Elisabeth Badinter:
Die Wiederentdeckung der Gleichheit.
Schwache Frauen, gefährliche Männer und andere feministische Irrtümer.
Berlin: Ullstein 2004.
192 Seiten, ISBN 3–550–07592–8, € 18,00
Abstract: Die Wiederentdeckung der Gleichheit ist ein vehementes Plädoyer für die Rückkehr zum Gleichheitsfeminismus und die Abkehr von jeglichem Differenzdenken.
Das Buch ist eine Kampfschrift. Elisabeth Badinter ist angetreten, den Feminismus zu retten – der französische Titel Fausse Route macht das sehr deutlich. Im Prolog formuliert sie ihre Enttäuschung darüber, dass nach den verheißungsvollen Anfängen der siebziger Jahre der Feminismus für junge Frauen heute kaum noch ein Thema ist. Dies führt sie darauf zurück, dass die Frauen abgekommen seien vom Weg der Gleichheit und sich selbst in eine Falle manövriert hätten, in der die alten Geschlechtsrollen wieder greifen. Schuld daran sind nach Badinter die Vertreterinnen der Differenztheorie.
Badinter ist eine kompromisslose Vertreterin des Gleichheitsfeminismus in der Tradition von Simone de Beauvoir. Sie vertritt einen liberalen Subjekt- und Freiheitsbegriff: wenn einmal gleiche Rechte erkämpft sind, liegt es an der Frau, sich in der Gesellschaft zu behaupten. Die Fronten sind klar: am Anfang war der Feminismus, dem es um Gleichberechtigung ging, und dieser Feminismus hatte in den achtziger Jahren eine „stolze Bilanz“ (S. 11) vorzuweisen: immer mehr Frauen waren berufstätig und finanziell unabhängig, und, offensichtlich auch ein positiver Aspekt, „die Zahl der Scheidungen nahm unaufhörlich zu“ (S. 11).
Und dann ging es bergab. Zwar gesteht Badinter zu, dass auch Wirtschaftskrisen und mangelnde Veränderungsbereitschaft der Männer zum Abbremsen der Entwicklung beigetragen haben könnten. Die Hauptschuldigen aber entdeckt sie in den Reihen der Frauen selbst: es sind die Differenzdenkerinnen, die Vertreterinnen eines „defensiven Feminismus“ (S. 128), die angeblich die Speerspitze der Tendenz zur „Viktimisierung“ (S. 17) bilden. Ungenau bleibt sie bei der Frage, wo genau sie ihre Gegnerinnen verortet. Anfangs ist nur die Rede vom „feministischen Diskurs, wie er heute über die Medien verbreitet wird“ (S. 18). Sie arbeitet sich aber auch seitenlang an amerikanischen Radikalfeministinnen wie Andrea Dworkin und Catharine MacKinnon ab, obwohl diese, wie sie selbst sagt, in Frankreich kaum rezipiert worden sind. Eher am Rande bezieht sie sich auf Luce Irigaray, sehr ausgiebig kritisiert sie dagegen die staatliche Frauenpolitik. Dann wendet sie sich wieder pauschal gegen „den gegenwärtigen Feminismus“, der „die Frauen zu Opfern erklärt“ (S. 21).
An drei großen Themenkomplexen macht Badinter ihre Kritik deutlich: Gewalt, Sexualität und Mutterschaft. Dabei vertritt sie Ansichten, die ihr in Frankreich massive Kritik eingebracht haben. Aus der klassischen liberalen Position heraus argumentiert sie, dass die Prostitution nicht problematisch sei: schließlich handele es sich um einen Vertrag zwischen autonomen Subjekten. Sie geht auch davon aus, dass sich ja wohl jede Frau gegen unerwünschte sexuelle Avancen wehren könne, dass daher alle Diskussionen und Maßnahmen zum Thema sexuelle Belästigung überflüssig seien. Ihr Menschenbild des voraussetzungslos freien Individuums hindert sie daran, Phänomene wie strukturelle Gewalt gegen Frauen und den ganzen unübersichtlichen Untergrund der Geschlechterverhältnisse überhaupt wahrzunehmen. Einzig die Vergewaltigung lässt sie als sexuelle Gewalt gelten, bei allen anderen Formen sexueller Übergriffe sieht sie die „Grenze zwischen objektiver Realität und subjektiver Einbildungskraft“ (S. 27) verwischt. Selbstverständlich sind die Grenzen hier sehr schwer zu ziehen, nur: genau deshalb muss darüber in der Gesellschaft verhandelt werden. Mit ihrem Glauben an Rationalität und Objektivität verwickelt Badinter sich immer wieder in Widersprüche. So prangert sie den interessegeleiteten Umgang mit Statistiken an, zieht selbst aber große Mengen an Studien heran, um ihre Überzeugungen zu stützen, und diskrediert Untersuchungsergebnisse, die nicht in ihre Argumentation passen, kurzerhand als „wenig überzeugend“ (S. 37).
Allen Einwänden zum Trotz muss zugestanden werden, dass Badinter zwei Aspekte herausarbeitet, die in der Tat problematisch sind: die Tendenz, Frauen als „unschuldige Kinder“ (S. 40) zu sehen, die Zuflucht bei der Justiz suchen müssen, und die gelegentlich vorkommende pauschale Anklage gegen die männliche Sexualität. Beide Tendenzen bergen die Gefahr, sich das deterministische Weltbild der Evolutionspsychologie zu eigen zu machen. Auch hier verwickelt Badinter sich aber in Widersprüche. Während sie einerseits fortwährend den Biologismus mit seiner Neigung zur Bestätigung konservativer Rollenmuster geißelt, fällt ihr in dem Abschnitt, in dem es um das Verständnis von Sexualität heute geht, nichts besseres ein als zu behaupten, die Welt der Triebe sei nun einmal zeitlos und unveränderlich und es sei daher vollkommen absurd, an der sexuellen Ordnung etwas ändern zu wollen, womöglich gar durch Versuche, die Männer umzuerziehen. Spätestens hier schwingt sie sich auf zur unerschrockenen Verteidigerin der bedrohten Männlichkeit.
Sie prangert die „neue feministische Moral“ (S. 91) als prüde an und stellt ihr die bunte Welt der tabulosen Sexualität entgegen, wie sie heute angeblich gelebt wird. Badinter übernimmt kritiklos die Männerlogik von sexuell befreiter (williger) Frau hier und verklemmter Feministin da. Das komplizierte Dilemma der Frauen zwischen dem Wunsch, ihre Lust zu leben, und der Schwierigkeit, dabei nicht in der männlich geprägten sexuellen Ordnung unterzugehen, reduziert sie auf die schlichte Frage des Mitmachens oder Verweigerns.
Beim Thema Mutterschaft kritisiert Badinter vor allem die wieder in Mode gekommene Betonung des „Mutterinstinkts“, in dessen Namen Frauen ins Haus gezwungen werden oder sich selbst zwingen. Das „Wundermittel“ (S. 157) der Teilzeitarbeit, die sich gerade noch so mit den Anforderungen an eine „gute Mutter“ vereinbaren lässt, hält sie zu Recht für eine böse Falle, da es zu massiven Benachteiligungen bei Einkünften, Renten und Karriere führe.
Die Wiederentdeckung der Gleichheit ist ein problematisches Buch. Zwar trifft Badinter durchaus einen Nerv, ihre Kernfrage, ob der Feminismus auf Abwege geraten sei, ist nicht völlig unbegründet. Auch wenn ihre Formulierung von der „Jagd auf die männliche Herrschaft“ (S. 49) etwas reißerisch ausfällt, ist ihre Beobachtung doch nicht ganz falsch, dass Männer sich verstärkt als Opfer des feministischen Diskurses fühlen, obwohl ihre reale finanzielle und politische Macht fast ungebrochen ist. Das könnte darauf hinweisen (wie Badinter annimmt), dass hier Energien in fruchtlosen Kämpfen vergeudet werden. Es könnte allerdings auch bedeuten, dass sich ganz einfach männlicher Widerstand gegen eine mögliche Transformation der Geschlechterbeziehungen regt.
Problematisch an Badinters Buch ist vor allem ihr großer Hang zur Simplifizierung. Wir leben nun einmal in einer geschlechterpolarisierten Gesellschaft, in der es notwendigerweise Differenzen in unserer ganzen Existenzweise gibt. Dem feministischen Dilemma zwischen dem Anspruch, falsche Naturalisierungen zu entlarven einerseits und positive Konzepte weiblicher Subjektivität und feministischer Politik zu entwickeln andererseits, versucht sie zu entgehen, indem sie auf die „klassische“ Option der Gleichheit setzt und jegliche Differenz jenseits der biologischen leugnet. Dabei verfällt sie einem unkritischen Androzentrismus und zeigt zugleich ihre konservative Grundhaltung. Indem sie das Differenzdenken reduziert auf Vorstellungen, nach denen Frauen wegen ihrer Mütterlichkeit die besseren Menschen und gleichzeitig schwach und schützenswert seien, unterschlägt sie dessen subversive Seite, die etwas zu tun hat mit Distanz zur bestehenden Ordnung und mit Machtkritik. Badinter stellt diese Ordnung nicht im Geringsten in Frage, sie möchte nur, dass die Frauen mehr daran teilhaben.
URN urn:nbn:de:0114-qn062200
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