Frauen in rechtsradikalen „Männerparteien“. Exotinnen mit eigenem Kopf oder bloßes Alibi?

Rezension von Claudia Papp

Brigitte Brück:

Frauen und Rechtsradikalismus in Europa.

Eine Studie zu Frauen in Führungspositionen rechtsradikaler Parteien in Deutschland, Frankreich und Italien.

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005.

164 Seiten, ISBN 3–8100–3857–1, € 34,90

Abstract: Anhand von sieben Leitfadeninterviews aus den 1990er Jahren untersucht die Autorin, die promovierte Sozialwissenschaftlerin Brigitte Brück, die politische Positionierung von Frauen in Führungspositionen rechtsradikaler Parteien in Deutschland, Frankreich und Italien. Dabei geht es nicht nur um deren Vorstellungen zu den Geschlechterverhältnissen in Familie, Arbeitswelt und Politik, sondern auch um übergeordnete Diskurse wie Migration, Europa oder Vergangenheitsbewältigung. Die Autorin zeigt dabei auf, dass auch die befragten Führungsfrauen das traditionelle, familienzentrierte und pronatalistische Frauenbild rechtsextremer Strömungen befürworten. Allerdings plädieren sie auch für eine verstärkte Partizipation von Frauen in Politik und Beruf. Die Publikation bietet detaillierte und vielschichtige Einblicke in die Frauenbilder rechtsextremer Parteien sowie in die politischen Überzeugungen ihrer Aktivistinnen, stilisiert die Befragten dabei jedoch am Ende zu pauschal als „Feministinnen“.

Komparative Genderforschung zum rechtsradikalen Politikspektrum: ein Novum

Eine „längst überfällige“ Rechtsextremismusstudie, so im Klappentext zu lesen, liefert die promovierte Sozialwissenschaftlerin Brigitte Brück mit ihrer Publikation über das Selbstverständnis von Politikerinnen in Führungspositionen rechtsextremer Parteien in Deutschland, Frankreich und Italien. Überfällig nicht zuletzt aufgrund der spezifischen Geschlechterperspektive, die den wenigen komparativen Arbeiten zu diesem Politikspektrum bislang fehlt. Anhand von Leitfadeninterviews aus den 1990er Jahren untersucht die Autorin die politische Positionierung von insgesamt sieben Aktivistinnen. Dabei geht es nicht nur um deren Vorstellungen zu den Geschlechterverhältnissen in Familie, Arbeitswelt und Politik, sondern auch um übergeordnete Diskurse wie Migration, Europa oder Vergangenheitsbewältigung. Ein vielversprechender Ansatz also, der die spannende Frage zu klären verspricht, inwieweit weibliche Führungskräfte in rechtsradikalen „Männerparteien“ eigene, frauenspezifische Politikakzente setzen können oder wollen.

Frauen und rechtsextreme Parteien

In einem ersten Teil legt die Autorin den bisherigen Forschungsstand zu rechtsextremen Parteien in den drei oben genannten Ländern dar. Sie orientiert sich dabei an zentralen Themen der Geschlechterforschung: Sie fragt nach dem propagierten Frauenbild, dem Wahlverhalten von Frauen sowie dem Verhalten von Frauen in Führungspositionen. Anhand eines knappen historischen Rückblicks auf die Frauenpolitik unter Hitler, Mussolini und Vichy zeigt Brück auf, dass sich die heutigen rechtsextremen Parteien in Deutschland, Frankreich und Italien weitgehend an diesen historischen ‚Wertvorstellungen‘ orientieren. Die Rolle der Staatsbürgerin definiert sich hier einst wie heute als sorgende Mutter möglichst vieler Kinder mit rein privatem Wirkungskreis, vorausgesetzt, es handelt sich um Mitglieder der eigenen Nation oder Rasse – Brück verweist hier zutreffend auf eine „selektierende pronatalistische Bevölkerungspolitik“ (S. 28). Gleichwohl belegen mehrere Studien für Deutschland, dass rechtsradikale Wählerinnen und Aktivistinnen nicht zwingend dieses Geschlechtermodell befürworten, sondern sich vielmehr von ordnungs- und sicherheitspolitischen Angeboten der Organisationen begeistern lassen. Inhaltliche Auswirkungen haben diese Abweichungen indes kaum. Lediglich im Programm der Deutschen Volksunion (DVU) finden sich Reminiszenzen an die Moderne, so zum Beispiel Forderungen nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Teilzeitarbeit und außerfamliäre Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Ein Reizwort für alle untersuchten Parteien stellt hingegen der Begriff „Feminismus“ dar, der mit Werteverfall, Ehescheidungen, Abtreibungen und niedriger Geburtenrate gleichgesetzt wird. Damit zeigt Brück eindrücklich, wie wenig sich das Frauenbild rechtsextremer Organisationen im Laufe des 20. Jahrhunderts geändert hat.

Familientraditionen und Legitimationsdruck bringen Frauen in zentrale Parteiämter

Spannende und schlüssige Thesen stellt die Autorin außerdem zur Beantwortung der Frage auf, warum in den rechtsradikalen Parteien, die außer in Italien immer noch mit deutlicher Zweidrittelmehrheit von Männern gewählt und fast ausschließlich männlich geführt werden, überhaupt weibliche Führungskräfte auftreten. Widerspricht dies nicht dem eben skizzierten apolitischen, familienzentrierten Frauenbild? Brück nennt verschiedene, vor dem Hintergrund der folgenden Einzelinterviews durchaus schlüssige Erklärungsmodelle. Die direkte Familientradition wie bei der befragten Alessandra Mussolini, Enkelin Benito Mussolinis, liegt dabei auf der Hand. Doch auch bei anderen Aktivistinnen wie der Französin Marie Stirbois, die 1989 als Witwe die Nachfolge ihres Mannes in der Front National (FN) antrat, stellen verwandtschaftliche Bande einen Vorteil beim Anstreben eines Amtes dar. Außerdem zeigen sich alle rechtsextremen Parteien bemüht, Modernität und Frauenfreundlichkeit zu suggerieren, was auf einen Legitimations- und Konkurrenzdruck als weitere Ursache weiblicher Führungsfiguren hinweisen könnte.

Sieben Interviews – sieben verschiedene Ergebnisse?

Den weitaus größten Teil der Studie nimmt der empirische Teil zu den Einzelinterviews und deren Auswertung ein. Leider gelingt es der Autorin hier nicht, den aufgebauten Spannungsbogen aus dem ersten Kapitel aufrecht zu erhalten. Insgesamt sieben Befragungen werden mit Hilfe der kritischen sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse ausgewertet. Inhaltliche Aussagen, sprachliche Mittel und Verschränkung der Diskursstränge sind dabei zentrale Leitfragen. So verdienstvoll diese Analyse als erste ihrer Art ist, so wenig tiefenanalytisch und vorwiegend deskriptiv bleibt die Auswertung. Zu Deutschland werden Marion Blohm (Deutsche Volksunion; DVU) und Doris Zutt (Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NDP) aus dem Bundesvorstand ihrer Parteien sowie Gabriele Beisich (Deutsche Liga für Volk und Heimat, DLVH/DL) als Schatzmeisterin ihrer Partei befragt. Marie-France Stirbois, ehemalige Europaabgeordnete, und Martine Lehideux, Vizepräsidentin der FN, stehen stellvertretend für Frankreich. Aus Italien kommen die Führungsfrauen Alessandra Mussolini, Fraktionschefin der Alleanza Nationale im Kommunalparlament von Neapel, und Irene Pivetti von der Lega Nord (LN), 1994 mit 31 Jahren die jüngste Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer.

Sehr detailliert und gut strukturiert fasst Brück die Aussagen der Politikerinnen zusammen. Lediglich vereinzelte Wertungen wie „katholische Hardlinerin“ (S. 117) bei Frau Pivetti oder „restriktiv“ und „unzutreffend“ (S. 106) bezüglich der Aussagen von Frau Lehideux irritieren leicht. Alle befragten Aktivistinnen unterstützen das traditionelle, familienzentrierte und pronatalistische Frauenbild ihrer Parteien nachdrücklich. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Vita befürworten sie jedoch zugleich eine stärkere Partizipation von Frauen in Politik und Wirtschaft und plädieren für einen Abbau von Benachteiligungen weiblicher Berufstätiger. Während die Deutsche Zutt ihre Partei als Vorreiterin für Geschlechtergleichheit stilisiert und sich durchweg als „gleichberechtigt“ bezeichnet, verweisen die Italienerinnen Mussolini und Pivetti kritischer auf diesbezügliche Defizite in Gesellschaft und eigener Partei. Leider thematisiert Brück an dieser Stelle nicht die augenfälligen Widersprüche dieser Aussagen. Stattdessen konstatiert sie, die rechtsradikalen Führungsfrauen „reformulieren und modernisieren die familialistischen Diskurse, indem sie […] Geschlechtergleichheit einfordern“ (S. 143). Dies verwundert angesichts der unzähligen vorausgegangenen Zitate, in denen Frauenarbeit tendenziell als ein notweniges Übel moderner Zeiten stilisiert wird. Und wie sollen Frauen einerseits möglichst viele Kinder gebären und ihre Mutterrolle ausfüllen, andererseits aber vermehrt in Politik und Wirtschaft partizipieren? Was die befragten Politikerinnen auszeichnet, ist also bestenfalls Pragmatismus, Brücks These von „Neo- oder Postfeministinnen“ (S. 139) erscheint hier zu gewagt. Der Feminismus der Parteien oder ihrer Führungsfrauen wäre vielmehr daran zu messen, inwiefern man über widersprüchliche Lippenbekenntnisse hinaus Initiativen für Frauen in Beruf und Politik vorantreibt.

Parteikonform bis ins Detail

In den weiteren untersuchten Diskurssträngen zu Europa, Nation und rechtsradikaler Vergangenheit ihrer Nationen zeigen sich die befragten Frauen als uneingeschränkt synchron mit dem jeweiligen Parteiprogramm. Erwartungsgemäß stilisieren sie Immigranten als „Kriminelle“ und relativieren die eigene faschistische Vergangenheit ihres Landes durch den Verweis auf Verbrechen anderer Staaten. Einen biologistischen Volks- und Kulturbegriff homogener Völker und ein „Europa der Vaterländer“ vertreten die befragten Aktivistinnen ebenso wie ihre männlichen Kollegen. So bleibt die Frage nach den eigenen Akzenten der Politikerinnen am Ende weitgehend unbeantwortet. Überzeugte Feministinnen sind in diesen Parteien jedenfalls nicht zu erwarten.

URN urn:nbn:de:0114-qn063205

Dr. Claudia Papp

Tübingen

E-Mail: claudia.papp@gmx.de

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