Menstruation: Kulturelle Deutungen und handfester Umgang

Rezension von Ellinor Forster

Sabine Hering, Gudrun Maierhof:

Die unpässliche Frau.

Sozialgeschichte der Menstruation und Hygiene.

Frankfurt a. M.: Mabuse 2002.

183 Seiten, ISBN 3–933050–99–5, € 19,90

Abstract: Die Darstellung der Deutung und des Umgangs mit Menstruation in der Geschichte ermöglicht einen Blick auf die Handlungsspielräume von Frauen. In der weit ausholenden historischen Aufarbeitung von vor allem medizintheoretischen Schriften werden Kontinuitäten und Brüche von Mythen rund um die Menstruation sichtbar. Es wird herausgearbeitet, wie eng verknüpft die Forschungsergebnisse zum weiblichen Zyklus mit den jeweiligen gesellschaftlichen Geisteshaltungen waren.

Das 1991 zum ersten Mal erschienene Buch wurde für die zweite Auflage inhaltlich etwas überarbeitet, die Anschaulichkeit durch weitere Bilder noch erhöht und um einen aktuellen Ausblick des Themas ergänzt. Es leistet durch die Darstellung des engen Zusammenhangs der Menstruationsgeschichte mit den jeweiligen Handlungsspielräumen von Frauen einen wichtigen Beitrag zur Frauen- und Geschlechtergeschichte.

Das Problem mit der Vorgeschichte

Dem Anliegen des Buches entsprechend, die Langlebigkeit von Mythen rund um die Menstruation aufzudecken, beginnt die Abhandlung mit schriftlichen Zeugnissen aus der Zeit von 3000 v. Chr., über das Alte Testament bis hin zu antiken Philosophen. Dieser weite Zeitrahmen fördert bekannte Deutungs- und Verhaltensweisen schon früh zutage: Interpretation der Menstruation als Übel, Absonderung von Frauen und Gleichsetzung mit Unreinheit.

Die Autorinnen sind sich dabei der Schwierigkeit bewusst, aus diesen Einzeldokumenten sichere Deutungen und Folgen der Menstruation abzuleiten – und erliegen doch immer wieder der Versuchung: Der 14tägige Ausschluss von Frauen aus der Gemeinschaft (Rückkehr zur empfangsbereiten Zeit) im Dritten Buch Mose etwa wird „ohne Zweifel“ als Maßnahme zur Förderung des Kinderreichtums interpretiert (S. 15 f.).

Wie üblich werden zur Interpretation ur- und frühgeschichtlicher Funde die Gebräuche heute lebender traditioneller Kulturen herangezogen. Diese haben sicher viel Ursprüngliches bewahrt, doch wird dabei leicht vergessen, dass auch diese Völker eine über 2000jährige Geschichte hinter sich haben, in der Entwicklungen statt gefunden haben.

Die dargestellten Kontroversen antiker Gelehrter über Ursprung und Sinn der Menstruationsblutung zeigen in sehr anschaulicher Weise die langsame Herausbildung einzelner Theorien zur Funktion des Körpers. Der stets hergestellte Zusammenhang mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft legte den Grundstein für die Deutung der Menstruation in den nachfolgenden Jahrhunderten: Die Frau wurde als faules und unreines Geschöpf gesehen, das das Haus kaum verließ und deshalb eine große Menge an Säften anspeicherte, die monatlich abgestoßen werden müssten.

Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Jahrhunderte werden nur kurz mit einzelnen Hinweisen zu Erklärungsversuchen und Anleitungen zur Bekämpfung der im Zuge der Menstruation auftretenden Beschwerden gestreift.

Medizinhistorischer Diskurs

Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit dem medizinhistorischen Diskurs ab 1860 – entlang der Entwicklung der Gynäkologie. In den einzelnen Abschnitten der Kaiserzeit, der stärkeren Selbständigkeit von Frauen ab der Jahrhundertwende, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der zunehmend offeneren Thematisierung nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1990er Jahre werden jeweils Theorien über den Menstruationsvorgang, Begleiterscheinungen und deren Therapie sowie Folgen dieser Festschreibungen für die Frauen diskutiert.

Theorien des periodischen „Irre-Seins“ der Frauen zogen zum Beispiel eine Ausnahmestellung und somit auch eine Verweisung der Frauen auf das Haus nach sich. Mit zunehmender außerhäuslicher Arbeitstätigkeit der breiten Schichten wurde die Frage der Einschränkung von Frauen durch die Menstruation im Arbeitsprozess ein Thema. Die Weiterentwicklung der Gynäkologie über die Psychoanalyse versuchte, dem Penisneid den Gebärneid entgegenzusetzen. Die Bedeutung der Erfahrungen der ersten Menstruation für spätere Beschwerden oder Beschwerdelosigkeit wurde postuliert. Die NS-Ideologie forderte gesunde, sportliche Mädchen und Frauen – somit trat die geforderte Schonung von Frauen während der Menstruation in den Hintergrund. Nach Erforschung der genauen Vorgänge des Menstruationsvorganges verlagerte sich das Interesse der Mediziner zunehmend auf die Beseitigung der Menstruationsbeschwerden.

Die Beschäftigung mit dem weiblichen Zyklus geht weiter – vor allem männliche Mediziner propagieren eine künstliche Veränderung des Menstruationsvorganges, der die Blutung auf zweimal im Jahr beschränken würde. Auch dies sehen die Autorinnen in der Tradition der männlich-ärztlichen Eingriffe in den weiblichen Körper.

Geschichte der Hygiene

Der Vorwurf der Unreinheit und des abstoßendes Geruchs blieb mit der Menstruation bis ins 20. Jahrhundert verbunden und förderte die beliebige Ausgrenzung von Frauen aus dem öffentlichen Raum und aus bestimmten Berufssparten. Hartnäckig hielt sich der Glauben an das Menstruationsgift. Die Autorinnen zitieren Beispiele, die noch für das Jahr 2001 Befürchtungen belegen, Lebensmittel könnten durch menstruierende Frauen verdorben werden.

Sehr spannend nimmt sich die technische Entwicklung der Menstruationshygiene aus. Auch hier verweisen die Autorinnen auf den engen Zusammenhang mit den eroberten Freiräumen von Frauen. Die Revolutionen der Wegwerfbinde wie auch des Tampons und der Slipeinlagen machten es für Frauen möglich, die monatlichen Blutungen besser zu handhaben. In den 1960er und 1970er Jahren von der Tabuisierung befreit, werden die Hygieneartikel nicht mehr in Zeitungspapier verpackt diskret an die Käuferin abgegeben, sondern füllen nun ganze Regale in hell beleuchteten Supermärkten. Sie folgen den Trends – es gibt mittlerweile Slipeinlagen für String-Tangas und in schwarzer Ausführung. Dies ging einher mit einer besseren Aufklärung der Mädchen, einer stärkeren Auseinandersetzung und Identifizierung der Frauen mit dem eigenen Körper.

Breite Einbettung

Die Stärke des Buches liegt in der Einordnung der Menstruationsgeschichte in die Geschlechtergeschichte, Medizingeschichte und politische Geschichte. Die ausgiebige Verwendung des historischen Präsens lässt allerdings oft die Grenze zwischen den dargelegten medizinischen Hypothesen und der wissenschaftlichen Interpretation der Autorinnen verschwimmen. Auch schleicht sich ab und zu ein moralisch-entrüsteter Ton in die Bewertung der einzelnen Theorien ein, der auf die Engagiertheit der Autorinnen in der Auseinandersetzung mit dem Thema zurückzuführen sein dürfte.

Die detaillierte Darstellung des medizinischen Diskurses ab dem 19. Jahrhundert erlaubt den Blick auf die Wahrnehmung der Frauen nur indirekt über die medizinischen Falldarstellungen bzw. über einzelne Vorkämpferinnen der Frauenbewegung. Es wäre daher wünschenswert, wenn zu diesem Thema auf der hier präsentierten (normtheoretischen) Basis aufbauend Untersuchungen zur Wahrnehmungs- und Handlungswirklichkeit der Frauen ansetzen würden.

URN urn:nbn:de:0114-qn051086

Mag. Ellinor Forster

Forschungsassistentin an der Universität Innsbruck/Institut für Geschichte

E-Mail: ellinor.forster@uibk.ac.at

Die Nutzungs- und Urheberrechte an diesem Text liegen bei der Autorin bzw. dem Autor bzw. den Autor/-innen. Dieser Text steht nicht unter einer Creative-Commons-Lizenz und kann ohne Einwilligung der Rechteinhaber/-innen nicht weitergegeben oder verändert werden.