Der schöne Mann jenseits von Macht?

Rezension von Britt Schlehahn

Wilhelm Trapp:

Der schöne Mann.

Zur Ästhetik eines unmöglichen Körpers.

Berlin: Erich Schmidt 2003.

196 Seiten, ISBN 3–503–06167–3, € 29,80

Abstract: Wilhelm Trapp untersucht die Darstellung und Rezeption des schönen Mannes in literarischen, kunsttheoretischen und visuellen Beiträgen von der Frühen Neuzeit bis zu den gegenwärtigen Veränderungen von Männerdarstellungen auf dem Gebiet der Werbung. Den schönen Mann jenseits der Repräsentation von Macht versteht er dabei als blinden Fleck, der als Opfer oder schöner Verbrecher inszeniert wird.

Der monströse schöne Mann

Die Unmöglichkeit, ein schöner Mann zu sein, verwundert in Zeiten der Diskussionen um männliche Metrosexualität. Die Entdeckung des Mannes seitens der Kosmetikindustrie und die Diskussionen über die Krisenfigur Mann innerhalb der Kritischen Männlichkeitsforschung lassen vermuten, dass sich das maskuline Stereotyp jenseits von Omnipotenzphantasien auflöst und andere Varianten von Männlichkeit in den Vordergrund treten. Wilhelm Trapp allerdings interpretiert die gegenwärtigen Entwicklungen, die er auf dem Gebiet der Werbung verfolgt, als kommerziellen Entwurf, der auf das weibliche und homosexuelle Publikum ausgerichtet ist, da der schöne Mann als tiefe Störung innerhalb der symbolisch-geschlechtlichen Ordnung wirkt (S. 30). Trapp zufolge stellt der schöne, männliche Körper einen blinden Fleck jenseits der Repräsentation von Macht dar (S. 34). Männliche Schönheit erscheint als monströs, da sie „für die männlich-heterosexuelle Begehrensökonomie ein perverses Begehrensobjekt schafft“ (S. 13). Auf der Suche nach den Gründen der Verleugnung des schönen Mannes untersucht er in seiner Studie, die als Dissertation im Rahmen des Münchner Graduiertenkollegs „Geschlechterdifferenz und Literatur“ entstanden ist, die nachhaltige Feminisierung der ästhetischen Kategorie des Schönen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Dabei folgt er keiner chronologischen Darstellung. Trapp konzentriert sich in zehn Kapiteln auf ausgewählte Beispiele der Thematisierung des männlichen Körpers in philosophischen Traktaten des Neoplatonismus sowie in den Werken von Shakespeare und Henry Fielding, den Veränderungen im 18. Jahrhundert im Zuge der Entstehung der Wissenschaftsdisziplin Ästhetik, über die Wiederentdeckung der antiken Schönheit bei Winckelmann, dessen Rezeption von Walter Pater bis zur Figur des Iokanaan in Oscar Wildes Drama Salome. Die Ausführungen zu den einzelnen Werken werden um deren Rezeptionsgeschichte ergänzt, um die Verstrickungen von Ästhetik, Medizin und gesellschaftlichen Anerkennungsstrategien aufzuzeigen. Daneben versucht Trapp, durch Exkurse auf das Gebiet der Kunsttheorie (Dürer und Hogarth) sowie auf das Gebiet der Malerei (Füssli) die visuellen Beiträge nach Darstellungsmöglichkeiten von männlicher Schönheit zu befragen.

Ästhetik und Geschlecht

Um „die geschlechterdefinierende Macht der ästhetischen Kategorien der Neuzeit zu beschreiben“ (S. 29), steht zu Beginn der Analyse die Frage „Was das Schöne sei?“ (S. 15–23). Unter Zuhilfenahme der an Lacan geschulten Subjekttheorie von Slavoj Žižek beschreibt Trapp Schönheit als Phantasma, welches dem subjektiven Begehren entspringt. Dieses werde von narzisstischen Ganzheits- und Vollkommenheitsvorstellungen genährt (S. 18 f.). Schön sei demnach dasjenige, was dem Begehren nächstmöglichst entspricht, d. h. die Definitionen und Kategorisierungen seien vom subjektiven Empfinden der Person, die die Sprecherposition einnimmt, grundlegend geprägt.

Die Entstehung der wissenschaftlichen Disziplin Ästhetik seit 1750 beeinflusst nach Trapp grundlegend die Verbreitung des Zwei-Geschlechter-Modells und die Konstituierung des modernen maskulinen Stereotyps. In deren Folge trete Schönheit als weibliche Eigenschaft zum erhabenen männlichen Geistwesen auf. Was geschieht jedoch, wenn männliche Körper als schöne Körper jenseits der Norm beschrieben werden?

Machtfreie Schönheit

Mit dem Modell einer Ästhetik der Transgression beabsichtigt Trapp, den blinden Fleck zu überwinden und männlicher Schönheit innerhalb der ästhetischen Kategorien Geltung zu verschaffen, um die Einteilung in das schöne und das erhabene Geschlecht zugunsten der Verringerung der Geschlechterdifferenz aufzulösen. Doch gerade darin zeigt sich die Schwachstelle der Studie. Die Vorgabe – männliche Schönheit jenseits von Machtrepräsentation zu beschreiben – suggeriert, dass ein machtfreier Raum in gesellschaftlichen Verhältnissen existiert. Eine Annahme, die so sicherlich nur vorgeführt werden kann, da auf Standardliteratur zur Repräsentation von modernen Männlichkeiten und zu den vielfältigen Differenzierungsmodellen innerhalb der Gruppe von Männern verzichtet wird. Weder Klaus Theweleit noch Robert Connell oder die Überlegungen von Edgar J. Forster über die Ausnutzung von angeblich machtfreien Räumen zur Überwindung des maskulinen Stereotyps fanden Eingang in die Analyse. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass nach der Lektüre von Trapps Studie Klaus Theweleit zuzustimmen ist, der Modellen der Synthese die Verleugnung von Machtverhältnissen unterstellte – und darüber hinaus die isolierte Betrachtung von Geschlecht als typischen Gedanken des bürgerlichen Mann-Individuums entlarvte.

URN urn:nbn:de:0114-qn051126

Britt Schlehahn

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