Gesa Stedman (Hg.):
Englische Frauen der Frühen Neuzeit.
Dichterinnen – Malerinnen – Mäzeninnen.
Darmstadt: Primus Verlag, 2001.
240 Seiten, ISBN 3–89678–416–1, € 29,90
Abstract: Mit dem Band Englische Frauen der Frühen Neuzeit ist der vierte Band der Reihe „Dichterinnen, Malerinnen und Mäzeninnen“ erschienen. Insgesamt liegen damit über 60 biografische Porträts über Werk und Wirken von Europäerinnen dieser Epoche vor, die einen repräsentativen und zugleich faszinierenden Einblick in die Vielfältigkeit weiblicher Kunstproduktion und Kunstförderung geben.
Nach den Bänden über Französinnen, Italienerinnen und deutsche Frauen in der Frühen Neuzeit wurde die Reihe „Dichterinnen, Malerinnen und Mäzeninnen“ nun um einen vierten Band über englische Frauen zur Zeit Shakespeares erweitert. Insgesamt liegen damit über 60 biografische Porträts in einer repräsentativen Auswahl vor, die ein facettenreiches Bild von Werk und Wirken weiblicher Künstler und Mäzene in der Frühen Neuzeit liefern.
1929 stellte Virginia Woolf noch die Frage, ob es im elisabethanischen Zeitalter gar keine Schriftstellerinnen gegeben habe, und ließ daraufhin eine fiktive Schwester Shakespeares aufleben. Die neue Frauenbewegung in den 1970er Jahren hat einige dieser Frauengestalten wieder entdeckt, und dank der Historischen Frauenforschung ist heute bekannt, dass es durchaus Künstlerinnen im Europa dieser Epoche gegeben hat. Die Literatinnen sind hierunter zweifellos bislang am besten erforscht. So verwundert es nicht, dass sie auch im vorliegenden Band zahlenmäßig am stärksten vertreten sind. Vorgestellt werden Aemilia Lanyers, die als erste Frau in England eine Drucklegung ihrer eigenen Schriften wagte, Lady Mary Wroth, die den ersten Sonettzyklus, die erste Prosaromanze und die erste Komödie weiblicher Autorschaft in England verfasste, Aphra Behn, die erste Berufsschriftstellerin, von der über 17 Theaterstücke zur Aufführung kamen, und auch die Dramatikerin und Bestsellerautorin Delarivier Manley. Die Philosophin Margaret Cavendish, enfant terrible der Londoner Royal Society, ist genauso vertreten wie Mary Astell, die die Idee einer Akademie für Frauen propagierte, um so die Bildungsmöglichkeiten für Frauen zu verbessern. Die meisten dieser Autorinnen schrieben in verschiedenen Genres und betätigten sich auch als Übersetzerinnen.
So ist es der Übersetzungsleistung von Frauen zu verdanken, dass Werke wie z. B. Erasmus‘ Precatio Dominica (übersetzt von Margaret More Roper) oder Corneilles Mort de Pompée (übersetzt von Katherine Philips) erstmals dem englischsprachigen Publikum zugänglich gemacht wurden. Beliebt bei Autorinnen in dieser Zeit waren zweifelsohne religiöse Themen, da diese als weibliches Betätigungsfeld noch am ehesten toleriert wurden.
Denn so vielfältig der Gattungsreichtum und so umfangreich die künstlerischen Zeugnisse auch sind, so wenig war das Schreiben für Frauen in dieser Zeit eine Selbstverständlichkeit. „Ich schreibe für Brot und es geniert mich nicht, dies zuzugeben,“ lautete Behns Bekenntnis, und wie revolutionär diese Äußerung im England des 17. Jahrhundert ist, zeigt der Umstand, dass nur wenige Schriftstellerinnen dem Beispiel Lanyers folgten und ihre Schriften drucken ließen. Von Frauen geschriebene Werke kursierten in der Regel handschriftlich im Freundeskreis oder wurden anonym bzw. unter Pseudonym veröffentlicht. Einige Autorinnen gelangten durch Raubdrucke zu Ruhm oder wurden erst durch die posthume Veröffentlichung ihrer Schriften bekannt. Eine schreibende Frau musste sich legitimieren und sah sich oftmals Verleumdungen und Repressalien ausgesetzt, denn das Veröffentlichen von Schriften entsprach nicht den Tugenden weiblicher Bescheidenheit und Sittsamkeit. So befanden sich die wenigen Frauen, die aufgrund ihrer Ausbildung überhaupt in der Lage waren zu schreiben, im ständigen Widerspruch zwischen weiblicher humilitas einerseits und selbstbewusster Inszenierung als Künstlerin – die z. B. eine Förderung durch Mäzene erst möglich werden ließ – andererseits. Melancholische Selbstzeugnisse wie die Lyrik von Anne Finch geben Auskunft darüber. Ihr Gedicht „The Spleen“ kann zudem als Vorläufer einer Dichtungstradition gesehen werden, die die Melancholie zur Grundbedingung des Dichtergenies erhebt. Die erschwerten Bedingungen für Frauen verhinderten meist eine breitere Rezeption und damit auch eine angemessene Kanonisierung. Selbst Autorinnen, die zu Lebzeiten zu Bestsellerautorinnen avancierten, fanden häufig keinen Eingang in die memoria; sie wurden von Lexikographen und Literaturwissenschaftlern selten berücksichtigt und gerieten auf diese Weise in Vergessenheit.
Die weiblichen Mäzene waren oft auch selbst schriftstellerisch tätig, wie Mary Sidney Herbert und Lady Mary Wortley Montagu, die der Band stellvertretend für die Gruppe der Mäzeninnen vorstellt. Diese vorbildlichen „witty women“ inspirierten nicht nur viele künstlerischen Werke, sondern schufen durch Künstler-Patronage und literarische Salons Möglichkeiten der Kulturvermittlung und -förderung. Elisabeth I. initierte auf diese Weise eine Massenproduktion ihrer Embleme, derzufolge ein nahezu „biblischer“ Elisabeth-Kult entstand. Dadurch übte sie eine Präsenz wie kein Herrscher vor ihr aus und setzte ihre Gunstbezeugungen gezielt auch als Mittel politischen Machterhalts ein.
Die bildenden Künstlerinnen sind in der Forschung bislang am wenigsten dokumentiert, und so kann auch dieser Band lediglich zwei Malerinnen vorstellen: Mary Beale, die – ohne dass sie als Frau je eine fundierte Ausbildung erhalten hätte – zur produktivsten Porträtmalerin des 17. Jahrhunderts aufsteigen konnte, die 30 Werke pro Jahr schuf, und Anne Killigrew, die in dem für Frauen unüblichen Genre der Historienmalerei reüssierte. Das hierfür erforderliche Aktstudium an Modellen war Frauen verboten, weshalb sich nur wenige Malerinnen in Europa in diesen großen Formaten hervortaten. In England sind sie nur von Killigrew überliefert und dies auch nur, weil die Künstlerin zugleich Gedichte über ihre biblischen und mythologischen Sujets verfasste. Diese „Rezeptionsanweisungen“ ihrer Werke sind heute noch erhalten, die meisten ihrer Bilder hingegen nicht mehr.
Ein ähnliches Problem stellt sich für die Bebilderung des vorliegenden Bandes: so gibt sind z. B. keine Portraits der Künsterlerinnen überliefert. Es bleibt zu hoffen, dass diese Buchreihe dazu beiträgt, auch die Historische Frauenforschung in der Kunstgeschichte stärker voranzutreiben, damit diesem Desiderat begegnet werden kann.
Die 14 kurzen Essays geben nicht nur Einblick in das Leben der vorgestellten Frauen, sondern würdigen in erster Linie deren Werk und Wirken und liefern auf diese Weise ein vielfältiges Bild weiblichen Kulturschaffens und weiblicher Kulturvermittlung im Europa dieser Zeit. Insgesamt stellt der Band – wie die gesamte Reihe – einen gelungenen und wichtigen Beitrag interdisziplinärer Forschung dar. Denn über viele dieser Frauen sind bislang noch keine umfassenderen wissenschaftlichen Untersuchungen erschienen, und auch ihre Werke sind zum Teil gar nicht oder nicht historisch-kritisch editiert. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Kulturvermittlung durch Frauen in Europa, der in der derzeitigen Forschung noch kaum beleuchtet wird. Die Reihe ist somit als ein erster Schritt für eine Geschichte der Europäerinnen zu betrachten, dem hoffentlich viele weitere folgen werden. Wünschenswert wäre die Ausweitung der Forschungen sowohl auf andere Länder wie auch auf weitere Kulturbereiche (z. B. Musikerinnen, Politikerinnen ) und auf andere Epochen.
URN urn:nbn:de:0114-qn033127
Die Nutzungs- und Urheberrechte an diesem Text liegen bei der Autorin bzw. dem Autor bzw. den Autor/-innen. Dieser Text steht nicht unter einer Creative-Commons-Lizenz und kann ohne Einwilligung der Rechteinhaber/-innen nicht weitergegeben oder verändert werden.