Margret Karsch:
Feminismus für Eilige.
Berlin: Aufbau 2004.
216 Seiten, ISBN 3–7466–2067–8, € 7,50
Abstract: Feminismus für Eilige will, der Titel deutet es an, einen raschen Überblick über Geschichte und Theorie der feministischen Bewegung(en) sein. Margret Karsch leitet her, aus welchen politischen Fragen die Frauenbewegung entstanden ist, welche wesentlichen Strömungen es gibt und mit welchen theoretischen Grundlagen und Strategien diese hantieren. Ihr ist ein instruktives, gut lesbares Buch gelungen, das als Einführung mit zahlreichen Namen und Daten glänzt.
Margret Karsch präsentiert in ihrem Buch Feminismus für Eilige überblicksartig die Entwicklung und die verschiedenen Spielarten des Feminismus anhand seiner wichtigsten Protagonist/-innen. Dabei geht Karsch sowohl intensiv auf die Geschichte der Frauenbewegung und die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse ein als auch auf die unterschiedlichen theoretischen Konzepte feministischer Kritik.
Einleitend stellt Karsch die Frage, was denn Feminismus sei, und holt zur Beantwortung weit aus: Sie beginnt bei den Anfängen der Frauenbewegung, deren Entwicklung sie chronologisch für Europa und Nordamerika nachzeichnet. Es wird deutlich, dass feministische Ideen jeweils im Zug allgemeiner Freiheitsbewegungen des Volkes entstanden; das, was Männer für sich forderten, wollten Frauen auf alle Menschen ausweiten. In beiden Teilen der Welt wurde die durch die Industrialisierung entstandene Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, die Trennung des öffentlichen und privaten Bereichs, kritisiert, weil sich darin die Unterdrückung der Frau manifestiere.
Karsch bemängelt, dass Männer zwar das Frauenbild von der Mutter und Hausfrau zur Arbeiterin wandeln könnten, aber nur in dem Maße, wie es für ihre eigenen Zwecke sinnvoll erscheine. Auch der 1947 im Grundgesetz festgehaltene Gleichheitsgedanke zwischen Männern und Frauen sei nicht durchweg als Erfolg, sondern auch mit Skepsis zu betrachten. Denn tatsächlich sah es so aus, dass Frauen weiterhin von ihren Männern dominiert wurden; Frauen durften beispielsweise auch nachdem die Gleichstellung beschlossen war, nur mit der Zustimmung ihres Mannes einer Berufstätigkeit nachgehen. Diente hier die Gleichstellung per Gesetz eher den Männern, da die Frauen so beruhigt werden sollten? So durften Frauen in Kriegsjahren in begehrte Positionen vorrücken, würden aber bei der Rückkehr der Männer von der Front erneut in die häusliche Domäne zurückgedrängt.
Während der Studentenbewegung fingen Frauen erneut an, gegen die männlichen Strukturen zu kämpfen. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand hier der Körper der Frau als ihr persönliches Eigentum. Ausdruck dessen waren insbesondere die Proteste gegen den § 218. Leider brachte die Protestwelle nicht den gewünschten Erfolg: „Sexuelle Befreiung ja, gleiches Mitspracherecht nein, das war die bittere Erkenntnis“ (S. 100) – Die Frauenrechtlerinnen der 68er fanden in der Gesellschaft nicht das gewünschte Gehör. Obwohl Karsch sich an dieser und anderer Stelle über das Patriarchat beschweren könnte, bleibt sie insgesamt in ihrer Darstellung sachlich und ausgewogen.
Den patriarchalischen Ansichten der Männerwelt traten die Vertreterinnen der Frauenbewegungen nicht geschlossen entgegen, führt Karsch aus. „Zu keinem Zeitpunkt lässt sich von einem einheitlichen Feminismus reden, dessen Definition weltweite Gültigkeit besäße – mittlerweile haben die Feministinnen erkannt, dass Einheitlichkeit nicht unbedingt ein erstrebenswertes Ziel ist: Frauen stammen aus unterschiedlichen Kulturen und gesellschaftlichen Zusammenhängen, die sie oft stärker prägen als das Geschlecht.“ (S. 56)
Karsch klassifiziert drei Strömungen, die zwar verschiedene Strategien verfolgen würden, sich aber nicht immer voneinander trennen ließen: „Erstes der radikale, zweites der sozialistische und marxistische, drittens der liberale Feminismus.“ (S. 140) In überzeugender konzeptioneller Gestaltung verbindet Karsch diese Grundhaltungen mit den verschiedenen Ansätzen feministischer Theoriebildung.
Zunächst bestimmt Karsch die Differenz zwischen sex und gender, zwischen biologischem und sozialem Geschlecht. Weiterhin müsse differenziert werden zwischen dem Gleichheits- und dem Differenzansatz. Der Differenzansatz gehe von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen aus, bewerte aber die spezifische Frauenrolle positiver als es der allgemeine Diskurs tue. Der Gleichheitsansatz sehe außer der biologischen Diskrepanz keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Aus dem Differenzansatz entwickelt sich z.B. die Vorstellung eines weiblichen Schreibens, das sich aufgrund der verschiedenen Lebens- und Schaffensbedingungen von Frauen grundsätzlich von dem männlicher Autoren unterscheidet. Frauen sollten sich nicht männlichen Mustern unterwerfen, fordern Vertreterinnen der écriture féminine, die auch vermeintliche Eindeutigkeiten dekonstruieren. Cixous, Irigaray und Kristeva kritisieren Freud und Lacan, legt Karsch dar, weil diese in ihrer Psychoanalyse ausschließlich die männliche Perspektive vertreten würden und spezifisch weibliche Entwicklungsmuster außer Acht ließen. (vgl. S. 122 f.) Neben anderen stellt Karsch die Theorie Kristevas ausführlich dar, die sich sowohl gegen den Gleichheits– als auch den Differenzansatz ausspreche. Sie untersuche multiple Identitäten, thematisiere das Verhältnis von Identität und Differenz und entlarve „Frau“ als ein politisches Konzept. Karsch versteht es, auf wenigen Seiten knapp und verständlich einen roten Faden durch die unübersichtliche Vielfalt theoretischer Ansätze zu legen.
Auch in der Gegenwart werden, wie Karsch betont, Frauen noch diskriminiert. Sie haben im Bildungssektor zwar mit Männern mehr als gleichgezogen, erlangen jedoch nicht in demselben Ausmaß wie Männer Spitzenpositionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
Karsch geht auf die überproportional hohe Quote der durch Männer vorgenommenen sexuellen Gewalt gegenüber Frauen ein, auch hier bleibt sie sachlich und stellt die Fakten in den Vordergrund. Frauen würden häufig als Objekte betrachtet werden, was sich in der großen Bandbreite der Pornografie und Prostitution widerspiegele, kritisiere insbesondere Alice Schwarzer.
Zu ihrem eigenen Bedauern stellt Karsch fest: „ Feminismus ist out, Anti–Feminismus in? Nicht einmal das. Zu oft ist Feminismus gar kein Thema mehr, weder positiv, noch negativ. Kein Grund zum Streiten jedenfalls.“ (S. 192) Sie verweist auf Frauenhandel, Zwangsprostitution, Sextourismus und andere Phänomene der Frauendiskriminierung, die weiterhin existieren und verschwiegen werden. Die Feminismusdebatte an sich habe zu früh ausgesetzt, um auch diesen Missständen eine nachhaltige Kritik entgegenzusetzen.
Der Titel Feminismus für Eilige verspricht zunächst eine schnelle Einführung in die Geschichte und Theorien des Feminismus, eben einen Rundumblick. Diesem Anspruch wird Karschs Werk, wie wir, die wir uns als Studierende im Grundstudium vorher im Thema nicht auskannten, aus eigener Leseerfahrung bestätigen können, im Großen und Ganzen gerecht. Sie stellt gekonnt die verschiedenen Ansätze und Entwicklungen dar und weist nach, dass es unmöglich ist, den Feminismus auf eine Richtung festzulegen. Wissenschaftlich ungeübte Leser/-innen können sich jedoch leicht von dem großen Umfang an Namen und Daten erschlagen fühlen. Diese bilden jedoch die fundierte Grundlage für Karschs Ausführungen und sind somit unerlässlich. Das angehängte Glossar liefert zusätzliche Worterklärungen und eine Synopse zu den wichtigsten Eckdaten zur Frauenemanzipation. Insbesondere das Glossar ist hilfreich, hätte für Einsteiger/-innen aber gerne noch mehr Begriffe aufführen können.
Sowohl bei der Aufarbeitung der feministischen Vergangenheit als auch bei der Auseinandersetzung mit der Gegenwart zeigt sich das Buch von seiner informativen und gesellschaftskritischen Seite. Karsch hebt zwar die bisherigen Leistungen der Frauenemanzipation hervor, betont aber gleichzeitig, dass der Feminismus in den letzten Jahren rückläufig war und dass dieser Tendenz unbedingt entgegengewirkt werden müsse. So gibt das Buch Denkanstöße und rüttelt durch Provokation den Leser und auch die Leserin auf. Insgesamt handelt es sich um ein instruktives, gut lesbares Buch, dessen besonderes Verdienst es ist, Sozialgeschichtliches, feministische Theorie und aktuelle Debatten in einem Band darzustellen.
URN urn:nbn:de:0114-qn062187
Katharina Mickler
Studentin des Lehramts an Gymnasien in den Fächern Deutsch und Werte und Normen
E-Mail: ina-mickler@web.de
Kai Peters
Student des Lehramts an Gymnasien in den Fächern Deutsch und Sport
E-Mail: kayaschischa@hotmail.com
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