Alfred Erck, Hannelore Schneider:
Adelheid. Die Meiningerin auf dem englischen Königsthron.
Ein Frauenschicksal während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
2., überarbeitete Auflage. Meiningen: Bielstein 2004.
160 Seiten, ISBN 3–9809504–0–9, € 19,80
Abstract: Mit diesem Buch über die Kindheit, Jugend- und Ehezeit der Prinzessin Adelheid (1792–1849) aus dem Herzogtum Sachsen-Meiningen verfolgen Alfred Erck und Hannelore Schneider auf der Grundlage von zahlreichen englischen und vor allen Dingen Meininger Quellen die Spuren einer thüringischen Prinzessin, die durch die Heirat mit dem späteren englischen König William IV. zu einer Vertreterin der größten Weltmacht emporstieg. Erck und Schneider machen den Werdegang dieser elitären, aber dennoch wenig bekannten Prinzessin und späteren englischen Königin erstmals einem breiteren Publikum bekannt. Diese Arbeit liefert sowohl einen Einblick in ein Stück Regional- als auch in ein Stück Weltgeschichte, aber vor allen Dingen in „ein Stück englischer Geschichte aus Meininger Sicht „ (S. 4). Dieser Königin, die offiziell ab 1830 Queen Adelaide hieß, verdankt, neben anderen, die australische Stadt Adelaide ihren Namen.
Das Buch ist neben Vorwort und Epilog in vier große chronologische Kapitel gegliedert, in denen detailliert und facettenreich das Leben von Adelheid im Herzogtum Meiningen und in England präsentiert werden. Der kenntnisreiche Umgang mit Dokumenten, Briefen, Bildern und das Heranziehen von Akten und Briefen von Privatpersonen aus der Stadt Meiningen und aus der Region schaffen die Grundlage dafür, dass Adelheid und ihrer Familie der Platz in der Geschichte eingeräumt wird, der ihnen gebührt. Zugleich wurden englische Biographien mit Meininger Chroniken verglichen, was der Arbeit große Authentizität verleiht. Erck und Schneider kritisieren zu Recht, dass sich um Adelheid bislang nur englische Historiker und Biographen bemüht hätten und von diesen bisher nur Archive des britischen Königshauses ausgewertet worden seien. (vgl. S. 3).
Adelheid Amalie Luise Therese Caroline von Sachsen-Meiningen wurde am 13. August 1792 im thüringischen Meinigen als Tochter des Herzogs Georg I. und seiner Frau Luise Eleonore von Hohenlohe-Langenburg geboren. Adelheid sei in ganz besonderer Weise ein Kind ihrer Zeit und Heimat gewesen, Erck und Schneider vermuten eine Vorbildfunktion der Eltern für Adelheids künftiges Verhalten. Ihr Vater galt als einer der progressivsten deutschen Fürsten, „der auf seine Weise den Prinzipien des aufgeklärten Absolutismus anhing.“ (S. 5). Er legte Wert auf Bildung aller, besonders auch seiner eigenen Kinder. Adelheid wurde auf vielen Gebieten unterrichtet und lernte Sprachen, z. B. Englisch und Französisch. Sie konnte die Bekanntschaft von bedeutenden Persönlichkeiten ihrer Zeit machen. Ihre Mutter und ihre Großmutter, Charlotte Amalie, die sehr gebildete und kulturell engagierte Frauen ihrer Zeit waren, hatten nach dem Tode ihrer Ehemänner jeweils als Stellvertreterinnen für ihre minderjährigen Söhne die Regentschaft über das Herzogtum Sachsen-Meiningen übernommen. Diese Vorbilder hätten Adelheid vor allen Dingen gelehrt, eigene Interessen hinter die von Staats- oder Familieninteressen zu stellen.
Im Alter von 25 Jahren, einem Alter, in dem Frauen schon aus dem besten Heiratsalter heraus und Adelheids Heiratschancen wegen kriegerischer Auseinandersetzungen, eingeschränkter Besuchsreisen und chronischem Geldmangel erheblich gemindert waren, da „platzte aus heiterem Himmel die Anfrage aus London herein, ob die Meininger Prinzessin den heißesten Antrag auf den Thron aller Briten, William Henry, Herzog von Clarence anzunehmen bereit sei“. (S. 24). Sie sollte einen Mann heiraten, der so alt war wie ihre Mutter und in einer vorangegangenen morganatischen Ehe mit einer bereits verstorbenen Schauspielerin zehn nicht erbberechtigte Kinder gezeugt hatte. Ihre vordringlichste Aufgabe in dieser Ehe sollte es sein, diesem Herrscher, der ohne legitime Nachkommen war, Kinder zu gebären. Adelheid war nicht begeistert, sogar sehr unglücklich über diesen Antrag und überließ die Entscheidung ihrer Mutter: „Nur die Mutter könne, so hat Adelheid in ihrem Brief wiederholt ausgedrückt, abwägen, ob der Antrag angenommen werden müsse, weil es zu Bernhards Glück nötig ist“ […] (S. 25). Sie fügte sich der Entscheidung der Mutter zur Ehe und war bereit, sich für die Familie und besonders für den Bruder Bernhard, den künftigen Herzog, zu „opfern“, indem sie ihm durch diese Heirat „Konnexionen“ verschaffen wollte. Dies empfand sie als ihr „Schicksal“. Ihre Heirat 1818 mit dem Herzog von Clarence bezeichnete sie stets als „Opfergang“ zum Wohle von Land und Bruder. Hier ist Adelheid ganz die gehorsame Tochter und Schwester, die ihre persönlichen Gefühle und ihr Glück für diese Heirat verleugnet und eigene Interessen hinter die von Staats- oder Familieninteressen stellt. Jung, unschuldig und gebärfähig wurde Adelheid wie ein kostbares Gut zum besten Nutzen der Familie und Dynastie verheiratet.
Im Juli 1818 heiratete Adelheid William Henry (1765–1837) Herzog von Clarence, der ab 1830 als William IV., König von Großbritannien, das Vereinigte Königreich regierte. Die englische Königsfamilie, in die Adelheid einheiratete, war zerstritten und die britische Gesellschaft tief gespalten. In dem Kapitel über die ersten Ehejahre gehen Erck und Schneider intensiv auf die Hochzeitsfeierlichkeiten, das gespannte Verhältnis der Eheleute und die gesellschaftspolitische Lage in England mit vielen Quellenangaben und Bildern aus jener Zeit ein. Ihre Ehe habe mit einer „quälenden Hochzeit“ (S. 36) begonnen; ihre oberste Pflicht habe darin bestanden, dem „schon ältlichen Manne lebensfähige und lebenstüchtige Kinder zu schenken. Das hatte im Wettbewerb mit den anderen deutschen Prinzessinnen zu geschehen, die von den Brüdern ihres Mannes zum gleichen Zwecke geehelicht worden waren“. (S. 32). Sie gebar zwei Töchter, Charlotte Augusta (1819) und Elizabeth (1820–21), die nur kurz lebten, und auch eine spätere Schwangerschaft mit Zwillingen endete mit einer Totgeburt (1822), somit blieb ihre Ehe kinderlos. Neben gesellschaftlichen Verpflichtungen und Theaterbesuchen betrieb sie ihre Integration als „Vice Queen“ (S. 50) in die englische Oberschicht. Sie unternahm in dieser Zeit eine Reise in ihre Heimat, zeigte sich dort für heimatliche Belange sehr spendenfreudig. Es erschien der Eindruck, fügen Erck und Schneider an, als wolle sie ihre Mitgift, die seinerzeit das Herzogtum stark in Mitleidenschaft gezogen hatte, zurückerstatten.
William Henry wurde nach dem Tode seines Bruders 1830 zum König William IV. gekrönt, und Adelheid wurde Königin von Großbritannien und Irland. Nicht als Freude, sondern als Last bezeichnete Adelheid diese Aufgabe. In dem diese Zeit betreffenden Teil des Buches benötigen der Leser und die Leserin sehr gute Kenntnisse der englischen Geschichte, um dem Geschehen gedanklich folgen zu können. In dieser Epoche ereigneten sich Veränderungen, in die Adelheid zusehends verwickelt wurde. Adelheids Rolle änderte sich gravierend, denn sie wurde „zu einer offiziellen und staatsrepräsentierenden Person“ (S. 58). Die Presse verschonte sie nicht mit Unterstellungen und Verleumdungen, Politiker und Gesellschaft beobachteten Adelheid und William IV. argwöhnisch. Adelheid sei ränkesüchtig gewesen und habe einen „obskuren Einfluss“ am Hofe ausgeübt. (S. 62). Wegen ihrer Kinderlosigkeit wurden beide nur als „Übergangsregenten“ angesehen. Es hatte den Anschein, so Erck und Schneider, dass Adelheids englisches Königtum hauptsächlich für Meiningen von beträchtlicher Relevanz war. (S. 60). Erck und Schneider kritisieren zu Recht, dass es immer wieder Versuche von englischen Historikern gegeben habe, Adelheids Rolle, z. B. im Ringen um die Reformbill, (S. 74) zu erhellen, ohne jedoch zu irgendeinem Ergebnis zu kommen. Hier besteht vielleicht noch Forschungsbedarf. Interessant ist auch der Hinweis, dass Adelheid entscheidend besser mit Frauen als mit Männern auskam. Dass sie auch besonders kinderlieb war, ist aus allen Quellen bekannt. Eine besonders enge Beziehung pflegte sie immer zur Prinzessin Victoria, die unter der strengen Erziehung ihrer Mutter, der Herzogin von Kent, litt. Nach dem Tod von William IV. im Jahre 1837 wurde Adelheid nicht Nachfolgerin ihres Mannes auf dem Thron, weil es eine legitime volljährige Thronerbin gab, nämlich Prinzessin Victoria, die Tochter des jüngeren Bruders von William IV.
Adelheid wurde im Alter von 45 Jahren Witwe und sollte fortan noch zwölf Jahre leben. Ihre größte Erfüllung dürfte sie als wohltätige Witwe erreicht haben. In dieser Zeit soll sie so gelebt haben, wie sie es immer wollte. Von den königlichen Pflichten befreit, habe sich Adelheid ganz der „Nächstenliebe“ verpflichtet, was ihrer eigenen Natur entsprochen habe. Sie kümmerte sich um Witwen und Waisen, um Arme und Kranke in ihrem Land und half hungernden Iren und Schotten; auch ihre Heimat kam in den Genuss ihrer Wohltätigkeit, besonders bei einem Besuch im Jahre 1844. Ihre Popularität war in ihrer Zeit als Königinwitwe am größten, und Biographen haben Adelheid eine „vollkommene Witwe“ (S. 92) genannt. Geschwächt durch wiederholte Krankheiten – sie litt vermutlich unter Tuberkulose – starb Adelheid am 2. Dezember 1849. Die Nachrufe ließen erkennen, was man an dieser Frau verloren hatte.
Erck und Schneider führen diese „Nächstenliebe“ etwas unkritisch auf ihre „ganz eigene Wesensart“ (S. 3), auf ihre christlich-pietistische Erziehung im Elternhaus und auf ihr Festhalten an Althergebrachtem zurück. Sicherlich war ihr Sinn für Wohltätigkeit Teil ihres Wesens. Diese Argumente allein dürften aber als Begründung für ihre Großzügigkeit nicht ganz ausreichen, denn sie war seinerzeit als Gattin eines Königs nur mit sehr begrenzten Machtbefugnissen ausgestattet, und um Macht oder Einfluss auszuüben, musste sie ihre Fähigkeit einsetzen, Autoritätspersonen zu beeinflussen oder zu manipulieren. Dies war die einzige Quelle der Macht, die Frauen in jener Zeit einsetzen konnten, und diese Fähigkeit lernten sie gewöhnlich von ihren Müttern und Großmüttern oder anderen weiblichen Verwandten. Als vermögende und unabhängige Königinwitwe machte nun Adelheid das, was viele vor ihr und nach ihr machten: sie verschrieb sich der Wohltätigkeit. Sie erfüllte somit auch wieder die Rolle, die von einer reichen elitären Frau erwartet wurde. Aufgrund ihrer hilfreichen Taten erhielt sie zudem Anerkennung, Respekt und die Gesellschaft dankbarer Persönlichkeiten.
Erck und Schneider heben die Rolle der Adelheid als engagierte „Wohltäterin“ besonders hervor, so dass sich unwillkürlich die Frage stellt, warum sich Adelheid nicht schon als Königin mehr für die Abschaffung der Sklaverei beispielsweise, die in ihre Herrschaftszeit fiel, gekümmert und dafür gekämpft hat. Sie schätzen diesen Umstand folgendermaßen ein: „Adelheid hat jene Art von Wandel, den England seinerzeit vollzog, – Gleichbehandlung der Katholiken, Aufhebung der Sklaverei, Parlamentsreform, Freihandel, Aufnahme von Fremden – wohl nur zum Teil verstanden, tatkräftig gefördert hat sie ihn keineswegs“. (S. 134). Ihr „Opfergang“, so Autor und Autorin, sei durch das elitäre Leben, das sie am Hof führen konnte, reichlich kompensiert worden. „Sie genoss die Privilegien, die der Krone zustanden, ebenso wie den Jubel der Menge. Das tat sie gewissermaßen aber nur als Funktionsträger nicht als Mensch, und sie machte stets deutlich, dass sie sehr wohl zwischen beidem zu unterscheiden wusste“. (S. 134). Den Beweis dafür bleibt das Buch allerdings schuldig.
Sehr vorsichtig gehen Erck und Schneider auch mit der Frage um, ob es im Leben von Adelheid nicht auch noch andere Männer als ihren Ehemann gegeben habe. Eine kluge, gut aussehende Frau, die mit 25 Jahren mit einem 53jährigen Mann verheiratet wird, den sie nicht liebt, dürfte auch Männern begegnet sein, die ihr Sympathie entgegengebracht haben. Prinz Ernst von Philippsthal und Lord Howe ( S. 74) sollen jene beiden Männer gewesen sein, denen sie „eine Sympathie entgegenbrachte, die die Bereiche der Liebe streifte. Diese konnte sie aber nicht heiraten.“ (S. 136). Auch in diesem Fall hat Adelheid auch noch das „Opfer“ der ehelichen Treue auf sich genommen. Adelheid wird insgesamt in dem Buch in die Tradition von Frauen, die Opfer ihres Geschlechts werden, eingereiht.
Das Buch stellt einen bedeutenden Beitrag zur historischen Frauen- und Geschlechterforschung dar, da Erck und Schneider das Leben einer Frau, die zwar von „starken Frauen“ erzogen worden war, aber selbst in der weiblichen Rollenzuschreibung ihrer Zeit aufging und diese übernahm, facettenreich nachzeichnen und souverän analysieren. Außer einigen stilistischen Schwächen und ein paar Wiederholungen ist das Buch für die historische Gender-Forschung als weitere wichtige Quelle für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts und die einflussreichen Personen jener Zeit unentbehrlich.
URN urn:nbn:de:0114-qn063053
Dr. Waltraud Dumont du Voitel
Heidelberg, Deutsche Stiftung Frauen- und Geschlechterforschung, Ethnologie, Soziologie, Geschichte Südasien
E-Mail: info@stiftung-frauenforschung.de
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