Regina Frey:
Gender im Mainstreaming.
Geschlechtertheorie und -praxis im internationalen Diskurs.
Königstein/Taunus: Ulrike Helmer 2003.
217 Seiten, ISBN 3–89741–083–4, € 19,95
Abstract: Gender im Mainstreaming erläutert die inhaltliche Ausgestaltung der Kategorie Gender in verschiedenen feministischen Theorien und zeigt deren Verwendung in der Gleichstellungsstrategie Gender Mainstreaming in der Entwicklungspolitik auf.
Derzeit wird Gender Mainstreaming auf verschiedenen politischen Ebenen als neue Methode zur Gleichstellung der Geschlechter gepriesen. Zahlreiche Organisationen, Kommunen, Bundesländer und auch die Bundesregierung sind bemüht, mit Gender Mainstreaming gleichstellungspolitisches Handeln effektiver und qualitativ höherwertiger zu gestalten. Der dem Konzept zugrunde liegende Begriff Gender wird dabei häufig inhaltlich stark verkürzt verwendet und nur selten in seinem Ideengehalt ausführlich erklärt.
Gender ist eine umstrittene feministische Kategorie, die je nach Definition unterschiedliche politische Forderungen beinhalten kann. Die oft einseitige Verwendung und Erläuterung von Gender in der Strategie Gender Mainstreaming mündet daher häufig in Widersprüche zwischen den Inhalten der mit dem Begriff transportierten politischen Forderungen und den tatsächlichen gleichstellungspolitischen Zielen. Nur selten verfügen gleichstellungspolitische Akteur/-innen über das notwendige Fachwissen, um Gender den politischen Zielen angemessen definieren und Gender Mainstreaming somit inhaltlich ausgestalten zu können.
An diesen konzeptionellen Schwierigkeiten setzt Gender im Mainstreaming an. Regina Frey gibt einen Überblick über die Begriffsgeschichte von Gender und untersucht dessen Verwendung und Konzeptualisierung in der internationalen Gleichstellungspolitik mit Schwerpunkt auf dem entwicklungspolitischen Raum. Im Mittelpunkt steht die These, dass neuere feministische Theorien dabei nur unzureichend oder überhaupt nicht in politisches Handeln aufgenommen werden. Durch das Ausblenden dieser neueren Theorien und die Verwendung anachronistischer Definitionen von Gender aber laufe Gender Mainstreaming Gefahr, hierarchische Geschlechterverhältnisse zu reproduzieren und zu verstärken.
Das Buch ist in vier Kapitel gegliedert, wobei im ersten kurz der methodologische Rahmen der Arbeit erläutert wird. Im zweiten Kapitel stellt Frey auf knapp fünfzig Seiten die umfangreiche Geschichte der Kategorie Gender und ihre jeweilige Verwendung in internationalen feministischen Theorien dar. Neben Gleichheitsfeminismen und Differenzfeminismen werden auch postkoloniale Feminismen, afrikanische Gender-Debatten, die Männlichkeitsdiskurse sowie die verschiedenen dekonstruktivistischen Feminismen hinsichtlich ihrer Ausgestaltung von Gender analysiert.
Deutlich wird anhand dieser detaillierten und in Anbetracht des knappen Raums sehr differenzierten Veranschaulichung, dass Gender in verschiedenen Feminismen je unterschiedliche ideologische und methodologische Voraussetzungen hat. Gender ist daher eine multidimensionale und ambivalente sowie paradoxe Kategorie, die mit ihrer konzeptionellen Weiterentwicklung in neueren feministischen Theorien eine inhaltliche Wende durchlaufen hat und heute auch als problematisch thematisiert wird.
Im dritten Kapitel analysiert Frey in fünf Schritten die Diskussion von Gender im entwicklungspolitischen Diskurs. Gefragt wird ausgehend von den Erkenntnissen aus dem zweiten Kapitel, welche Bedeutungsdimensionen Gender in unterschiedlichen Konzepten hat und an welche konzeptionellen Grenzen diese jeweils stoßen. An eine Darstellung des entwicklungspolitischen Paradigmenwechsels von WID (Women in Development) zu GAD (Gender and Development) im ersten Schritt schließt sich als zweiter Punkt eine Analyse der Basisliteratur zu GAD an. Anschließend werden die Konzeptualisierungen von Gender in verschiedenen Gender-Analysen untersucht. Im vierten Schritt geht Frey der Kategorie Gender in Trainingsbüchern für Gender-Trainings nach und untersucht fünftens die Veröffentlichungen deutscher Entwicklungsorganisationen hinsichtlich der Verwendung von Gender.
Frey zeigt auf, dass Gender in den entwicklungspolitischen Diskursen nicht immer nur mit Rückgriff auf ältere feministische Theorien verwendet wird, sondern dass teilweise auch Impulse aus neueren Theorien aufgegriffen werden. Dennoch nimmt die politische Praxis des Gender Mainstreaming nur sehr selten und vereinzelt Rückgriff auf aktuelle Gender-Theorien und orientiert sich statt dessen eher an schematischen Mann-Frau-Dualismen. “Wenn überhaupt explizit gemacht ist, auf welche theoretische Basis Gender gestellt wird, dann sind dies (heute längst umstrittene) Arbeiten aus den 1970er Jahren, wie zum Beispiel Anne Oakley (1972).“ (S. 174)
Das vierte Kapitel verweist auf die Diskrepanz zwischen der inhaltlichen Vielfalt von Gender in verschiedenen feministischen Theorien und dem mehrheitlich eher reduzierten Rückgriff auf einige wenige Aspekte dieses Ausgestaltungsangebotes. Freys These, dass sich diskriminierende Geschlechterverhältnisse durch eine einseitige Verwendung von Gender in Politikkonzepten verstärken, konnte deswegen teilweise bestätigt werden. Die Autorin empfiehlt daher, dass jeweils das verwendete Konzept von Gender verdeutlicht werden sollte, da mit dem Rückgriff auf eine ausdifferenzierte Gender-Theorie die Wirksamkeit insbesondere von Gender Mainstreaming erhöht werden könne.
Mit Gender im Mainstreaming wird nachgewiesen, dass der Austausch zwischen feministischer Wissenschaft und praktischer Umsetzung von Gleichstellungspolitik erheblich intensiviert werden sollte, um auch verstärkt Impulse für die politische Arbeit ableiten zu können. Das Buch schließt damit eine Lücke in der Auseinandersetzung um die Strategie des Gender Mainstreaming, indem es ausführlich deren konzeptionelle Grenzen offenlegt und gleichzeitig wertvolle Anregungen für ihre gender-theoretische Ausgestaltung bietet.
URN urn:nbn:de:0114-qn051151
Annegret Künzel, M.A.
E-Mail: annegretkuenzel@web.de
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