Horst Petri:
Väter sind anders.
Die Bedeutung der Vaterrolle für den Mann.
Stuttgart: Kreuz 2004.
198 Seiten, ISBN 3–7831–2374–7, € 17,90
Abstract: Väter sind anders ist die überarbeitete Fassung von Guter Vater – Böser Vater (1997). Uns liegen elf Kapitel vor, die sich mit der Entwicklung des Mannes vom Sohn zum Vater, mit dem Geschlechterverhältnis von Mann und Frau, der Bedeutung des Berufs für den Mann und der männlichen Aggression und Sexualität auseinandersetzen. Der Text basiert auf der orthodox-psychoanalytischen Annahme einer binären Geschlechtsidentität, sein Männlichkeitsbild gründet Petri auf die These von der angeblichen kulturellen Überlegenheit des Mannes, auf populär-evolutionistische Ansichten von der Rolle von Mann und Frau sowie auf die Vorstellung ‚gesunder‘ binärer geschlechtsadäquater Identität, die – wen wundert’s – zwangsläufig in Heterosexualität münde. Über den Nutzen dieser Vater-Studie lässt sich streiten.
Bei seiner Betrachtung von „Väter[n] heranwachsender Kinder in einer gewandelten Welt“ (S. 104) listet Petri eine ganze Reihe negativer sozialer und ökologischer Entwicklungen auf: das ‚schwache‘ Bildungssystem, die Umweltzerstörung und Klimakatastrophe und in einem Atemzug auch die ‚neue‘ Rolle der Frau (vgl. S. 104). Das „klassische“ Familienmodell biete andere Vorgaben: Hier besitze der Vater Macht, um seine Familie vor äußeren Bedrohungen zu schützen, um ihre ökonomische Basis zu sichern und um als Träger gesellschaftlicher Normen Einfluss auf die moralische Struktur der Familie zu nehmen (vgl. S. 118). Dieses Familienmodell werde in heutiger Zeit jedoch durch neuartige Definitionen und Rollen gewandelt. Dabei problematisiert Petri den wachsenden Trend zu alternativen Lebensgemeinschaften, zu denen er Kinderlose, Einkindfamilie und Alleinerziehende zählt (vgl. S. 141). Ebenfalls sei die steigende Zahl nicht ehelicher Väter bedenklich, da diese „absolut rechtlos“ (S. 175) seien und zudem ihren nicht verpflichtenden Status ausnützten, weil er „Willkür und mangelndes Verantwortungsbewusstsein“ (ebd.) begünstige, denn dieser Vater „kann sich jederzeit aus dem Staub machen, ohne nach den Folgen zu fragen“ (ebd.).
Eine weitere Krise sei die Scheidung, denn sie „ist eine Katastrophe“ (S. 170). Sie bedeute für den Vater immer ein Versagen (S. 168 ff.), durch das er sich lebenslang verfolgt fühlt: „Für den Scheidungsvater […] mündet der doppelte Verrat an den Kindern und an sich selbst in einen schweren Schuld-Scham-Komplex“ (S. 169).
Scheidung und alternative Familienformen seien also das negative Ergebnis von Kollisionen zwischen Vätern und ihren Familien. Schuldige für diese Entwicklung sind für Petri die Frauenbewegung, der Feminismus und die Emanzipationsbewegung (vgl. S. 8, 15, 129, 141).
Das Geschlecht spielt für Petri eine entscheidende Rolle dafür, wie ein Vater sein Kind sieht und mit ihm umgeht. Der Sohn als ein Teil „seines eigenen Selbst“ (S. 70) ist sein potentieller Erbe; ihn führt er in die Selbstständigkeit, mit ihm macht er Aktionen (Lagerfeuer, Fahrradfahren), spielt – Schach – und bewältigt dadurch „friedlich“ (S. 78) sein aggressives männliches Triebschicksal. Keine Frage: „Sein Stolz gilt naturgemäß stärker einem Sohn“ (S. 70).
Mit der Tochter werden Zärtlichkeiten ausgetauscht, ihre Sexualität interessiert ihn sehr, denn ihre Bestimmung liege in der Rolle als Ehefrau und Mutter. Sie hilft ihm, seine Aggressionskräfte abzumildern und unter Kontrolle zu halten. „Ihre Schmusereien, ihre Zärtlichkeit, ihre Koketterien und ihre vielen kleinen Geschenke […] dienen auch dazu, das gefürchtete Aggressionspotential des Vaters zu versöhnen. Teilweise hat sie diese Techniken der Mutter abgeschaut und teilweise auch selbst herausgefunden, dass Schmeicheleien, hübsche Kleider und Locken den Vater milde stimmen“ (S. 93). Sie kann ihn deshalb besänftigen, weil sie „eine Rose, Symbol für weibliche Schönheit, Anmut und Liebe, für Zuneigung, Jungfräulichkeit, Fruchtbarkeit und Wiedergeburt“ ist (S. 90).
Für das Mädchen sei das Verhältnis zum Vater für „eine gelungene heterosexuelle Partnerschaft“ wichtig (S. 96). Zum Thema „Sexualität“ zwischen Vater und Tochter entwickelt Petri folgende These: „In der Zeit, in der die Tochter in das gebärfähige Alter kommt, setzt die Fruchtbarkeit der Mutter manchmal schon aus, während der Vater bis ins höhere Alter zeugungsfähig bleibt. In diesem Zusammenhang gehört die alte Erkenntnis der Anthropologie und Verhaltensforschung, dass jüngeren Weibchen für die älteren Männchen eine höhere Attraktion besitzen, weil sie kräftiger und gesünder sind als ältere und deshalb einen widerstandsfähigeren Nachwuchs garantieren“ (S. 100). Eine erschreckende Anthropologie, noch dazu, weil sich Petris Ausführungen dazu über sieben Seiten erstrecken.
Mit diesem Satz begründet Petri seine reduzierte Sicht auf den Mann. Damit dieser – wegen seiner aggressiven und sexuellen Energie – nicht zur Gefahr für sich und andere wird, stehen ihm traditionell vier Lebensbereiche zur Verfügung, in denen er sein Triebpotential in humane Sozial- und Kulturleistungen umformen kann: Partnerschaft, Kinder, Beruf und Freizeit.
Die Berufstätigkeit stehe dabei an erster Stelle. Petri bezieht sich hier auf die populäre Evolutionsthese von Jonas (vgl. S. 36): Um in der urzeitlichen matriarchalistisch-organisierten Gesellschaft sozial eingebunden zu sein – denn gebären kann er nicht –, habe der Mann kulturelle und berufliche Funktionen übernehmen müssen: Zäune bauen, Waffen erfinden, Werkzeug schmieden, Boden beackern. Damit wurde der Beruf zum Zentrum seines Lebens (vgl. S. 41). Heute noch ist er für ihn elementar, denn nur durch ihn könne er seine Triebe sublimieren (vgl. S. 39). So erklärt Petri auch, warum Erfindungen und Eroberungen auf Männern zurückgehen: „Damit wäre seine höhere Produktivität nicht Ausdruck seiner Dominanzwünsche über die Frau, sondern das Ergebnis eines natürlichen Verteilungsmusters an produktiven Antriebskräften zwischen den Geschlechtern“ (S. 44, kursiv B. D.).
Der Beruf habe nun jedoch – anders als für die Frau – eine verpflichtende Seite, denn als „Mann kann er sich erst fühlen und wird als solcher anerkannt, wenn er seine Berufsfindung abgeschlossen und die Rolle übernommen hat“ (S. 35, kursiv B. D.). Eine mangelnde Berufsqualifizierung, Arbeitslosigkeit und Frühberentung bergen demnach die Gefahr seelischer und psychosomatischer Erkrankungen, sozialer Destabilisierungen bis zu delinquenten Folgen (vgl. S. 48).
Insgesamt liegt uns hier ein weder wissenschaftliches noch aktuelles Buch vor. Wer die biologistisch-anthropologische Erklärung des Geschlechterverhältnisses nicht mag, braucht dieses Buch nicht in die Hand zu nehmen. Auch für diejenigen, die ein ideologisch-konservatives Räsonieren verabscheuen, ist es ungeeignet. Insgesamt ist der Tenor sexistisch und problematisch nicht nur wegen seines voyeuristischen Blicks auf die kindliche weibliche Sexualität, sondern auch wegen seiner hegemonischen Reduktion des Mannes auf destruktive Triebenergien sowie vermeintliche identitätsrelevante Abhängigkeiten von beruflicher Karriere und Konkurrenzgebaren unter Männern. Hier hätte Petri Robert Connell lesen sollen!
Beantwortet er nun, ob Väter anders sind? Nein. Es wird nirgendwo deutlich, gegen wen er eigentlich argumentiert.
Mängel sind auch in der Beweisführung zu finden, die statt empirischen Ergebnissen etymologische Begriffsklärungen zitieren. Zudem ist die Benutzung von Fachtermini unsauber, etwa der Begriff „Urszene“ (S. 67 ff.): Für Petri ist sie die Geburtsszene, das Vater-werden. Freud dagegen bezeichnete sie als die Beobachtung des elterlichen Koitus als Angst erzeugendes Moment. Streckenweise ist der Duktus antiquiert, auch die Themen, um die Petri Konflikte spinnt, sind gestrige: etwa die erzwungene Heirat wegen ungewollter Schwangerschaft (vgl. S. 60). Und schließlich liefert er einen Kommentar der Rechtslage der 1980er Jahre, den er aus der ersten Fassung von 1997 übernommen hat – das 1998 reformierte Kindschaftsrecht berücksichtigt er nicht.
Dennoch muss man Horst Petri bei aller Kritik eines zugute halten: Er versucht wenigstens, über die reine Funktionalisierung des Vaters hinauszugehen, wie sie in den meisten psychologischen Vaterstudien zu finden ist.
URN urn:nbn:de:0114-qn053072
Dr. Barbara Drinck
Berlin, Freie Universität Berlin, AB Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, FB Erziehungswissenschaft und Psychologie
E-Mail: drinck@zedat.fu-berlin.de
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