Gesellschaftliche Dominanzverhältnisse und Prozesse des Othering als Herausforderung für die Pädagogik

Rezension von Torsten Mergen

Christine Riegel:

Bildung – Intersektionalität – Othering.

Pädagogisches Handeln in widersprüchlichen Verhältnissen.

Bielefeld: transcript Verlag 2016.

364 Seiten, ISBN 978-3-8376-3458-7, € 34,99

Abstract: In ihrer erziehungswissenschaftlichen Habilitationsschrift untersucht Christine Riegel das emanzipatorische Potential und die sozialen Ungleichheitsverhältnisse, die durch Bildung und Bildungsorganisationen erzeugt bzw. konsolidiert werden. Damit greift sie ein bildungspolitisch relevantes Thema auf, das auf fundiertem, theoretisch versiertem Niveau bearbeitet wird. Sie systematisiert die intersektionale Analyseperspektive, um kritische, veränderungsorientierte Aussagen über akute macht- und herrschaftsbasierte Bildungspraktiken in Schule und Jugendarbeit zu treffen. Die qualitativ-empirische Studie zielt darauf ab, Differenz- und Dominanzverhältnisse in der sozialen Praxis offenzulegen und bewusst zu machen, inwieweit permanente Reflexion essentieller Bestandteil pädagogischen Handelns ist.

DOI: https://doi.org/10.14766/1230

Bereits der Einleitungssatz in der Studie von Christine Riegel, welche als Teil einer kumulativen Habilitation 2013 im Fach Erziehungswissenschaften an der Eberhard Karls Universität Tübingen entstanden ist, verdeutlicht die Brisanz der Forschungsarbeit: „Angesichts gesellschaftlicher Verhältnisse, die durch soziale Ungleichheit, hegemoniale Macht- und Herrschaftsverhältnisse, kapitalistische Interessenkonflikte, asymmetrische Geschlechterverhältnisse sowie internationale Grenz- und Migrationsregimes gekennzeichnet sind, stellt sich pädagogisches und soziales Handeln als herausfordernd dar.“ (S. 7) Deutlich wird daran zum einen der Forschungsschwerpunkt der Studie, in der Jugend-, Migrations- und Genderforschung, Intersektionalität und Diversität, Bildung und Sozialpädagogik in Verhältnissen sozialer Ungleichheit fokussiert und vorrangig durch qualitative Forschungsmethoden analysiert werden. Zum anderen setzt die Forschungsarbeit die traditionsreiche Diskussion um Bildung und Differenz fort, in welcher bislang eher einzelne Diskriminierungsverhältnisse, unter anderem evoziert durch Rassismus oder Sexismus, im Blick standen; diese klassischen Ansätze werden durch eine intersektionale Perspektive erweitert, welche im Kontext des sogenannten Black Feminism und der Critical Race Theory konzipiert wurde: Aktuelle Forschungsansätze wissen um die Interdependenzen bzw. Verwobenheiten von sozialen Kategorien wie Ethnizität, Nation, Klasse und Gender, welche durch Wechselwirkungen und darauf basierenden Konstruktionen von Andersheit bzw. Normalität, so Riegel, „zu einer Reproduktion hegemonialer Ordnungen und bestehender Ungleichheitsverhältnisse“ (S. 8) führten. Zentraler Leitbegriff ist in diesem Zusammenhang der Terminus ‚Othering‘.

Christine Riegel, seit 2011 Inhaberin einer Professur für Sozialpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, macht einleitend auch das spezifische Forschungsinteresse transparent: „Mit Bezug auf postkoloniale, machttheoretische und dekonstruktivistische Theorien wird danach gefragt, wie im Bildungskontext ‚Konstruktionen von Anderen‘ zum Tragen kommen, in pädagogischen Praktiken und Diskursen Andere hervorgebracht werden und inwieweit durch Prozesse des Othering hegemoniale Dominanzverhältnisse im pädagogischen Kontext mit hergestellt und gefestigt werden.“ (S. 8 f.) Material- und Datengrundlage ihrer Studie sind „pädagogische Diskurse und Praxen und damit verbundene Dynamiken von Othering“ (S. 12), welche sie in der Arbeit von sogenannten Professionellen im Bildungsbereich empirisch beobachtet, dokumentiert und systematisch interpretiert hat: Sozialpädagogische Jugendarbeit, Schule, Projektunterricht sowie rassismuskritische Bildungsarbeit sind die von ihr in mehreren Studien in den Blick genommenen pädagogischen Felder. Als wissenschaftliche Qualifikationsschrift ist die Studie systematisch aufgebaut: In acht Kapiteln (darunter zwei Theoriekapitel, ferner drei thematisch und zwei methodisch ausgerichtete) samt umfangreichem Literaturverzeichnis werden die Themen Bildung, Intersektionalität und Othering eingehend betrachtet.

Theoretische Rahmung der Studie

Die Kapitel eins und zwei sind den theoretischen Zugängen und den Analyserahmen für die Untersuchung von Othering-Prozessen gewidmet. Im ersten Kapitel präsentiert und diskutiert die Autorin aktuelle sozialwissenschaftliche Ansätze zu den Themen soziale Differenz und Ungleichheit mit dem Fokus auf der „Frage der sozialen Konstruktion von Anderen“ (S. 18) als Teil von Macht- und Ungleichheitsverhältnissen. Riegel führt dazu fünf sozial- und kulturwissenschaftliche Ansätze näher aus (Strukturtheorie; Sozialkonstruktivismus und Interaktionismus; Poststrukturalismus, Diskurstheorie und Dekonstruktivismus; Cultural Studies, Postkolonialismus und Rassismuskritik; Intersektionalität), um zu klären, ob und inwieweit die jeweiligen Theorien für die Analyse von Othering-Prozessen in Bildungsbereichen zielführend sind. Im Ergebnis stellt sie heraus, die intersektionale Analyse könne – trotz manch kritischer Einwände – auf die wesentlichen „strukturtheoretischen bzw. poststrukturalistisch-dekonstruktivistischen Theorieperspektiven zu Differenz und Ungleichheit rekurrieren“ (S. 44).

Die Autorin entwickelt im zweiten Kapitel einen theoretischen Analyserahmen, um die Prozesse der Konstruktion von Anderssein zu erfassen. Unter Rückgriff auf Arbeiten der Postcolonial Studies und der Migrationspädagogik zeigt sie die empirische Realität und Validität des Begriffs und betont: „Dabei ist die Definition des Anderen notwendig zur Definition des Eigenen, Prioren und Normalen. […] Das Andere dient dabei als Negativfolie und verkörpert symbolisch das von der (so konstruierten) Normalität Abweichende und mit Mängeln und Unzulänglichkeiten Behaftete.“ (S. 52) Des Weiteren kann Riegel unter Bezug auf feministische und marxistische Theorien sowie auf Ansätze der Queer Theory und der Disability Studies den Othering-Begriff näher bestimmen, der als relationaler Prozess und Diskurs „in gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingeschrieben ist“ (S. 58), wodurch das Gegensatzpaar ‚normal versus abweichend‘ gesellschaftliche Deutungsmacht gewinnt.

Daraus leitet sie ein intersektionales Analysemodell ab: Es ermöglicht die Beschreibung und Untersuchung des Zusammenwirkens gesellschaftlicher Strukturen wie (Hetero-)Sexismen, Rassismen oder Ableismen, ferner der sozialen Diskurse und der Praktiken der Generierung bzw. Etablierung sozialer Bedeutungen sowie der Rolle des subjektiven Handelns im individuellen wie kollektiven Möglichkeitsraum mit Perspektive auf das Othering. In nuce nutzt sie dazu in plausibler Weise ein handlungstheoretisches Modell einer Mehrebenenanalyse, welches in Verbindung gesetzt wird zu psychologischen Möglichkeitsraum-Konzepten. Als wesentlich betont Christine Riegel für ihren Analyseansatz, dass es darin neben der Perspektive auf Othering-Prozesse auch um eine Veränderung der Verhältnisse in Bildungssystemen gehe.

Widersprüchliche Verhältnisse in Schule und Jugendarbeit und Konzepte ihrer wissenschaftlichen Erforschung

Unter dem Titel „Bildung in widersprüchlichen Verhältnissen“ geht es im dritten Kapitel um die institutionellen Kontexte von Schule und Jugendarbeit bzw. die in diesen Kontexten verankerten strukturellen Dimensionen des Othering. Die Erziehungswissenschaftlerin arbeitet heraus, „dass schulisches Wissen bereits herrschaftsförmig strukturiert ist“ (S. 82), da es auf das Aneignen und Beherrschen eines kanonisierten Wissens hin orientiert sei und entsprechend nach Leistung und Bildungsabschlüssen die Schülerschaft differenziere und separiere bzw. kategorisiere. Umso zentraler sei die Erkenntnis, „dass der Umgang mit Heterogenität eine wichtige Qualifikation in globalisierten und internationalisierten Lebensverhältnissen darstellt und somit auch als relevanter Bildungsinhalt anzusehen ist.“ (S. 84) Damit nicht genug: Riegel konstatiert auch für die Jugendarbeit im Kontext der Sozialpädagogik, dass sie durch Unterscheidungen wie Hilfsbedürftigkeit versus Nicht-Hilfsbedürftigkeit „zu Herstellung, Reproduktion und Festschreibung von Grenzziehungen und asymmetrischen Ungleichheitsverhältnissen“ (S. 94) beitrage und generell auf Kategorisierungen von Menschen durch Stereotype und „Begriffskonstruktionen wie ‚bildungsfern‘ oder ‚bildungsbenachteiligt‘“ (S. 98) zurückgreife.

Nach dieser Analyse der sozioinstitutionellen Voraussetzungen schärft die Autorin die erkenntnisleitende These: Pädagogisches Handeln im Allgemeinen und pädagogische Praktiken im Besonderen ereigneten sich in widersprüchlichen Verhältnissen, seien Paradoxien ausgesetzt, die sich besonders im Umgang mit Differenz und Ungleichheit zeigten, da Schule und Jugendarbeit „zwischen Reproduktion und Veränderung“ (S. 113) gefangen seien und zur Fortschreibung des Status quo ante neigten. Mit dem Blick darauf, wie sich dies ändern ließe, vergleicht sie mehrere Bildungstheorien, die „Bildung als Transformation des Selbst- und Weltverhältnisses verstehen“ (S. 116), miteinander (u. a. Ansätze von Winfried Marotzki, Arnd-Michael Nohl, aber auch subjektwissenschaftliche Lerntheorien der Kritischen Psychologie und der sowjetischen Tätigkeitstheorie). Ihr Resümee: Um den Umgang mit Differenz und Ungleichheit angesichts von Othering zu ändern, gelte es die Möglichkeitsräume der pädagogisch Tätigen zu betrachten, um „‚Verhältnisse-verändernden‘ Praxen“ (S. 133) größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Das vierte Kapitel ist daher der Frage gewidmet, wie dies methodisch durch die Intersektionalitätsforschung geschehen kann: Einerseits arbeitet Riegel präzise und fundiert die konkreten Instrumente und Möglichkeiten der intersektionalen Analyse heraus, anderseits diskutiert sie die methodischen Konsequenzen, die sich für kontextbezogene Analysen „von Praxen und Diskursen des Othering auf der einen Seite und von Transformations- und Bildungsprozessen von Professionellen auf der anderen Seite“ (S. 136) ergeben. Großes Gewicht habe dabei die Fokussierung von gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen und deren jeweiligen Effekten.

Dies wird im fünften Kapitel vertieft und sachlogisch eingebettet: Unter der Überschrift „Forschungskontexte und methodische Rahmung“ erläutert die Autorin die empirische Methodik ihrer Studie (mit teilnehmender Beobachtung, ethnographischer Forschung, leitfadengestützten episodischen Interviews und Reflexionsgesprächen), ferner beschreibt sie die zugrunde liegende Datenbasis: zwei Bildungsprojekte in Deutschland und der Schweiz zu den Themen „Alltagsrassismus und Diversität“ (2010 als Weiterbildungsprojekt durchgeführt mit fünf Schulklassen der Sekundarstufe) bzw. „Prävention von Rechtsextremismus und ethnisierter Gewalt an Schulen“ (Laufzeit 2004 bis 2006, mit zweiunddreißig Schulklassen der Sekundarstufe und drei Berufsschulklassen).

Fallstudien zu Othering-Prozessen

Die Kapitel sechs und sieben beinhalten Elemente und Ergebnisse von empirischen Fallstudien Riegels zu Prozessen von Othering in Bildungskontexten sowie zur Rolle der Lehrkräfte bei Bildungsprozessen: „Es wird zum einen danach gefragt, wie Professionelle der Bildungsarbeit an Othering beteiligt sind, zum anderen nach möglichen Bildungs- und Reflexionsprozessen von Pädagog_innen in der Auseinandersetzung mit Verhältnissen von Differenz und Ungleichheit.“ (S. 159) In fünf Schritten analysiert die Autorin Prozesse und Mechanismen des Othering im Zusammenspiel von Differenzkonstruktionen mit Machtkonstellationen, damit einhergehende Funktionen und Folgen, die Chancen von jugendlichem Widerstand gegen entsprechende Praktiken und Zuschreibungen sowie die Relevanz von Othering in Bildungsveranstaltungen, die eigentlich dafür sensibilisieren und dagegen intervenieren sollen. Methodisch u. a. gestützt auf teilnehmende Beobachtung, Fragebogen- und Interviewelemente arbeitet Riegel heraus, dass „Pädagog_innen, wenn sie über ihre Arbeit und v.a. die Arbeit mit ihren Adressat_innen (Schüler_innen oder Jugendliche, die Angebote der Jugendarbeit nutzen) sprechen, homogenisierende und bipolare Bilder produzieren und dabei Unterscheidungen zwischen verschiedenen Gruppen vornehmen – also Differenz erzeugen“ (S. 176). Um dieses Phänomen systematisch zu beschreiben, wertet die Autorin zahlreiche Interviews mit pädagogisch Tätigen aus, zitiert exemplarisch Aussagen über Schüler_innen und schlussfolgert auf entsprechende Differenzkonstruktionen in verschiedenen Diskurszusammenhängen und Interaktionssequenzen.

Unter Bezug auf Forschungsansätze und Kategorien von Paul Mecheril konstatiert sie „natio-ethnokulturelle Zugehörigkeitsordnungen im migrationsgesellschaftlichen Kontext“ (S. 177), was durch Zitate aus zahlreichen Interviews der Autorin mit Lehrer_innen und Sozialarbeiter_innen aus Deutschland und der Schweiz gestützt wird. Deutlich wird dabei der „schmale Grat zwischen Anerkennung und Othering bei der Thematisierung und Hervorhebung von Differenz“ (S. 194): Hervorheben und In-den-Hintergrund-Rücken sozialer Differenzverhältnisse, Verschleierungstechniken durch fachliche Labels, Zuschreibungsformen für Andere, monologisierendes Sprechen über „‚die Anderen‘ aus machtvoller Position“ (S. 199) und das Drängen in eine Opferrolle zeigen sich in den von Riegel ausgewerteten Materialien. Hinsichtlich der Reflexionen der Lehrkräfte auf die Lernprozesse eröffnen sich sowohl verschiedene Stufen und Formen der Sensibilisierung für Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung als auch Gedanken über die pädagogische Praxis: „Die beteiligten Pädagog_innen berichten […], dass sie sich zunehmend bewusst darüber wurden, wie sehr sie selbst in ausgrenzende Praxen und Strukturen involviert sind.“ (S. 251)

Mit dieser Perspektive reflektiert Riegel im siebten Kapitel die höchst relevante Frage, wie Veränderungen – sowohl im Alltagshandeln als auch im Denken – möglich sein können. Die Datenquellen der Bildungswissenschaftlerin basieren wiederum auf teilnehmender Beobachtung, Reflexionsgesprächen und leitfadengestützten Interviews, „also auf verschiedenen qualitativen Datensorten, was unterschiedliche Perspektiven auf mögliche Transformationsprozesse eröffnet“ (S. 244). Differenziert betrachtet werden fallbezogene Transformationsprozesse von Pädagog_innen sowie deren Umgang mit Widersprüchen und Widerständen. Zugleich reflektiert Riegel intensiv die Grenzen des gewählten Forschungsprozesses und hebt diesbezüglich hervor: „So war es aus einer machtvollen und privilegierten Position heraus in den Reflexionsgesprächen höchst ambivalent, Pädagog_innen, die potenziell selbst von Othering betroffen sind, auf ausgrenzende Elemente ihres Handelns hinzuweisen. Damit wird auch deutlich, dass im Kontext hegemonialer Machtverhältnisse […] nicht nur Bildungsverhältnisse, sondern auch Forschungsverhältnisse […] widersprüchlich in Prozesse der Unterwerfung und des Othering verstrickt sind.“ (S. 306)

Im abschließenden achten Kapitel resümiert die Autorin die Zusammenhänge von Bildung und Othering und die paradoxen Bezugnahmen aufeinander. Zugleich zeigt sie einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma von Ungleichheit und Machtgefällen auf durch das Hinterfragen und Verändern von Machteffekten mit der Option des „Verlernens als Intervention“ (S. 313), welches ihrer Erkenntnis nach vorrangig durch eine kritisch-reflexive Perspektive gelingen könnte.

Fazit

Das Erkenntnisinteresse von Christine Riegel ist ambitioniert und methodologisch komplex, da sie in ihrer Studie intendiert, in Bezug auf institutionalisierte Bildungskontexte und -prozesse die Omnipräsenz und Alltäglichkeit von Diskriminierung zu erforschen. Wie sie mehrfach ausführt, geht es ihr vorrangig darum, „die Rekonstruktion von Otheringprozessen sowie von Möglichkeiten der Veränderung theoretisch zu fundieren und zugänglich zu machen und dabei gleichzeitig die Mechanismen und Folgen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen aufzudecken.“ (S. 75) Im Kontext von Schule und Jugendarbeit wird Bildung in der vorliegenden Studie dabei differenziert verstanden als „vermittelnde Tätigkeit, als Transformationsprozess des Selbst-Welt-Verhältnisses bzw. Selbstbildung oder im Sinne der Rahmung von Bildung durch Institutionen und Bildungssysteme“ (S. 161). Zwei Erkenntnisse ihrer verdienstvollen Forschungsarbeit verdienen besondere Hervorhebung. Erstens konstatiert die Autorin über die Formen der Machtausübung: „Im Prozess des Othering im Bildungskontext wird den dabei […] adressierten Jugendlichen die Zugehörigkeit zur Dominanzgesellschaft diskursiv vorenthalten oder infrage gestellt.“ (S. 213) Unter Bezug auf Judith Butlers Diktum von der Subjektivierung und Unterwerfung unter hegemoniale Machtverhältnisse weist Riegel zweitens die Mechanismen nach, die zugleich Ansatzpunkt für Veränderungsprozesse sein können: „Gleichzeitig werden sie [die Jugendlichen] den vorherrschenden Differenzordnungen und Normierungen unterworfen und entweder als ‚nicht-zugehörige Andere‘ oder als ‚vereinnahmte Andere‘ in das vorherrschende asymmetrisch organisiert Machtgefüge eingeordnet.“ (S. 213)

Es lohnt, sich durch die komplexe, wissenschaftlich fundierte und fachterminologisch elaborierte Studie der Autorin durchzuarbeiten. Dies gilt vorrangig für an diesem Forschungsfeld interessierte Wissenschaftler_innen, aber auch für Verantwortliche in Bildungsplanung, Bildungspolitik und Bildungsmanagement sowie in der Sozialen Arbeit. Der sprachliche Duktus ist anspruchsvoll und setzt Fachwissen und entsprechende Vorkenntnisse in den Bereichen soziologische respektive bildungswissenschaftliche Methodologie bzw. Theorie voraus. Weil Riegel ihre Fragestellungen mit dem Fokus auf die Praxis heraus entwickelt, kann sie – durchaus auch in sprachlich verständlicher Form – zeigen, wie grundlegend die Intersektionalität als Reflexions- und Analyseperspektive ist, um tradierte Sichtweisen auf pädagogisches Denken und Handeln zu verändern. Ihr abschließendes Plädoyer für die Wahrnehmung von Bildungsarbeit „als reflexive Differenz- und Grenzbearbeiterin“ (S. 315) bietet hinreichend Anstoß für kontroverse Diskussionen.

Torsten Mergen

Universität des Saarlandes

Dozent für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur

E-Mail: Torsten.Mergen@gmx.de

(Die Angaben zur Person beziehen sich auf den Stand zum Veröffentlichungsdatum.)

Creative Commons License
Dieser Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. Hinweise zur Nutzung dieses Textes finden Sie unter https://www.querelles-net.de/index.php/qn/pages/view/creativecommons