergeburtstagen, bei denen ihm das Gespräch mit berufstätigen Vätern nicht gelingen mag, oder in Babygruppen, in denen er als einziger Mann exotisiert wird.
Dennoch ist es dieses eigentlich wertkonservative Milieu, dem es gelingt, eine geschlechtliche Rollenzuweisung aufzugeben. Der Mechanismus dafür basiert nicht etwa auf der Gleichheitsorientierung des Paares, sondern darauf, dass in diesem Milieu Paarbeziehungen als komplementär und Familie als „arbeitsteilige Gemeinschaft“ (S. 136) konzipiert wird. Familie gilt als wichtiger als eine berufliche Karriere. Der Einsatz für die Erwerbssphäre erfolgt nicht vorrangig aus Selbstverwirklichungsansprüchen, sondern weil der Lebensstandard gesichert werden muss. In dieser Logik wird es auch möglich, (männliche) Haus- und Sorgearbeit aufzuwerten. Koppetsch und Speck erklären, dass typischerweise in diesem Milieu häufig Frauen über mehr Qualifikation verfügen als ihre Partner. Aus diesem Grund gelinge die unkonventionelle Arbeitsteilung in ihrer Paarbeziehung. Sie liefen nicht Gefahr, in die oben beschriebene Falle der Frauen im individualisierten Milieu zu geraten, da sie sich erst gar nicht Partner suchen, die nach Selbstverwirklichung und Authentizität streben.
Koppetsch und Speck legen eine sehr anschauliche Studie vor, die vor allem mit ihrem empirischen Material beeindruckt. Ihr methodischer Zugriff ─ die Kombination aus Paar-, Einzelinterviews und Beobachtungen ─ erweist sich als sehr fruchtbar. Die Einblicke in die Alltagspraxen der Paare sind sehr spannend zu lesen, und die Rekonstruktionen der latenten Orientierungsmuster sind durchweg pointiert formuliert und bestens nachvollziehbar. Ihr zentraler Befund, dass es gerade das individualisierte Milieu ist, dem es am wenigsten gelingt, die vorhandene Gleichheitsorientierung zu realisieren, und dass diese Paare ihre Ungleichheiten sogar vor sich selbst beschönigen, lässt einen durchaus mit Entsetzen zurück, auch wenn ähnliche Befunde in der Geschlechterforschung bereits vorliegen (Hochschild 1997, Koppetsch/Burkart 1999, Wimbauer 2012). Gleiches gilt für ihr Ergebnis, dass eine unkonventionelle Arbeitsteilung vor allem dann gelingt, wenn sie aus pragmatischen Gründen erfolgt und nicht geschlechterpolitisch motiviert ist. Es ist vor allem wegen dieser Befunde, dass man dem Buch eine große und breite Leser_innenschaft wünscht. Umso erfreulicher, dass der geschlechtersoziologischen Studie bereits eine große mediale Wahrnehmung gelungen ist.
Allerdings hält die hohe Plausibilität und präsentierte Stimmigkeit, die die Studie entfaltet und die sie so gut lesbar macht, auch eine größere Schwäche bereit. Bei näherer Betrachtung irritiert an manchen Stellen die weitgehende Widerspruchsfreiheit der Argumentationen. Ein Beispiel bildet die These, dass es gerade der Bereich des Privaten ist, der eine „erstaunliche Änderungsresistenz“ im Geschlechterverhältnis aufweist (S. 242), während öffentliche Sphären sich zunehmend an Gleichheit orientieren. Aber sprechen die vielen von ihnen auch angesprochenen Studien zur vertikalen und horizontalen Segregation der Arbeitsmärkte und die weiterhin das Ernährermodell stützenden sozialpolitischen Regelungen wie das Betreuungsgeld nicht ebenfalls, vielleicht sogar noch stärker als im Privaten, für eine solche Änderungsresistenz auch in der Erwerbssphäre und in der Familien- und Sozialpolitik? Ungleichheitssoziologisch ließe sich hinzufügen, dass mit dem Fokus auf das Private und das ‚Innengeschehen‘ der Paare die zahlreichen ungleichheitsrelevanten gesellschaftlichen Strukturen aus dem Blick geraten sind. Hier wäre es fruchtbarer gewesen, auch die Wechselwirkungen ungleichheitskonstitutiver Mechanismen aus Erwerbssphäre, Sozialstaat und Familie herauszuarbeiten. Wenn also in den meisten Studien zu prekären Erwerbskonstellationen das Private ganz ausgeblendet wird, wird es hier überhöht.
Wie oben bereits erwähnt, wirft auch der verwendete Milieubegriff einige Fragen auf und ist das größte Manko der Studie. Sehr problematisch ist, dass die Milieus und ihre Leitvorstellungen ex ante definiert und dann im Material ‚bestätigt‘ werden. Aber gibt es nicht zahlreiche hochgebildete Paare, die keinen Gleichheitsanspruch entfalten, sondern ein Hausfrauenmodell leben? Weiter fragt man sich, warum nur drei Milieus herangezogen und weitere nicht erwähnt werden. Auch die Homogenität der Milieus irritiert: Wie begründet sich eine Zusammenstellung von Paaren, die immer milieuhomogen erscheinen, wenn sich doch Paare auch bisweilen aus verschiedenen Milieus zusammensetzen? Und warum schließt sich eine Orientierung an beruflicher Selbstverwirklichung und Familie eigentlich aus?
Schließlich wäre es ─ in weiteren Studien ─ möglich, durch die Berücksichtigung der Wechselwirkungen weiterer Differenzkategorien mehr Heterogenität im Sample abzubilden. Wie gestalten sich Alleinernährer_innen-Konstellationen in schwul-lesbischen Paaren, wie in Paaren mit Migrationsgeschichte? Wie also deutlich wird, stellen sich für zukünftige Forschungen noch viele Fragen. Gleichwohl ist das vorliegende Buch eine so spannende wie kurzweilige und aufrüttelnde ─ kurz: sehr lohnenswerte ─ Lektüre.
BMFSFJ. (2006). Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Siebter Familienbericht. Berlin.
Bourdieu, Pierre. (2005). Die männliche Herrschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Brehmer, Wolfram/Klenner, Christina/Klammer, Ute. (2010). Wenn Frauen das Geld verdienen − eine empirische Annäherung an das Phänomen „Familienernährerin“. Diskussionspapier Nr. 170. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung.
Hochschild, Arlie Russel. (1997). The Time Bind: When Work Becomes Home and Home Becomes Work. New York: Metropolitan Books.
Illouz, Eva. (2012). Warum Liebe weh tut: Eine soziologische Erklärung. Berlin: Suhrkamp.
Klammer, Ute/Neukirch, Sabine/Weßler-Poßberg, Dagmar. (2012). Wenn Mama das Geld verdient. Familienernährerinnen zwischen Prekarität und neuen Rollenbildern. Berlin: Sigma.
Klenner, Christina/Menke, Katrin/Pfahl, Svenja. (2012). Flexible Familienernährerinnen. Moderne Geschlechterarrangements oder prekäre Konstellationen? Opladen: Barbara Budrich.
Koppetsch, Cornelia/Burkart, Günter. (1999). Die Illusion der Emanzipation. Zur Wirksamkeit latenter Geschlechtsnormen im Milieuvergleich. Konstanz: UVK Universitätsverlag Konstanz.
Wimbauer, Christine. (2012). Wenn Arbeit Liebe ersetzt. Doppelkarriere-Paare zwischen Anerkennung und Ungleichheit. Frankfurt a.M./New York: Campus.
Mona Motakef
Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Ungleiche Anerkennung? ,Arbeit‘ und ‚Liebe‘ im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter“ am Lehrbereich ‚Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse’
Homepage: https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/sag/mitarbeiterinnen/mona-motakef
E-Mail: mona.motakef@sowi.hu-berlin.de
(Die Angaben zur Person beziehen sich auf den Stand zum Veröffentlichungsdatum.)
Christine Wimbauer
Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Leiterin des Lehrbereichs ‚Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse’
Homepage: https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/sag/mitarbeiterinnen/christine-wimbauer
E-Mail: christine.wimbauer@sowi.hu-berlin.de
(Die Angaben zur Person beziehen sich auf den Stand zum Veröffentlichungsdatum.)
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