Rechtsextreme Frauen zwischen Tradition und Emanzipation

Rezension von Anja Wehler-Schöck

Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus (Hg.):

Braune Schwestern?

Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten.

Münster: Unrast 2005.

142 Seiten, ISBN 3–89771–809–X, € 14,00

Abstract: Die facettenreiche Aufsatzsammlung beschäftigt sich unter anderem mit den verschiedenen Frauenbildern, die in der rechten Szene vorherrschen, und den Rollen, die rechtsextreme Frauen einnehmen. Ein zentrales Anliegen der Autorinnen ist es dabei zu untersuchen, inwiefern antisexistische Argumentationslinien in der extremen Rechten an feministische Denkansätze anknüpfen.

Rechtsextremer Aktivismus wurde lange Zeit überwiegend als „reine Männersache“ betrachtet. Frauen wurden in der Regel lediglich als passive Begleiterinnen und Unterstützerinnen wahrgenommen. In den letzten Jahren hat sich jedoch der Blick für die zunehmende Präsenz aktiver Frauen in diesem Milieu verschärft. Zu dieser Erkenntnis beigetragen haben die zahlreichen Publikationen, die sich seit Anfang der neunziger Jahre dem Thema Frauen und Rechtsextremismus widmen. Die aktuellste unter ihnen, die vorliegende Aufsatzsammlung Braune Schwestern? beschäftigt sich mit vier zentralen Fragen: Welche Rolle spielen Frauen in der extremen Rechten? Wie sieht das rechte Frauenbild aus? Kann man von einer Frauensolidarität in der rechten Szene sprechen? Knüpfen rechte antisexistische Argumentationslinien an feministische Denkansätze an?

Herausgeberinnen sind das Antifaschistische Frauennetzwerk und das Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, in denen sich politisch aktive Frauen respektive Sozialwissenschaftlerinnen verschiedener Fachrichtungen zusammengeschlossen haben, die auf diesem Gebiet arbeiten. Im Mittelpunkt ihres Engagements steht „die Verknüpfung der Perspektiven und Ergebnisse von Forschung und Politik“ (S. 126). Die Autorinnen der sechs Beiträge des Buches haben fast alle bereits einschlägig publiziert (vgl. die angehängte Auswahlbibliographie).

Vielfalt rechter Frauenbilder

Die Existenz eines homogenen rechten Frauenbildes bzw. einer einheitlichen Selbstwahrnehmung rechter Frauen wird von den Autorinnen durchweg verneint. Vielmehr fänden sich in der extremen Rechten eine Vielzahl unterschiedlicher, sogar sich direkt widersprechender Vorstellungen hinsichtlich der Rolle der Frau. Zugespitzt ausgedrückt stehe am einen Ende des Spektrums ein traditionelles und am anderen ein emanzipiertes Frauenbild. Sehe ersteres die Rolle der Frau primär als Mutter und als Ergänzung des Mannes, erkenne das zweite der Frau den Status eines eigenständigen und gleichberechtigten Menschen zu. Unbestreitbar sei jedoch, dass die rechte Szene in weiten Teilen von Männern dominiert werde und von deren meist sexistischer Weltanschauung geprägt sei.

Kirsten Döhring und Renate Feldmann zeigen in ihrem Beitrag, dass sich rechte Frauen zunehmend in eigenen Gruppen zusammenschließen, um ihre Interessen zu organisieren. Auch durch die Herausgabe von Zeitschriften, sogenannter (Fan-)Zines, und durch Aktivitäten im Musikbereich, z. B. die Gründung von Frauenbands, machten sie auf sich aufmerksam und schafften sich Anerkennung in der Szene. Jedoch bestehe auch innerhalb bestimmter rechter Strömungen keine Übereinstimmung hinsichtlich des Frauenbilds und der Rolle der Frau, nicht einmal unter den Mitgliedern einzelner Gruppen. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Solidarisierung bei rechten Frauen in erster Linie über die gemeinsame völkische Weltanschauung erfolgt und die Geschlechtszugehörigkeit von nachgeordneter Bedeutung ist.

Dass rechte Flexibilität im Hinblick auf die Rolle der Frau durchaus auch Teil einer politischen Strategie sein kann, legt Gabi Elverich in ihrer Analyse der Frauen- und Familienprogrammatik der französischen Partei Front National dar. Sie stellt fest, dass sich ab Anfang der neunziger Jahre eine gewisse Modernisierung und sogar die Übernahme feministischer Forderungen, wie die nach beruflicher Gleichstellung von Männern und Frauen, abzeichnet. Ziel dieser Entwicklung ist laut Elverich, die gesellschaftliche Akzeptanz der Partei zu stärken sowie Frauen als Mitglieder und Wählerinnen zu rekrutieren. In der jüngeren Vergangenheit würden sich jedoch bereits wieder Retraditionalisierungstendenzen manifestieren.

Feminismus und rechter Antisexismus

An welchen Stellen rechte antisexistische Denkweisen Anleihen bei feministischen machen und wo sie sich von diesen abgrenzen, verdeutlicht Renate Bitzan in ihrem Beitrag. Vereinfachend greift sie dabei auf die Kategorien Differenz und Gleichheit zurück. Bitzan veranschaulicht, dass Anknüpfungspunkte zu Positionen rechtsextremer Frauen sowohl bei differenz- als auch bei gleichheitsorientierten feministischen Ansätzen zu finden sind. Der Differenzansatz sei für rechtsextreme Positionen anschlussfähig, weil er (nicht nur) im Geschlechterverhältnis die Zuschreibung bestimmter Charakteristika und darauf basierende Wertunterschiede legitimiere. Der Gleichheitsansatz könne zur Unterstützung der Vorstellung herangezogen werden, dass alle Angehörigen einer „Volksgemeinschaft“ oder „Rasse“ vermeintlich gleich seien.

In ihrem gemeinsamen Nachwort unterstreichen die Autorinnen, dass sich ihr Feminismusbegriff wesentlich von rechtsextremen Gleichstellungsansätzen abgrenzt, indem er allgemein – d. h. nicht nur geschlechtsbezogen – herrschaftskritisch und emanzipatorisch ist. In ihren Augen können die antisexistischen Bestrebungen von Frauen in der extremen Rechten nicht als feministisch bezeichnet werden, da jene sich allein auf die Frauen innerhalb einer bestimmten „Volksgemeinschaft“ beschränkten. Unter diesen Gesichtspunkten sei auch die Verwendung des Begriffes der Emanzipation im Zusammenhang mit rechtsextremen Denkansätzen problematisch, da er ebenfalls im Sinne einer universellen Herrschaftskritik und -befreiung zu verstehen sei.

Kritik: Gewisse Schwächen in der Gesamtkonzeption

Das sprachliche Niveau und der wissenschaftliche Anspruch der Beiträge sind sehr unterschiedlich zu bewerten. In Rena Kenzos Aufsatz „Bücherfrauen und Labelmädel“ beispielsweise geht die Darstellung von Informationen auf Kosten einer tiefgreifenderen Analyse. Die Beiträge des Sammelbands erscheinen an manchen Stellen wenig aufeinander abgestimmt. Ein Abkürzungsverzeichnis und ein Glossar würden die Lektüre insbesondere derjenigen Artikel erleichtern, die viele Begriffe und Akronyme aus der rechten Szene verwenden. Bestimmte Ausdrücke werden überhaupt nicht erklärt: Eine Erläuterung der genauen Bedeutung und des Hintergrunds des Wortes „Renée“, eines Szenebegriffs für rechtsradikale Frauen, dessen Konnotation sehr unterschiedlich interpretiert wird, sucht der/die fachfremde Leser/-in beispielsweise vergeblich.

Auch die Wahl des Titels der Publikation muss kritisch betrachtet werden: Die Formulierung „braune Schwestern“ trifft zwar auf originelle Weise die Zielsetzung der Herausgeberinnen, nämlich Frauensolidarität in der rechten Szene sowie Anknüpfungspunkte zwischen feministischen und rechten antisexistischen Argumentationslinien zu untersuchen. Der Begriff ist jedoch historisch bereits besetzt: „Braune Schwestern“ war der Beiname, den die Krankenschwestern der NS-Schwesternschaft im Dritten Reich aufgrund ihrer braunen Uniformen trugen (vgl. Birgit Breiding: Die Braunen Schwestern. Ideologie – Struktur – Funktion einer nationalsozialistischen Elite. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 1998). Die Verwendung dieses Begriffes ohne jeglichen Hinweis verwundert. Dies um so mehr, als die Autorinnen angeben, dass „der Holocaust und die sich daran anschließenden Erinnerungsdiskurse den Hintergrund [bilden], vor dem wir unsere Untersuchungen durchführen“ (S. 12).

Fazit: Insgesamt empfehlenswerte Aufsatzsammlung

Trotz der genannten Schwächen handelt es sich bei der Publikation um eine durchaus empfehlenswerte Aufsatzsammlung. Der Band enthält einige innovative und fundierte Beiträge, die wichtige Denkanstöße geben im Hinblick auf die jüngeren Entwicklungen in der rechten Szene. Insbesondere ist hervorzuheben, dass die Autorinnen nicht die Augen verschließen vor Überschneidungen rechtsextremer Ansichtsweisen mit feministischen Denkansätzen, sondern sich kritisch damit auseinandersetzen. Die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der einzelnen Beiträge ermöglicht es dem/der Leser/-in, sich einen Überblick über verschiedene zentrale Fragestellungen und neuere Forschungen auf diesem Gebiet zu verschaffen. Die Lektüre der meisten Aufsätze eignet sich auch für Einsteiger/-innen in die Thematik.

Auswahl einschlägiger Werke der beteiligten Autorinnen

Bitzan, Renate: „Frauen in der rechtsextremen Szene.“ In: Thomas Grumke/ Bernd Wagner (Hg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Opladen: Leske+Budrich 2002. S. 87–104.

Bitzan, Renate (Hg.): Rechte Frauen. Skingirls, Walküren und feine Damen. Berlin: Elefanten Press 1997.

Bitzan, Renate: Selbstbilder rechter Frauen. Zwischen Antisexismus und völkischem Denken. Tübingen: Edition Diskord 2000.

Döhring, Kirsten, Renate Feldmann: „Frauen(bilder) in rechten Subkulturen.“ In: Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hg.): RechtsRock. Münster: Unrats 2002. S. 187–214.

Döhring, Kirsten, Renate Feldmann: Von ‚N.S. Frauen-Warte‘ bis ‚Victory‘. Konstruktionen von Weiblichkeit in nationalsozialistischen und rechtsextremen Frauenzeitschriften. Berlin: Logos Verlag 2004.

Köttig, Michaela: Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und junger Frauen. Biographische Verläufe im Kontext der Familien- und Gruppendynamik. Gießen: Psychosozial-Verlag 2005.

Köttig, Michaela: „Mädchen und junge Frauen aus dem rechtsextremen Milieu.“ In: Gewalt. Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Heft 56/57, Jg. 24 (2001). S. 103–116.

URN urn:nbn:de:0114-qn063246

Anja Wehler-Schöck

Berlin

E-Mail: anja.schoeck@berlin.de

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