Panoramablick auf die Medienanalyse der Cultural Studies

Rezension von Elke Huwiler

Andreas Hepp:

Cultural Studies und Medienanalyse.

Eine Einführung.

Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999.

306 Seiten, ISBN 3–531–22184–1, € 21,90

Abstract: Im vorliegenden Einführungsband wird die Entwicklung der Medienanalyse als einem der zentralen Bereiche innerhalb der Cultural Studies nachgezeichnet, indem die wichtigsten theoretischen Studien zu diesem Gebiet beschrieben und kritisch überprüft werden. Der Autor will damit einerseits die Schlüsseltexte der medienanalytischen Cultural Studies sowie deren forschungsgeschichtliche Entwicklung vorstellen und andererseits die wichtigsten gegenwärtigen Forschungsschwerpunkte aufzeigen.

Einführung in den theoretischen Diskurs

Wer von dieser Einführung in die Medienanalyse der Cultural Studies eine Beschreibung anwendbarer Methoden erwartet, wird enttäuscht. Dies liegt einerseits an der Zielsetzung des Autors, der mit dem Buch vor allem in den „medienanalytischen Diskurs der Cultural Studies“ (S. 14) einführen will, andererseits aber auch an der Unmöglichkeit, die Medienanalyse der Cultural Studies auf eine spezifische Methode zu reduzieren und adäquat zu erfassen. Cultural Studies ist viel eher ein „inter- oder transdisziplinäres Projekt“ (S. 15) als eine Schule, die sich auf methodische oder theoretische Paradigmen festlegen ließe. So sind denn auch die spezifisch medienanalytischen Studien innerhalb dieses Projekts nicht systematisch einheitlich zu erfassen und werden, wie Hepp selber in der Einführung zum vorliegenden Band zu verstehen gibt, nur exemplarisch vorgeführt, sofern sie als richtungsweisend für die gegenwärtige Forschung auf diesem Gebiet erscheinen.

Die Beschäftigung mit Medien erhält einen zentralen Stellenwert innerhalb der Cultural Studies, da Medien untrennbar mit Populärkultur – zumindest in Deutschland eines der meistgebrauchten Schlagworte im Zusammenhang mit dem ganzen Forschungsgebiet – verbunden sind. Im vorliegenden Band werden „der theoretische Hintergrund dieses Ansatzes und die im Rahmen des ‚Projekts‘ Cultural Studies geleisteten empirischen Medienstudien vorgestellt“ (S. 13). Der Fokus liegt dabei auf den wichtigsten theoretischen Texten seit dem Aufkommen des Forschungsgebietes.

Im ersten Teil des in sechs Teile gegliederten Buches beschreibt der Autor die Grundbegriffe der Cultural Studies und versucht so, das überaus disparate Forschungsfeld an diesen grundlegenden Bezugspunkten wenigstens ansatzweise festzumachen. Ein solcher Grundbegriff ist beispielsweise die semiotische Basis, mit dessen eingehender Beschreibung Hepp die Bedeutung (post-)moderner Sprachkonzepte für die Cultural Studies hervorhebt. Als weitere Grundbegriffe gelten „Kultureller Materialismus“, „Artikulationen“, „Kulturelles Geschlecht“ und „Die Leute: Alltagsleben und Vergnügen“(vgl. S. 24–77). Hepp will diese Grundbegriffe als Konzepte verstanden wissen, die die Auseinandersetzung des Forschungsfeldes Cultural Studies mit der gegenwärtigen Medienkultur nachhaltig beeinflusst haben.

Den zweiten Teil bildet ein historischer Abriss, in dem der Autor auf die Schlüsseltexte der Entstehung der Cultural Studies rekurriert. Es werden dabei die „Gründerväter“ R. Hoggart, R. Williams und E.P. Thompson und ihre zentralen Texte sowie die wichtigsten universitären Institutionalisierungen auf diesem Gebiet vorgestellt.

Den dritten und vierten Teil der Einführung bilden je ein Kapitel zu den Begrifflichkeiten „Text- und Diskursanalyse“ und „Aneignungsforschung“, worin die für diese Themenkomplexe relevanten Ansätze diskutiert und auf ihre Nachhaltigkeit im Diskurs der medienanalytischen Cultural Studies hin untersucht werden.

Im letzten Teil schließlich versucht der Autor. in einem Ausblick aufzuzeigen, inwiefern in den Cultural Studies eine Tendenz hin zu einer Methodologie vorhanden ist und wohin diese führen könnte. Deutlich ist, „dass es die Methodik der Cultural Studies im Singular nicht gibt“ (S. 254), und Hepp beschränkt sich denn auch darauf, zwei heute vor allem favorisierte Methoden – Kritische Ethnographie und Kritische Diskursanalyse – näher vorzustellen.

Auseinandersetzung mit der Gender-Problematik

Die Auseinandersetzung mit Gender-Fragen findet sich in diesem Band schwerpunktmäßig an zwei Stellen: Zunächst im Kapitel „Kulturelles Geschlecht: Medien und Gender“, in dem es ausdrücklich nicht darum gehen soll, „im engeren Sinne feministische Konzepte einer kulturwissenschaftlichen Medienforschung vorzustellen, sondern allgemein Grundbegriffe einer Beschäftigung mit dem Themenfeld Medien und Gender darzulegen.“ (S. 58) Hepp konstatiert hier, dass „die Relevanz von Gender in Bezug auf Medien erst in spezifischen Kontexten fassbar [wird], wobei innerhalb dieser Kontexte Gender nur ein Faktor neben anderen ist“ (S. 66), und rekurriert dabei auf eine allen Studien der Cultural Studies gemeinsame Grundposition, die mit dem Schlagwort der „radikalen Kontextualität“ (S. 16) erfasst wird. Die zweite relativ ausführliche Auseinandersetzung mit Gender-Fragen findet sich im Kapitel zur Aneignungsforschung, in dem in Bezug auf die „ethnografische Wende“ (S. 204) ein paar theoretische Texte zur Fernsehaneignung vorgestellt werden, in denen die Gender-Differenz eine zentrale Rolle spielt. Dabei werden vor allem die Aneignungstechniken innerhalb des familiären Rahmens untersucht und der „Haushalt als ‚die angemessene Untersuchungseinheit‘ von Medienaneignungsprozessen“ (S. 213) begriffen. Führt man sich Hepps Definition dessen, was in den Cultural Studies unter Kultur verstanden wird, vor Augen, nämlich „ein konfliktärer Prozess: ein von Macht geprägter, fragmentierter Zusammenhang“ (S. 20), so erscheint es zumindest verwunderlich, dass die von Hegemonie geprägte Gender-Problematik in diesem Einführungsband auf ein paar wenige Schwerpunkte reduziert wird; hier wäre ein vertiefter Rekurs auf zentrale Gender-Fragen auch an anderen Stellen wünschenswert gewesen.

Bestandsaufnahme

Es ist ein Charakteristikum des Buches, relevante Theorieabhandlungen und Methodenansätze heranzuziehen, um ihre (meist nur partielle) Bedeutung für die heute vorherrschenden Untersuchungsbereiche der Medienanalyse der Cultural Studies herauszuarbeiten. Es handelt sich bei der ganzen Einführung somit vor allem um einen wissenschaftlichen Überblick über die historischen Diskussionen zu Analyseansätze und Themenbereiche der medienanalytischen Cultural Studies, nicht jedoch um eine wirklich nachvollziehbare Einführung in Methoden und Gegenstandsbereiche, die einem Anfänger dieses Forschungsgebietes den Einstieg erleichtern würde. Gelesen als Einführung in den „Diskurs“ der Medienanalyse der Cultural Studies bietet das Buch jedoch eine höchst fundierte, kritische Bestandesaufnahme, die den Weg, den die medienanalytisch orientierten Cultural Studies seit ihrer Entstehung gegangen sind, differenziert nachzeichnet.

URN urn:nbn:de:0114-qn041114

Elke Huwiler

Amsterdam/ASCA (Amsterdam School for Cultural Analysis)

E-Mail: elke.huwiler@gmx.net

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