Maria Häusl, Stefan Horlacher, Sonja Koch, Gudrun Loster-Schneider, Susanne Schötz (Hg.):
Armut.
Gender-Perspektiven ihrer Bewältigung in Geschichte und Gegenwart.
Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2016.
428 Seiten, ISBN 978-3-96023-040-3, € 28,00
Abstract: Der Sammelband hat das vielschichtige Verhältnis von Armut und Geschlecht zum Thema. Indem aktuelle wie vergangene Problemfelder betrachtet und pluridisziplinär historische, theologische, psychologische, literatur-, sprach-, sozial- und kulturwissenschaftliche Zugänge eingenommen werden, beleuchten die Autorinnen und Autoren ganz unterschiedliche Facetten dieser Relation und ihrer mannigfachen Verschränkungen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Bewertung, Wahrnehmung und Deutung weiblicher (und männlicher) Armut sowie auf deren Einbettung in zeitgenössische Kontexte, Denkweisen und Kategorienbildung sozialer Ungleichheit.
‚Equal Pay Day‘, das politisch und normativ zutiefst aufgeladene Schlagwort der ‚Mütterrente‘ oder schlicht die häufig zu vernehmende Formulierung ‚Armut ist weiblich‘ – von der Verbindung von Armut und Geschlecht ist auch in nichtakademischen Sphären zumindest implizit häufig die Rede. Auch die Geistes- und Sozialwissenschaften nähern sich seit geraumer Zeit verstärkt den Themen soziale Ungleichheit, Armut und – merklich seltener allerdings – Reichtum an. Das Buch Armut. Gender-Perspektiven ihrer Bewältigung in Geschichte und Gegenwart geht auf eine Tagung zurück, die im November 2013 unter dem selben Titel von der interdisziplinär ausgerichteten Dresdner GenderConceptGroup veranstaltet wurde, und zwar unter Federführung ihrer Mitglieder Maria Häusl, Stefan Horlacher, Gudrun Loster-Schneider, Sonja Koch und Susanne Schötz. Die Professorinnen und Professoren dieses Forschungsverbunds aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften an der TU Dresden haben es sich explizit zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der Kategorie Geschlecht für verschiedene Bereiche interdisziplinär zu analysieren. Mithin verfolgen sie auch mit dem vorliegenden Konferenzband einen ausdrücklich genderorientierten Zugang mit der Intention, den Zusammenhang von Armut und Geschlecht von verschiedenen Wissenschaftsperspektiven aus zu untersuchen. Der nun veröffentlichte Band ist Bestandteil der Reihe „Dresdner Beiträge zur Geschlechterforschung in Geschichte, Kultur und Literatur“ (Band 10), in der bereits andere Bücher unter dem Rubrum ‚Gender und Armut/Fürsorge‘ erschienen sind.
Mit der konsequenten Ausrichtung auf das vielgestaltige Verhältnis von Armut und Geschlecht nehmen die Forscherinnen und Forscher in insgesamt 17 Beiträgen ein doppelt brisantes Thema in den Blick: Denn ‚Armut‘ ist hierzulande, sieht man einmal von den alljährlich-hochkonjunkturellen Thematisierungsphasen in der Vorweihnachtszeit oder im Zuge der Veröffentlichung von Armutsberichten ab, per se ein weitgehend marginalisierter Gegenstand in Politik, Medien und Öffentlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass wissenschaftliche Initiativen die Unterthematisierung aufgreifend eigene Überlegungen anstellen, deren gesellschaftliche Notwendigkeit sich bei dem Thema (Frauen-)Armut geradezu aufdrängt: Durch die doppelte Belastung vieler Frauen durch Erwerbs- und Reproduktionsarbeit ergibt sich noch einmal eine ganz anders gelagerte Armutsgefährdung, die etwa beim Erreichen des Rentenalters oder bei Trennung, Scheidung oder einer Erkrankung zutage treten kann.
Maria Häusl erläutert einleitend die übergreifenden Zielsetzungen des Bandes, nämlich die unterschiedlichen Verschränkungen und Relationen von Armut und Geschlecht auf dem Gebiet der historischen, soziologischen, sozialpsychologischen, kultur- und literaturwissenschaftlichen Forschung exemplarisch zu untersuchen. Dabei geht es zum einen um die Rolle des Faktors ‚Geschlecht‘ bei der Wahrnehmung von Armut, zum anderen um den Einfluss der Zuschreibung ‚Armut‘ auf die jeweilige Codierung von Geschlecht (vgl. S. 18). Einen besonderen Stellenwert im gesamten Band nehmen darüber hinaus vor allem Symbolsysteme und kulturelle Praktiken ein, die weibliche und männliche Armut hervorbringen, verstärken und reproduzieren (vgl. S. 39 f.).
Im Folgenden können nicht alle der Beiträge en detail besprochen werden, vielmehr sollen ein paar wenige etwas ausführlicher besprochen und übergeordnete Beobachtungen formuliert werden. Aufgrund der Aktualität und der luziden Verquickung sozial- und geschlechterpolitischer Dimensionen gelingt es dem Jenaer Sozialwissenschaftler Klaus Dörre überzeugend, die Herausbildung neuer Unterklassen und ihre geschlechtsspezifischen Nebeneffekte nachzuvollziehen. Seine Ausführungen basieren unter anderem auf Interviews mit Personen, die selbst längere Zeit staatliche Leistungen bezogen haben. Pointiert und anregend ist das Plädoyer Dörres, den heterogenen und hierarchischen Begriff der ‚Unterklasse‘ als Ergebnis und Wiederkehr entwürdigender Arbeit analytisch zu verwenden. Der Verfasser weist außerdem auf die Schattenseiten des vielbesungenen bundesdeutschen ‚Jobwunders‘ hin, dass nämlich eine „prekäre Vollerwerbsgesellschaft“ (S. 49) entsteht, sowie auf die selektive Freisetzung von Lohnabhängigen und deren Familien aus wohlfahrtsstaatlichen Sicherungen, ihre Beschäftigung im Niedriglohnsektor und – ganz zentral – die damit verbundene geschlechterdiskriminierende Dimension. Denn es seien vor allem weibliche Arbeitnehmer, die sich in prekären Dienstleistungsjobs gerade in Sorgearbeiten wiederfänden und durch die dortigen Prozesse der Privatisierung, Standardisierung und Kosten-Nutzen-Erwägungen unter einen zusätzlichen Druck gerieten. Da die Einkommen in dieser Branche in der Regel niedrig seien, sei die Nähe zur Schwelle ausbleibender gesellschaftlicher Respektabilität insbesondere für viele Frauen spür- und greifbar. Eine gerade in geschlechtswissenschaftlicher Hinsicht interessante Einsicht erlauben die vom Verfasser durchgeführten Befragungen von Leistungsbeziehern, die einen insgesamt heterogenen Aktivierungsanspruch sowie die geringen Möglichkeiten der Aufwärtsentwicklung erahnen lassen. Statt sozialer Mobilität (nach oben) konstatiert er die Verstetigung einer Position zwischen prekärer Beschäftigung und (vergleichsweise gering entlohnter) Erwerbsarbeit, was wiederum die Herausbildung eines bestimmten Überlebenshabitus und das Gefühl einer (Selbst-)Stigmatisierung, der Scham, Fremdbestimmung und Ohnmacht, aber durchaus auch die Entstehung eigen-sinniger Verhaltensweisen verdeutliche. Ebenfalls berührt werden Fragen der Statussicherung und Distinktion (wie beispielsweise Abgrenzungsversuche zu ‚passiven‘ Arbeitslosen) oder auch die disziplinierende Rolle von ‚Hartz-IV‘ (Verunsicherung und Abschreckung sowohl für Empfängerinnen und Empfänger als auch für Noch-nicht-Empfängerinnen und -empfänger), was insgesamt letztlich einen sehr plastischen und differenzierten Einblick in die Lebenswelten Betroffener gestattet.
Die vier geschichtswissenschaftlichen Beiträge verweisen zumindest implizit auch auf aktuell virulente Forschungsfragen, die nicht nur die Frühe Neuzeit, sondern auch die Zeitgeschichte betreffen, und zwar insbesondere bezogen auf die geschlechtsbedingten (Re-)Produktionsmechanismen sozialer Ungleichheit und die Rekonstruktion von konkreten Lebenssituationen historische Akteure. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah lotet Selbstzeugnisse als Quelle sowie deren Aussagekraft und epistemologische Grenzen aus, indem sie Zugangsmöglichkeiten für Männer und Frauen zu Dresdner Fürsorgeeinrichtungen beleuchtet. Die frühneuzeitlichen Supplikationen der Bittstellerinnen und Bittsteller lassen ein genderbedingt unterschiedliches Verständnis von und einen anderen Umgang mit Armut erkennen, einerseits bezogen auf die geschlechterspezifisch erstaunlich voneinander abweichende (und dabei jeweils stabile) Verwendung der Selbstbezeichnung ‚arm‘, andererseits vor dem Hintergrund der in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich ihrer gesellschaftlich etablierten (und letztlich auch prospektiv erwarteten) geschlechtsspezifischen Rollenverständnisse. Die hier analysierten Quellen legen zudem die unterschiedliche Bedeutung, Aufladung und Ausdeutung von Begriffen wie Ehre, Sittlichkeit und Disziplin nahe und verweisen gleichsam auf Logiken und Modi der Abgrenzung zu Fremden, wie dem ‚störenden Bettler‘.
Andere genuin historisch arbeitende Beiträge behandeln stärker institutionelle bzw. private Maßnahmen und regulierende Eingriffe zur Prävention, die sich im 19. Jahrhundert herausgebildet haben – seien es die Initiativen des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins hinsichtlich einer Hilfe zur Selbsthilfe mit dem Ziel, mittels arbeits- und bildungspolitischer Vorschläge zur Lösung (weiblicher) Armut beizutragen und damit das Selbstbewusstsein von Frauen insgesamt zu stärken (Magdalena Gehring); sei es die Rolle neu entstehender Berufsmodelle wie der Evangelischen Diakonissinnen, die gerade für unverheiratete oder verwitwete Frauen aus der von sozialem Abstiegsängsten bedrohten unteren Mittelschicht eine zunehmend wichtige Rolle spielten und Aufstieg sowie gesellschaftliche Wertschätzung verhießen (Peggy Renger-Berka); seien es die Krippen als Betreuungsangebot für arbeitende Frauen unterer Schichten, die zeitgenössisch als „Instrumente im Kampf gegen Verwahrlosung“ (S. 202) begriffen wurden (Dorothea Eickemeyer). Kinderkrippen sollten nicht nur die Haushaltskasse der Mütter entlasten, sondern gleichzeitig das Erlernen bestimmter Tugenden wie Ordnung, Fleiß und Pünktlichkeit befördern. Weiterführend sind in diesen Beiträgen vor allem im- wie explizite Bezüge zu den Wechselwirkungen zwischen den häufig sozialpädagogisch-didaktisch Armutspolitiken sowie den hegemonialen, vor Gestaltbarkeitsutopien und Machbarkeitsglauben strotzenden Armutsbildern ‚von oben‘ und der jeweiligen Umsetzung und Aneignung ‚von unten‘.
Einen wichtigen Stellenwert nehmen im Band darüber hinaus kulturelle Praktiken und Symboliken hinsichtlich der Wahrnehmung und Deutung von (weiblicher wie männlicher) Armut ein. Hier sind exemplarisch die Ausführungen zu negativen Stereotypen und ihrer Rolle bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit der Sozialpsychologin Jenny Roth zu nennen, die psychosoziale Ansätze verfolgt und darlegt, inwiefern eine Aktivierung negativer Leistungsstereotype zu objektiven Leistungseinbußen führen kann. Ebenso anzuführen sind die Reflexionen über antik-christliche Repräsentationen von Armut, die in frappierender Weise eine deutliche ‚Unsichtbarkeit‘ weiblicher Armut hervortreten lassen. Bemerkenswert ist dabei das bis in das 21. Jahrhundert hinein festzustellende eingängige Motiv der Witwe als Symbol für ‚wirkliche‘ Bedürftigkeit, das im Beitrag der Theologin Maria Häusl und der Kirchenhistorikerin Hildegard König hauptsächlich anhand von Bibelstellen sowie antik-christlichen Darstellungen herausgearbeitet wird.
Im Beitrag der Amerikanistin Claudia Müller wird mit den Fat Poor Moms der Nexus zwischen (mutmaßlichem) Kontrollverlust, Faulheit, mangelnder Bildung, Passivität und Armut diskutiert. Die diskursive Verbindung von Armut und Dicksein verweist auf die imaginierte starke Abweichung von der Norm ebenso, wie sie eine Generativität und somit Kulturalisierung der von Armut Betroffenen suggeriert. Das dämonisierende Bild der sich-gehen-lassenden Alleinerziehenden vereinigt somit ein Bedrohungspotential, das auch hierzulande im Zuge von Armutsdebatten allzu gern bemüht wird, wenn medial-öffentlich die mutmaßliche Beschaffenheit des gesellschaftlichen ‚Unten‘ erörtert wird. Vor allem die von Müller überzeugend vorgetragene Diskussion über die Funktionalität solcher Darstellungen, in denen Faulheit und mangelnde Selbstdisziplin in einem Atemzug genannt und individualisierend-beschuldigende Begründungen von ‚Armut‘ strukturell-gesamtgesellschaftlichen Ursachen vorgezogen werden, liefert wertvolle Hinweise auf zeitlich wie räumlich übergreifende Wahrnehmungsweisen dieser vielschichtigen, wirkmächtigen und mitnichten widerspruchsfreien Konstruktionen.
Die literaturwissenschaftlichen Beiträge, die aus den Bereichen Amerikanistik, Anglistik, Germanistik sowie Romanistik stammen und immerhin gut die Hälfte des Bandes ausmachen, lesen sich aus Sicht eines Geschichtswissenschaftlers ebenfalls als Spiegel zeitgenössischer Armuts- wie Geschlechter-Repräsentationen und somit als überaus ertragreiche Quellen auch für die historische Analyse. Für die Dresdner Literaturwissenschaftlerin Gudrun Loster-Schneider bieten zwei „Schwellenromane“ aus zwei „Schwellenzeiten“ um die Jahrhundertwenden 1800 und 1900 – nämlich Sophie Ludwigs Henriette, oder das Weib wie es seyn kann und Theodor Fontanes Mathilde Möhring – einen Zugang, um die Ästhetisierung und Modellierung von Armut nachzuvollziehen. Anhand der Verbindungen zwischen Armut, Geschlecht und Risiko vergleicht sie, inwiefern das Thema Heirat „als besonders literaturaffine Premium-Strategie gegen Armut“ (S. 236) aufgegriffen und zeitgenössisch verarbeitet worden ist. Auch andere literaturwissenschaftlich arbeitende Autorinnen und Autoren deuten in ihren Beiträgen an, auf welche Weise durch Literatur Weiblichkeits- und Männlichkeitsentwürfe ausgehandelt worden sind. Hier werden Vorschläge formuliert, wie zusätzliche Analysedimensionen (wie zum Beispiel Klasse oder Ethnie, etwa im Beitrag der Anglistin Bettina Jansen unter Nutzung der black British short stories) vertieft, die Rolle von Migration im Kontext von Armut/Geschlecht mitgedacht (wie etwa im Artikel der Romanistin Elisabeth Tiller) und Geschlechterstereotypen und -symboliken dekonstruiert werden können (so beispielsweise im Beitrag der Amerikanistin Katja Kanzler).
Ein Sammelband birgt immer die Gefahr, dem Leser nur schwach oder gar Unzusammenhängendes zu offerieren – nicht so jedoch in diesem Fall: Das bunte Panorama an Zugängen zum Thema und der interdisziplinäre Anspruch an Tagung und Publikationsergebnis erweist sich im Großen und Ganzen als fruchtbar. Es ist erfreulich zu sehen, dass dabei auf explizite Definitionsversuche von ‚Armut‘ sowie ‚Geschlecht‘ weitgehend verzichtet wird. Stattdessen werden die zeitgenössischen gängigen Konstruktionslogiken und Konnotationen geschlechterwissenschaftlich in den meisten Beiträgen ‚gegen den Strich gebürstet‘. Und doch wirft gerade die thematische wie zeitliche Offenheit des Bandes wenigstens zwei neue Fragen auf: Erstens werden in den Beiträgen zwar aus verschiedenen Blickrichtungen Möglichkeiten, die Kategorie Geschlecht für die Wahrnehmung und Bewertung von Armut anders zu denken, diskutiert. Doch gerade wegen der Vielgestaltigkeit der Beiträge hätte dem Band ein möglichenfalls disziplinenübergreifendes Metakonzept (beispielsweise bezogen auf In-/Exklusion, Ungleichheit und Intersektionalität, Identität/Alterität, „Armuts“-Repräsentation oder soziale Imaginationen) in der Zuspitzung geholfen. So wirken die einzelnen Überlegungen – abgesehen von der übergreifenden Großklammer Armut-Geschlecht – letztlich etwas anekdotisch-beliebig angeordnet. Selbstredend kann – zweitens – bei einem solchen Projekt nicht auf alle potentiell denkbaren Themen und Zeitbereiche eingegangen werden; und doch hätte sich der Rezensent zumindest einbettende Überlegungen etwa zu ‚Armut‘ in Diktaturen, mit Blick auf die deutsche Geschichte im Nationalsozialismus oder in der DDR, erhofft, Regimen also, die sich selbst mit völlig unterschiedlichen Vorzeichen als sozial homogen bzw. egalitär verstanden. Wiesen die hier vollzogenen kommunikativen und symbolischen Akte bei der Kommentierung und Zuschreibung von weiblicher wie männlicher Armut grundlegende Unterschiede zu den im vorliegenden Band angestellten Beobachtungen auf? Und wo lassen sich Kontinuitäten zu antik-christlichen, frühneuzeitlichen oder späteren, auch heutigen geschlechtlich ausgedeuteten Armutsbewertungen finden? Für die Anschlussfähigkeit der hier vorgelegten Befunde wäre es ferner zweifellos wünschenswert gewesen, diese mit den Erträgen vergleichbarer Forschungsanstrengungen – zu denken ist besonders an den 2012 ausgelaufenen Trierer Sonderforschungsbereich 600 „Fremdheit und Armut“ – abzugleichen und ggf. zu kontrastieren, auch und gerade mit Blick auf die Formulierung weiterführender theoretisch-konzeptioneller Impulse.
Doch genug der Mäkelei, zumal im Band ja selbst weitere noch bestehende ‚blinde Flecke‘ der Gender-Forschung angemahnt werden (so etwa durch den Anglisten Wieland Schwanebeck): Im Sammelband gelingt es durch die gewählte disziplinübergreifend und umfassende diachrone Perspektive im heuristisch besten Sinne, eingefahrene Lesarten zu hinterfragen und neue Blickwinkel zu schärfen, geschlechtswissenschaftliche Aspekte stärker als bislang zu konturieren und Brüche und Kontinuitäten zum Heute zumindest erahnen zu lassen, indem anhand verschiedener soziologischer, historischer, theologischer, kultur- und literaturwissenschaftlicher Fallstudien lesenswerte Tiefenbohrungen vorgenommen werden. Es wäre zu wünschen, dass sich künftig verstärkt Veranstaltungen und Veröffentlichungen dieser Art der geschlechterrelevanten Seite ‚des Sozialen‘ näherten und somit das komplexe Beziehungsgeflecht aus sozialer Ungleichheit und Geschlecht vertieften.
Dr. Christoph Lorke
Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Homepage: http://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/NZ-G/L2/Mitarbeiter/Wiss/ChristophLorke.html
E-Mail: christoph.lorke@uni-muenster.de
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