Brita Neuhold, Renate Pirsner, Silvia Ulrich:
Frauenrechte – Menschenrechte.
Internationale, europarechtliche und innerstaatliche Dimensionen.
Innsbruck, Wien, München, Bozen: StudienVerlag 2003.
316 Seiten, ISBN 3–7065–1812–0, € 32,00
Abstract: Welche Normen und welche Institutionen bestehen auf internationaler, regionaler und europäischer Ebene zum Schutz der Rechte von Frauen? Mit welchen Schwierigkeiten haben Frauen bei der Anerkennung und Verankerung ihrer Rechte im Völker- und Europarecht zu kämpfen? Welche Probleme stellen sich sodann auf einzelstaatlicher Ebene bei der Umsetzung solcher internationalen Vorgaben? Auf diese Fragen gibt das Gemeinschaftswerk dreier österreichischer Autorinnen in knapper und gut lesbarer Weise Antworten. Es eignet sich für Wissenschaftler/-innen und Praktiker/-innen zum Einstieg in die Materie und als Begleitlektüre für politik- und rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen mit einem Schwerpunkt auf den völkerrechtlichen Entwicklungen.
Kernstück des Buches ist der Beitrag von Brita Neuhold über „Internationale Dimensionen“ der Frauenrechte, der gut die Hälfte des Werkes umfasst. Sie stellt in anschaulicher und prägnanter Weise die Rechtsinstrumente und Kontrollverfahren dar, die zur Verwirklichung der Rechte von Frauen auf internationaler und regionaler Ebene bestehen. Ihre Analyse der hierbei bestehenden zentralen Hindernisse führt die Leserschaft in einige der umstrittensten Bereiche des Völkerrechts der Gegenwart ein und zeigt auf, wo besonderer Handlungsbedarf besteht.
Das erste Kapitel beginnt mit einem Überblick über die Kategorien von Menschenrechten, die „klassischen“ bürgerlichen und politischen Rechte, die sozialen Rechte und die sogenannten Rechte der „dritten Generation“. Dieses sind kollektive Rechte wie etwa das Selbstbestimmungsrecht der Völker oder das Recht auf Entwicklung. Es folgt eine knappe Darstellung der Formen des Menschenrechtsschutzes durch universelle und regionale internationale Organisationen. Dieser Teil verschafft Leser/-innen ohne völkerrechtliche Vorkenntnisse die notwendigen Grundlagen zum Verständnis der folgenden Kapitel. Wünschenswert wären allerdings hier wie auch im folgenden Kapitel Hinweise auf vertiefende Literatur zu den behandelten Themenbereichen gewesen, insbesondere auf völkerrechtliche Handbücher, Kommentare und Sammelwerke.
Die „Konvention über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW) bildet den Schwerpunkt des Kapitels über „Menschenrechte aus der Genderperspektive“. Zu Recht widmet die Autorin ihr besonderes Augenmerk den Vorbehalten, durch die einzelne Staaten die Reichweite der garantierten Rechte einzuschränken versuchen. Sie zeigt auf, warum dem CEDAW-Ausschuss, der die Beachtung der Konvention kontrollieren soll, nur begrenzte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Eine Stärkung der Rechtsdurchsetzung erhofft sie sich von der seit 2000 bestehenden Möglichkeit der sogenannten Individualbeschwerde. Dies bezeichnet das Recht von betroffenen Frauen, die Verletzung ihrer Rechte vor dem Ausschuss zu rügen und damit ein gerichtsähnliches Kontrollverfahren in Gang zu setzen. Es ist bezeichnend für den Widerstand zahlreicher Staaten gegen Frauenrechte, dass dieses Verfahren erst kürzlich eingeführt wurde, während es beispielsweise im Rahmen des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, der ebenfalls, wenn auch in weniger detaillierter Weise, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet, schon wesentlich länger existiert.
Im dritten Kapitel befasst sich Brita Neuhold mit den zentralen Problembereichen der Verwirklichung von Frauenrechten. Hier behandelt sie zunächst die Versuche, die Universalität von Frauenrechten unter Verweis auf kulturelle Besonderheiten zu leugnen. Sehr anschaulich schildert sie die konträren Positionen und harten Verhandlungen im Rahmen der Weltmenschenrechts- und der Weltfrauenkonferenzen. Hier kommen der Autorin ihre eigenen Erfahrungen als Beteiligte und Beobachterin bei diesen Konferenzen zugute. In diesem Teil wird auch eine der Stärken des Buches deutlich: ungeschönt aufzuzeigen, dass der gegenwärtige Stand der völkerrechtlichen Frauenrechte immer wieder verteidigt und gegen große Widerstände fortentwickelt werden muss.
Des weiteren sieht Brita Neuhold ein wesentliches Hindernis für die freie persönliche Entfaltung von Frauen in der Nachrangigkeit sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Rechte. Hier vertritt sie – etwas pauschal – eine globalisierungskritische Position und beschränkt ihre Literaturhinweise leider auch auf diese Ansicht. Sie zeigt die Faktoren auf, die zu einer „Feminisierung der Armut“ führen, also der Tatsache, dass Frauen unter der unzureichenden Verwirklichung sozialer und wirtschaftlicher Rechte besonders zu leiden haben. Sodann untersucht sie, inwieweit bestehende internationale Frauenrechte die Staaten in die Pflicht nehmen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Bei diesem Ansatz wird zugleich die nur begrenzte Steuerungsfähigkeit des Völkerrechts – wie jeder Rechtsordnung – sichtbar, mag dies auch von der Autorin gar nicht bezweckt sein. Es kann nämlich nicht auf alle Faktoren einwirken, die die freie und gleiche Entfaltung von Frauen behindern: Ein wichtiger Bereich ist derjenige der Menschenrechtserziehung. Nicht allein durch das Recht, sondern und vor allem durch die Vermittlung universeller Werte können kulturell vermittelte Betrachtungs- und Handlungsweisen geändert werden, welche Frauen benachteiligen oder zurücksetzen.
Als dritten zentralen Problembereich identifiziert die Autorin das weltweite Problem der Gewalt gegen Frauen. Hierzu zählen etwa häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung sowie Gewalt gegen Frauen in verletzlicher Lage (im Polizeigewahrsam, im bewaffneten Konflikt, als Flüchtlinge oder als Prostituierte) und sexuelle Belästigung. Angesichts der Unterschiede zwischen diesen Formen der Gewalt muss sich Brita Neuhold darauf beschränken, die einschlägigen völkerrechtlichen Normen und Handlungsempfehlungen zusammenzustellen.
Im vierten Kapitel wechselt die Perspektive von den Rechtsinstrumenten hin zu dem Prozess, durch den die Rechte der Frauen auf die internationale Tagesordnung gehoben und um ihre Anerkennung gekämpft wurde. Hier zeichnet die Autorin nach, wie Frauenrechte ihren Weg auf die UN-Ebene gefunden haben. Überzeugend argumentiert sie, dass das Augenmerk heute weniger auf Sonderrechten für Frauen liegen darf als vielmehr darauf, die besonderen Bedürfnisse von Frauen in menschenrechtliche und andere, insbesondere handelspolitische Verträge zu integrieren. Sie fordert, Frauen wesentlich stärker an der Umsetzungskontrolle und Politikgestaltung zu beteiligen. An der Vielzahl von weltweit aktiven Frauenorganisationen, die im letzten Kapitel dargestellt werden, lässt sich zweierlei erkennen: Zum einen haben Frauen die Möglichkeiten erkannt, mittels derer sie auf die Entwicklung des Völkerrechts einwirken können, und nutzen sie. Zum anderen gibt es bei allen politischen Divergenzen ein gemeinsames Fraueninteresse: das der gleichberechtigten Teilhabe an der Gestaltung der Zukunft der menschlichen Gesellschaft. Dieses Recht ist nicht alles, aber ohne dieses Recht ist alles nichts.
Den internationalen Teil ergänzt der Beitrag von Renate Pirstner über „Europarechtliche Dimensionen“. Er fällt recht knapp aus und bietet lediglich einen ersten Einstieg in die europarechtliche Dimension des Themas. Leider sind auch die Hinweise auf weiterführende Literatur nur spärlich.
Die Autorin listet zunächst die frauenrechtlich relevanten Normen des Vertrages über die europäische Gemeinschaft auf. Es folgt eine Übersicht über die Klagearten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, der freilich deutlicher in den Zusammenhang des Gesamtthemas hätte gestellt werden können. Sodann schließt sich eine Darstellung der frauenrelevanten wirtschaftlichen und sozialen Rechte an. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Gleichbehandlungsgebot im Arbeitsrecht und für selbständige Erwerbstätigkeit sowie den Richtlinien zu Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Teilzeitarbeit (letztere betreffen ja insbesondere Frauen) und den Systemen der sozialen Sicherheit (insbes. Rentenrecht). Hilfreich ist, dass die wesentlichen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen im Wortlaut abgedruckt sind.
Es folgt ein Kapitel über „Frauen und Gewalt“ mit einem Überblick über die vielfältigen EG-Vorgaben für die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch, häuslicher Gewalt, Kinderpornographie und Menschenhandel. Intensiv behandelt Renate Pirstner die Verhaltensregeln und rechtlichen Vorgaben zur Verhinderung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Ausführlich analysiert sie zum Schluss die Rechtsprechung des EuGH zum Zugang von Frauen zu Berufsstreitkräften und zum Polizeidienst.
Unter „Frauenförderung und Gender Mainstreaming“ zeichnet die Autorin die Entwicklung der Rechtsprechung zu „Frauenquoten“ nach und beleuchtet deren Auswirkungen auf das österreichische Recht. Zum Schluss findet sich eine Darstellung der Aktivitäten der Europäischen Kommission zum Gender Mainstreaming. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht anregend sind die abschließenden Überlegungen zu den Möglichkeiten einer gerichtlichen Durchsetzung der Verpflichtung zum Gender Mainstreaming. Zu Recht gelangt Renate Pirsner aber zu dem ernüchternden Schluss, dass dies nur eine schwache Option darstellt und dass die Umsetzung von Gender Mainstreaming weiterhin hauptsächlich von den Entscheidungsträgern auf europäischer und nationaler Ebene abhängt. Angesichts der geringen Zahl von Entscheidungsträgerinnen ist hier wenig Optimismus angezeigt.
Auch für das deutsche Publikum interessant ist der letzte Teil des Werkes, der sich mit den Einwirkungen des Völker- und Europarechts auf das österreichische Recht befasst. Er beginnt mit einem kurzen Überblick über die Verfassungsrechtsentwicklung und -rechtsprechung. Silvia Ulrich zeigt darin auf, dass beide erst durch eine genderspezifische Verfassungsreform Ende der 1980er Jahre Impulse in Richtung auf die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter erhalten haben. Befördert wurde diese Reform auch durch die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW); hier nennt die Autorin zahlreiche Beispiele der Anpassung des österreichischen Rechts an die internationalen Vorgaben. Spannend ist ihre Darstellung, in welchen Fällen die Möglichkeit der Invididualbeschwerde nach dem Zusatzprotokoll zum CEDAW genutzt werden könnte. Hierzu zählen die Festlegung des Familiennamens eines Kindes, die Ungleichbehandlung von sterilen Frauen und Männern bei der Verwirklichung eines Kinderwunsches sowie die Diskriminierung von Alleinerziehenden bei der Gewährung von staatlichem Kinderbetreuungsgeld.
Es schließt sich eine Auflistung der weitgehend europarechtlich determinierten Gleichbehandlungsgesetze für den öffentlichen Dienst in Bund und Ländern an. Auch in diesem Kapitel zeigt die Autorin noch bestehende Defizite auf, etwa bei Sanktionen im Fall von Diskriminierung in privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnissen. Sehr knapp fällt leider die Darstellung des Gewaltschutzgesetzes aus. Aus deutscher Sicht wäre es wünschenswert gewesen, Informationen über bisherige Erfahrungen mit der Anwendung dieses Gesetzes zu erhalten, um das deutsche Pendant bewerten zu können. Kritisch geht Silvia Ulrich mit bestehenden Programmen und der Praxis des Gender Mainstreaming ins Gericht. Sie beschränken sich aus ihrer Sicht auf (Schein-)Pilotprojekte. In einem Ausblick skizziert sie ein Modell des angewandten Gender Mainstreaming für den Bereich der Gesetzgebung, die auch eine gleichstellungsorientierte Budgetpolitik (Gender Budgeting) einschließen müsse.
Das Buch ist aus Veranstaltungen einer Gastprofessur für Frauen- und Geschlechterstudien an der Universität Graz hervorgegangen. Eine bessere Empfehlung für die Einrichtung solcher Professuren dürfte es nicht geben.
Dieses Gemeinschaftswerk ist weitgehend beschreibend und kann es angesichts des weiten Spektrums der behandelten Probleme und Rechtsordnungen wohl auch nur sein. Die Frage, wie die verschiedenen Rechtsebenen ineinandergreifen, wird am deutlichsten im dritten Teil zur Lage in Österreich beantwortet. Der erste, völkerrechtliche Teil bringt für einen größeren Leser/-innenkreis Licht in eine bislang wenig beleuchtete Materie und regt zu vertiefter Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen an. Das Werk hat jedenfalls die Rezensentin dazu veranlasst, selbst eine Lehrveranstaltung zu Frauenrechten im Völkerrecht zu konzipieren.
URN urn:nbn:de:0114-qn052038
Prof. Dr. Beate Rudolf
Freie Universität Berlin/Fachbereich Rechtswissenschaften
E-Mail: BRudolf@zedat.fu-berlin.de
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