Männlichkeiten von rechts

Rezension von Marc Gärtner

Oliver Geden:

Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs.

Eine qualitativ-empirische Untersuchung.

Opladen: Leske + Budrich 2004.

133 Seiten, ISBN 3–8100–4100–9, € 14,90

Abstract: Oliver Geden, Doktorand am Institut für europäische Ethnologie der Humboldt Universität Berlin untersucht Männlichkeitskonzepte im zeitgenössischen Rechtspopulismus – ein Thema, zu dem überraschend lange keine einschlägigen Studien vorlagen. Anhand von Parteimedien und Interviews rekonstruiert er strategische Positionen zu Männlichkeit und Geschlechterverhältnissen auf unterschiedlichen Organisationsebenen der Österreichischen „Haider-Partei“ FPÖ. Statt eines monolithischen „Neo-Macho-Projektes“ findet er im Kern zwar ähnliche Traditionalisierungsbemühungen auf allen Ebenen, je nach Kontext aber differenzierbare pragmatische, verunsicherte und neo-naturalistische Perspektiven auf die Geschlechterthematik. Durch die Einbeziehung von Gruppeninterviews im Nachwuchsverband der Partei erhält die Publikation eine besondere Brisanz. Geden analysiert die methodischen und forschungsethischen Implikationen ebenso hervorragend wie das Kernthema selbst.

Eine Forschungslücke

Die Frage, was Aktivist/-inn/en motiviert, sich in einer weit rechts stehenden Partei zu engagieren, wie sich das alltägliche „doing politics“ in solchen Organisationen gestaltet, wird in der Rechtsextremismusforschung nur selten gestellt. Auffällig ist, dass Parteien der äußersten Rechten konstant zu 60 bis 70% von Männern gewählt werden, die Männeranteile bei den Funktionären weitaus höher liegen als bei Parteien des politischen Mainstreams. Während einzelne Studien sich schon weiblichen Funktionärinnen widmeten, bestand in Bezug auf die offenkundige Attraktivität des Rechtsextremismus für Männer bis dato eine große Forschungslücke.

Oliver Geden hat nun die erste qualitativ-empirische Studie vorgelegt, die einen Teilbereich des „Männerphänomens“ Rechtsextremismus auch männlichkeitstheoretisch untersucht. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist aus dieser Perspektive nicht nur aufgrund ihrer statistischen Geschlechterverhältnisse von besonderem Interesse. Dem – mal formellen, mal informellen – Parteiführer Jörg Haider attestiert der Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer, er vertrete ein „Neo-Macho-Projekt, das in der Welt des ‚verunsicherten Mannes‘ großen Anklang findet“ (Freitag 24/2002). Darüber hinaus war der zwischenzeitliche FPÖ-Parteiobmann Herbert Haupt eine Legislaturperiode lang nicht nur Frauenminister, er steht bis heute auch dem Familienministerium vor. Als seine Staatssekretärin fungiert die derzeitige Parteichefin, Haiders Schwester Ursula Haubner. In der österreichischen Geschlechterpolitik nehmen die Freiheitlichen somit gegenwärtig eine federführende Rolle ein.

Zwischen selbstbewusster Re-Traditionalisierung und habitueller Verunsicherung

Wie aber untersucht man Männlichkeitsdiskurse in einer Partei, noch dazu einer so polarisierenden? Neben Medienanalysen zweier „freiheitlicher“ Periodika führte der Autor eigens Gruppendiskussionen mit FPÖ-Funktionären zu ihrem Männlichkeitsverständnis durch. Die FPÖ wird in der Untersuchung also auf mehreren Ebenen daraufhin befragt, welche Konstruktionen von Männlichkeit in ihr diskursiv (re-)produziert werden.

Die untersuchten Periodika propagieren übereinstimmend eine Re-Traditionalisierung des Geschlechterverhältnisses, allerdings mit unterschiedlichen Stoßrichtungen. Da sich ihr Wirkungsfeld deutlich unterscheidet, sie in verschiedenen politischen Sphären lokalisiert sind, verfolgen die jeweiligen Herausgeber spezifische Strategien der Thematisierung der Kategorie Geschlecht.

Als offizielles Parteiorgan bleibt die Neue Freie Zeitung auf diejenigen Themenfelder fokussiert, die im politischen Alltagsgeschäft von Relevanz sind. Da „Männerpolitik“ kein etabliertes Politikfeld darstellt, trotz der zwischenzeitlichen Einrichtung einer „Männerpolitischen Grundsatzabteilung“ durch Familienminister Haupt, werden Männer im Rahmen einer „freiheitlichen Geschlechterpolitik“ nie als eigenständige Zielgruppe behandelt. Ihre gesellschaftliche Position wird nur selten einmal hinterfragt, der Veränderungsbedarf immer auf Seiten der Frauen konstatiert. In der Auseinandersetzung der FPÖ mit der Kritik der Oppositionsparteien wird deutlich, dass die Partei in Bezug auf Männer primär eine Strategie der De-Thematisierung verfolgt und damit den Status quo festzuschreiben versucht. Der Geschlechterdiskurs der rechtsintellektuellen Wochenzeitung Zur Zeit (die nicht von der FPÖ selbst, sondern von ihrem derzeit einzigen EU-Parlamentarier Andreas Mölzer herausgegeben wird) thematisiert hingegen ausdrücklich auch die Lebenslagen von Männern. Diese werden als eine durch den Feminismus diskriminierte Gruppe dargestellt, frauenpolitische Maßnahmen als gesellschaftsschädigende Folgen einer „gleichheitsorientierten Sozialmoral“ diffamiert. Die im deutschnational-burschenschaftlichen Milieu verankerte Zur Zeit propagiert eine radikale Trennung der gesellschaftlichen Wirkungsbereiche von Männern und Frauen. Die Autor/-inn/en treten offensiv für ein traditionelles Ideal von Männlichkeit ein. Männer sollen ihr (Geschlechts-)Handeln wieder in den Dienst von Volk und Vaterland stellen, eine Forderung, die explizit auch an die jüngere Generation gerichtet ist, die weitgehend vom „rechten“ Weg abgekommen sei.

Dieser Generation von Männern begegnet Geden auch in der Jugendorganisation der Partei, dem Ring Freiheitlicher Jugend. Der mittels Gruppendiskussionen herausgearbeitete Alltagsdiskurs der Funktionäre verweist deutlich auf generationsspezifische Brüche und Unsicherheiten in der Selbstwahrnehmung als Männer. Er zeigt zugleich aber auch, dass die Deutungen des eigenen alltäglichen Geschlechtshandelns eng mit der Parteiideologie verknüpft werden. Auf Basis einer nur noch prekären habituellen Sicherheit erfolgt eine Orientierung am Ideal einer polaren Geschlechterordnung, in der Männer keiner kritischen Hinterfragung mehr ausgesetzt sind. In ihren Thematisierungen des Mann-Seins gehen die Jung-Funktionäre weit über den engen Themenkanon der Partei hinaus, grenzen sich zudem auch deutlich von parteiinternen Maßnahmen zur Förderung und Sichtbarmachung von Frauen ab, die sie für ungerechtfertigt halten und von denen sie sich benachteiligt fühlen. Andererseits können sie als Angehörige ihrer Generation nicht mehr auf Geschlechterarrangements zurückgreifen, in der die Position des Mannes unangefochten wäre.

Anstatt mit der Erwartungshaltung heranzugehen, das Geschlechterkonzept der FPÖ müsse sich kohärent aus ihren ideologischen Grundlagen ableiten lassen, begreift der Autor die FPÖ primär als eine spezifische politische – und damit Wissen produzierende – Organisation, an die hinsichtlich ihrer Vergeschlechtlichung im Grunde zunächst die gleichen Fragen zu stellen wären wie an jede andere Organisation. Im Rückgriff auf neuere männlichkeitstheoretische Arbeiten (insbesondere Michael Meusers) betont er etwa die Bedeutung der Zugehörigkeit der Akteure zu spezifischen Milieus, Lebenswelten und Generationen und deren starken Einfluss auf Geschlechterkonstruktionen. Dabei übersieht er nicht die Spezifika der FPÖ, unterscheidet aber deutlich zwischen den Bedingungen der Produktion von Wissen über die Geschlechterverhältnisse auf verschiedenen Ebenen der Partei. Geden hat nicht den Anspruch, das Männlichkeitsideal des Rechtsextremismus herauszuarbeiten, er hielte dies auch schlichtweg für unmöglich, da sich diese Männlichkeitsideale immer als kontextgebunden erweisen und der ideologische Background darin nur ein Aspekt ist. Er begreift seine Arbeit nur als einen ersten Schritt zur Erweiterung des Blicks auf die Vergeschlechtlichung der FPÖ, aber auch auf die politischer Organisationen insgesamt.

Qualitative Forschung in rechtsextremen Organisationen

Nun ist es nicht so, das rechtsextreme bzw. rechtspopulistische Organisationen darauf warten würden, hinsichtlich ihres Männlichkeitsverständnisses befragt zu werden. Der Weg dorthin ist recht kompliziert. Zumal dann, wenn der Forscher aufgrund seiner Veröffentlichungen bereits als politischer Gegner und damit als relevanter Akteur im politischen Spiel identifiziert wird. Neben der Beantwortung inhaltlicher Fragen ist es deshalb das zweite Hauptanliegen des Autors, Wege aufzuzeigen, wie man in „umkämpften Feldern“ wie dem Rechtsextremismus qualitativ-empirisch arbeiten kann, wie man sich dort überhaupt als Forscher bewegen kann. Denn die bislang ungelösten Zugangsprobleme – auch das offenkundige Zurückscheuen vor dem Forschungsobjekt – scheinen ihm der wesentliche Grund dafür, dass bestimmte Fragen an den Rechtsextremismus gar nicht erst gestellt werden, weil sie von vornherein als nicht beantwortbar gelten.

Oliver Gedens Studie wird von der Wiener Ethnologin Katerina Kratzmann zu Recht als „schlaues kleines Buch“ (H-Soz-u-Kult, 02.03.2004) gewertet. Sie ist nicht nur hervorragend ausgearbeitet, sondern gleichzeitig dicht und übersichtlich. Der rudimentäre Forschungsstand zu Männlichkeit im Rechtsextremismus wird nicht nur dargestellt, der Autor geht auch der Frage nach, warum er derart lückenhaft beschaffen ist und reflektiert ausführlich die forschungspraktischen Bedingungen, unter denen qualitativ-empirische Forschungen in „umkämpften Feldern“ durchgeführt werden können. Buch und Autor sind eine intensive und breite Rezeption zu wünschen.

URN urn:nbn:de:0114-qn053153

Marc Gärtner

Dissens e.V., Abteilung EU-Forschung, Berlin

E-Mail: marc.gaertner@dissens.de

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