Karriere im Traumjob – auch für Frauen?

Rezension von Andrea Blunck

Andrea Abele, Ernst-H. Hoff, Hans-Uwe Hohner (Hg.):

Frauen und Männer in akademischen Professionen.

Berufsverläufe und Berufserfolg.

Heidelberg: Asanger 2003.

188 Seiten, ISBN 3–89334–405–5, € 22,00

Andrea E. Abele, Helmut Neunzert, Renate Tobies:

Traumjob Mathematik!

Berufswege von Frauen und Männern in der Mathematik.

Heidelberg: Birkhäuser 2004.

204 Seiten, ISBN 3–7643–6749–0, € 28,00

Abstract: Die beiden vorliegenden Bücher befassen sich – wie die Untertitel schon sagen – mit Berufsverläufen von Akademiker/-innen in verschiedenen Berufsfeldern, von Medizin über Wirtschaftswissenschaften bis zur vermeintlichen „Männerdomäne“ Mathematik. Die vorgestellten empirischen Studien belegen den sogenannten „Schereneffekt“, dass nämlich Frauen trotz gleicher Startbedingungen seltener „Karriere machen“ als Männer. Als bereichernde Ergänzung finden sich in Traumjob Mathematik! Berufswege von Mathematikerinnen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Berufswege von Akademikerinnen – zwei Bücher zu einem aktuellen Thema

Berufstätigkeit ist für die meisten Akademikerinnen heute kein besonderes Problem mehr, Karriere zu machen dagegen schon: Nur wenige Akademikerinnen steigen in Führungspositionen auf, im Allgemeinen verdienen Akademikerinnen weniger als ihre männlichen Fachkollegen.

Um Berufsverläufe, Karrierewege, Karrierevorstellungen und die jeweilige Verknüpfung mit dem Privatleben geht es in den beiden hier vorgestellten Büchern:

In Frauen und Männer in akademischen Professionen werden Untersuchungen zu Berufsverläufen in verschiedenen Fächern (Medizin, Psychologie, Lehramt, Mathematik, Wirtschaftswissenschaften) aus sozialpsychologischer Perspektive präsentiert; neben zwei theoretischen Beiträgen werden in acht Beiträgen die Ergebnisse empirischer Studien vorgestellt.

In Traumjob Mathematik! geht es um Mathematiker/-innen und ihre Berufswege früher und heute. Das Buch ist entstanden aus einem von der VW-Stiftung geförderten Projekt, in dem Personen aus der Sozialpsychologie, der Mathematik und der Mathematikgeschichte zusammengearbeitet haben. So enthält das Buch neben den Ergebnissen empirischer Studien (eine davon findet sich auch in Frauen und Männer in akademischen Professionen) einen großen historischen Teil, in dem Berufsverläufe von Mathematiker/-innen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben werden.

Befunde einiger aktueller Studien

Bei den in beiden Büchern vorgestellten empirischen Studien handelt es sich fast ausschließlich um Längsschnittstudien, in denen Absolvent/-inn/en eines bestimmten Studiengangs direkt nach Abschluss ihres Studiums und dann einige Jahre später noch einmal (oder auch noch mehrfach) befragt wurden. Hierbei wurden Daten erhoben wie Abschlussnote, Studiendauer, Arten der Berufstätigkeit, Verdienst, Partnerschaft, Anzahl und Alter der Kinder. Außerdem wurde nach Erwartungen und Zielen für Berufs- und Privatleben, nach der Lebenszufriedenheit, nach Einstellungen zu Geschlechtsrollen und zu Karriere gefragt.

Ich kann hier nicht auf die Vielzahl der Ergebnisse eingehen und beschränke mich daher auf die für mich zentralen Punkte. Der wesentliche, in den verschiedenen Studien in verschieden starker Ausprägung konstatierte Befund ist der sogenannte „Schereneffekt“. Er besagt, dass Frauen und Männer zu Beginn ihrer Berufslaufbahn dieselbe Ausgangsposition haben, Männer dann aber schneller und erfolgreicher Karriere machen als Frauen.

Im Allgemeinen sind Kinder das Haupt-Karrierehindernis für Frauen (während sie für Männer kein solches Hindernis darstellen). Falls sich – wie im Fall der untersuchten promovierten Mathematiker/-innen – die Karriereverläufe von Männern und Frauen eher wenig unterscheiden, dann liegt das auch daran, dass in dieser Personengruppe Frauen sehr selten Kinder haben.

Andererseits tragen Kinder und Partnerschaft für Frauen am meisten zur Lebenszufriedenheit bei (während für die Lebenszufriedenheit von Männern eine Partnerschaft extrem wichtig, Kinder aber weniger wichtig sind). Außerdem haben Frauen andere Vorstellungen von beruflichem Erfolg und von Karriere als Männer; Andrea Abele spricht in ihrem theoretischen Beitrag in Frauen und Männer in akademischen Professionen von „sanfter Karriere“.

Schereneffekt und sanfte Karriere

„Karriere“ wird üblicherweise gemessen am beruflichen Ansehen und an der Höhe des Gehalts. Legen wir diese Vorstellung von Karriere zu Grunde, so tritt der oben erwähnte Schereneffekt wie folgt zu Tage: Frauen und Männer schließen ihr Studium mit gleichem Erfolg und in der gleichen Zeit ab, auch ihr Selbstvertrauen hinsichtlich der zukünftigen Berufstätigkeit unterscheidet sich nicht. Dennoch steigen Männer häufiger und schneller in Führungspositionen auf, arbeiten in den höher angesehenen Berufsfeldern und verdienen bald mehr als Frauen. Männer machen also häufiger Karriere. Dieser Effekt tritt in den verschiedenen Bereichen verschieden stark in Erscheinung, z. B. weniger bei den oben erwähnten promovierten Mathematiker/-inne/n, stärker in der Medizin, wo Frauen z. B. nur zu ganz geringem Anteil in den prestigeträchtigen Gebieten wie Chirurgie oder Orthopädie tätig sind.

Neben dem schon genannten „Karrierehemmnis Kind“ könnte auch die Einstellung von Frauen zu Karriere bzw. Berufserfolg ein Grund für den Schereneffekt sein. Es zeigt sich nämlich, dass Frauen trotz ihres objektiv geringeren beruflichen Erfolgs häufig subjektiv genauso zufrieden mit Beruf und Karriere sind wie Männer. Männer sind im Allgemeinen stärker karriereorientiert als Frauen, und eine bereits am Ende des Studiums vorhandene starke Karriereorientierung führt in der Regel dazu, auch wirklich Karriere zu machen. Viele der befragten Frauen bevorzugen eine „sanfte Karriere“, in die von vornherein Familienphasen mit eingeplant werden, so dass dadurch bedingtes langsameres berufliches Vorankommen nicht als Karriererückschlag, sondern als erfolgreiche Lebensgestaltung empfunden wird.

Männerdomäne Mathematik?

In Traumjob Mathematik! werden Berufsverläufe von Absolvent/-inn/en der Diplomstudiengänge Mathematik, Wirtschaftsmathematik und Technomathematik, des Lehramtsstudiengangs Mathematik sowie von promovierten Mathematiker/-inne/n vorgestellt. Die oben genannten Befunde zum Karriereverlauf gelten auch hier – in unterschiedlicher Ausprägung für die verschiedenen Studiengänge.

Mathematik wird üblicherweise als „Männerdomäne“ angesehen. Dies stimmt nur bedingt. So sind heute ca. 50% der Anfänger/-innen eines Mathematikstudiums weiblich, dies entspricht der Frauenquote unter sämtlichen Studienanfänger/-inne/n. Allerdings schließen weniger Frauen als Männer das Studium ab, außerdem gibt es große Unterschiede zwischen den Studiengängen (im Jahr 2000: Diplomabsolventinnen 22%, Lehramtsabsolventinnen 61%).

Auch das Kapitel „Deutschland im internationalen Vergleich“ von Traumjob Mathematik! zeigt, dass Mathematik keine Männerdomäne ist, denn längst nicht in allen Teilen der Welt ist die Mehrzahl der Mathematikabsolvent/-inn/en männlich. Hier wird deutlich, dass die Wahrnehmung von Mathematik als etwas Männlichem (oder Weiblichem) vor allem vom gesellschaftspolitischen Umfeld abhängig ist.

Mathematikerinnen früher

Erstaunlicherweise war Mathematik früher, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, auch in Deutschland keine Männerdomäne. Als Frauen hier um 1900 erstmals zu einem Universitätsstudium zugelassen wurden, studierten sie sehr häufig Mathematik mit dem Ziel, Mathematiklehrerin zu werden. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war Mathematik unter den (noch relativ wenigen) Studentinnen überproportional beliebt. So waren 1932 nur 16% aller Studierenden weiblich, aber 22% aller Mathematikstudierenden.

Solche interessanten Tatsachen erfährt man im historischen Teil von Traumjob Mathematik!, der sich mit Mathematiker/-inne/n in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts befasst. Ausgesprochen spannend ist die Darstellung der Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland. Es wird geschildert, wie sich Frauen nach und nach den Zugang zu Gymnasien, Universitäten, zur Promotion und Habilitation verschafften.

Auch hier im historischen Teil werden Karriereverläufe von Frauen (und vergleichend von Männern) vorgestellt. Hierzu hat die Mathematikhistorikerin Renate Tobies u. a. 3040 Personalblätter preußischer Lehrer/-innen ausgewertet. Nur wenige Mathematikerinnen arbeiteten in der Industrie oder begannen eine wissenschaftliche Laufbahn, die meisten arbeiteten als Lehrerinnen. Wegen des Beamtinnenzölibats mussten sie bei der Heirat aus dem Beruf ausscheiden, d. h. die berufstätigen Frauen waren in der Regel unverheiratet.

Exemplarisch werden einige – auch weniger bekannte – Frauen ausführlicher vorgestellt, z. B. Grete Hermann, die Schülerin der berühmten Mathematikerin Emmy Noether war und nach einigen Umwegen 1950 im Alter von 49 Jahren Professorin an der PH Bremen wurde, und Ingeborg Ginzel, die als promovierte Mathematikerin in der Luftfahrtforschung arbeitete.

Schlussbemerkungen

Für mich als Mathematikerin macht die Mischung aus Ergebnissen aktueller empirischer Studien und Darstellung von historischen Berufsverläufen den besonderen Reiz von Traumjob Mathematik! aus. In meinem Seminar „Frauen in der Mathematik“ habe ich im WS 2003/04 einen aus demselben VW-Projekt hervorgegangen Zeitschriftenartikel besprechen lassen, daher weiß ich, dass dieses Thema auch bei Studierenden der Mathematik auf großes Interesse stößt.

Die beiden vorgestellten Bücher sind meines Erachtens für alle Akademiker/-innen interessant und gut lesbar. Auch wenn die Befunde der empirischen Studien nicht überraschend sind und keine Lösungsvorschläge für die vorhandenen Probleme gemacht werden, ist es doch immer wieder wichtig, sich die Gegebenheiten der unterschiedlichen Karriereverläufe und Karrierevorstellungen von Frauen und Männern bewusst zu machen. Als kinderlose Wissenschaftlerin habe ich mich an so mancher Stelle wiedererkannt.

URN urn:nbn:de:0114-qn053057

Prof. Dr. Andrea Blunck

Universität Hamburg, Fachbereich Mathematik

E-Mail: andrea.blunck@math.uni-hamburg.de

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