Für Frauenbildung und Judentum. Bertha Badt-Strauss: eine engagierte Publizistin

Rezension von Christine G. Krüger

Martina Steer:

Bertha Badt-Strauss (1885–1970).

Eine jüdische Publizistin.

Frankfurt am Main: Campus 2005.

340 Seiten, ISBN 3–593–37725–X, € 39,90

Abstract: Frauen und Judentum: Das sind die Themen, denen sich Bertha Badt-Strauss (1885–1907) immer wieder widmete – Frauengeschichte und jüdische Geschichte sind gleichzeitig auch die beiden Themenfelder, die den Rahmen ihrer von Martina Steer verfassten Biographie abstecken. Bertha Badt-Strauss wuchs in Breslau auf und wurde hier als eine der ersten Frauen zu Abitur, Studium und Promotion zugelassen. In den 20er und 30er Jahren war sie eine der produktivsten deutsch-jüdischen Publizistinnen, überdies edierte sie Werkausgaben verschiedener, meist jüdischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Im August 1939, kurz bevor nach Kriegsbeginn die Grenzen geschlossen wurden, emigrierten sie und ihr Mann in die USA. Der Neubeginn war schwierig und zunächst von Existenzsorgen überschattet, doch trotz schwerer Krankheit gelang es Bertha Badt-Strauss, auch im Exil wieder als Publizistin zu reüssieren.

Das Leben einer engagierten Frau beschreibt Martina Steer in ihrer Dissertation über Bertha Badt-Strauss (1885–1970). Das lange Schriftenverzeichnis im Anhang des Buches zeugt von der regen schriftstellerischen Tätigkeit Bertha Badt-Strauss’, die wohl als eine der bedeutendsten deutsch-jüdischen Publizistinnen gelten kann. Frauen und Judentum, das sind die Themen, denen sich die gläubige Jüdin Bertha Badt-Strauss immer wieder widmete – Frauengeschichte und jüdische Geschichte sind gleichzeitig die beiden Themenfelder, für die sich ihre eigene Vita als Gegenstand anbietet und die für das vorliegende Buch den Rahmen abstecken.

In der Arbeit Martina Steers wird der Lebensweg Bertha Badt-Strauss’ nun erstmals biographisch aufbereitet. Die klassisch chronologisch aufgebaute Biographie ist in drei Kapitel gegliedert, von denen jedes einem durch den jeweiligen Wohnort markierten Lebensabschnitt Bertha Badt-Strauss’ gewidmet ist: Breslau, Berlin und das Exil in den USA. Im ersten Kapitel werden Kindheit, Jugend und Studienzeit Bertha Badt-Strauss’ in Breslau bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Jahr 1913 behandelt. Als behütete Tochter wuchs Bertha Badt-Strauss in einem bildungsbürgerlichen und religiös observanten Haushalt auf und kam durch ihre Eltern schon früh mit der prominenten jüdischen Gelehrtenwelt in Breslau in Kontakt. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die in Breslau das Abitur ablegten, und entschied sich trotz väterlicher Vorbehalte für ein Studium. Mit einer literaturwissenschaftlichen Dissertation über Annette von Droste-Hülshoff erwarb sie 1908 als erste Frau an der philosophischen Fakultät der Breslauer Universität den Doktortitel. In den darauf folgenden Jahren arbeitete sie als Journalistin, gleichzeitig betrieb sie weiter wissenschaftliche Studien, wirkte maßgeblich an einer Droste-Hülshoff-Ausgabe mit und bereitete eine Edition von Schriften und Briefen Rahel Varnhagens vor.

Das zweite Kapitel der Biographie beschreibt die zweieinhalb Jahrzehnte von 1913 bis 1939, die Bertha Badt-Strauss nach ihrer Heirat mit Bruno Strauss in Berlin verlebte. In Berlin setzte sie ihr publizistisches Schaffen fort, regelmäßig erschienen Artikel von ihr in verschiedenen Zeitungen, v.a. im Berliner Tageblatt, in der Vossischen Zeitung und in der Jüdischen Rundschau. Zudem verfasste sie biographische Skizzen und arbeitete an weiteren Werkeditionen, z. B. Heinrich Heines und Moses Mendelssohns, beschäftigte sich aber auch mit unbekannteren Persönlichkeiten, insbesondere mit Jüdinnen. Neben ihrer publizistischen Tätigkeit engagierte sie sich im „Jüdischen Frauenbund“. Sie verkehrte viel in jüdischen Intellektuellenkreisen, als Zionistin insbesondere mit Anhängern der „Jüdischen Renaissance“, einer Bewegung, die – nicht zuletzt aufgrund enttäuschter Integrationshoffnungen – die Rückbesinnung auf das Judentum fördern wollte. Hier pflegte das Ehepaar Strauss Kontakt u. a. zu Martin Buber und Franz Rosenzweig. Die Quellen geben wenig Aufschluss darüber, inwieweit Bertha Badt-Strauss’ Hinwendung zur „Jüdischen Renaissance“ im Zusammenhang zu sehen ist mit dem wachsenden Antisemitismus während des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik, der gleichwohl in der Biographie ausführlich beschrieben wird. Den tiefsten Einschnitt in das Leben der Familie Strauss brachte dann die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Bruno Strauss, der zuvor als Lehrer an einer staatlichen Schule gearbeitet hatte, musste nun an eine jüdische Schule wechseln, Bertha Badt-Strauss durfte nicht länger in der nicht-jüdischen Presse publizieren. Während die beiden ihren Sohn bereits 1933 nach England geschickt hatten, zögerten sie mit ihrer eigenen Auswanderung und konnten sich erst Ende August 1939 zur Flucht in die USA entschließen – im letzten Augenblick, bevor mit Kriegsbeginn die Grenzen geschlossen wurden.

Die Zeit des Exils von 1939 bis 1970 schließlich ist Thema des letzten Kapitels. Durch die Vermittlung eines Verwandten konnte Bruno Strauss eine Dozentenstelle in Shreveport/Louisiana, antreten. Für das Ehepaar Strauss, beide in den Fünfzigern und Bertha überdies an Multipler Sklerose erkrankt, war der Neuanfang nicht einfach. Ihren gesamten Besitz hatten sie in Europa zurücklassen müssen, und in den ersten Jahren des Exils blieb ihre Existenz ungesichert. Außerdem fehlte in Shreveport ein intellektuelles Umfeld, wie sie es aus Berlin gewohnt waren. Und schließlich gehörten sie als observant lebende Juden im amerikanischen Süden zu einer kleinen Minderheit, wodurch auch das religiöse Leben, z. B. die Beschaffung koscherer Lebensmittel, erschwert wurde. Dennoch gelang es beiden, schnell wieder einigermaßen Fuß zu fassen. Bertha Badt-Strauss halfen dabei zum einen ihre guten Englischkenntnisse, die sie nach ihrem Abitur während eines Studienaufenthaltes in London erworben hatte, zum anderen ihr ausgedehnter Bekanntenkreis, aus dem viele ebenfalls in die USA emigriert waren. So konnte sie ihre publizistische Tätigkeit sowohl in deutschen Exilzeitschriften als auch in der englischsprachigen Presse fortsetzen.

Wenngleich Martina Steer auf eine explizit formulierte Fragestellung verzichtet, durchzieht die Frage nach der jüdischen Identität Bertha Badt-Strauss’ die gesamte Arbeit. Wiederholt formuliert die Autorin die These, dass die in ihrem Glauben gefestigte Jüdin Bertha Badt-Strauss durch eine positive jüdische Identität die Enttäuschungen der gescheiterten Integration und des wachsenden Antisemitismus mit seinen schrecklichen Folgen leichter ertragen und verarbeiten konnte als viele ihrer Glaubensgenossen, die sich dem Judentum oft kaum noch verbunden fühlten. Sympathisch erscheint dabei die Bescheidenheit, mit der die Biographin auf die Subjektivität ihrer Darstellung wie ihrer Thesen hinweist und auf den Konstruktcharakter jeglicher biographischer Arbeit aufmerksam macht.

Teilweise argumentiert sie allerdings auch recht spekulativ. So klingt es z. B. allzu apodiktisch, wenn es über die Rezeption einer von Bertha Badt-Strauss verfassten Biographie der amerikanischen Zionistin Jessie Sampter heißt: „[F]ast jede oder jeder, die oder der diese Biographie gelesen hatte, musste sich fragen, warum man nicht selbst Alija machte“, also nach Israel auswanderte, und wenn die Autorin – nun immerhin etwas vorsichtiger – sogar vermutet: „Manche mag Jessie Sampters Biographie dazu angeregt haben, [diesen] entscheidenden Schritt zu tun“ (S. 284).

Kritisch anzumerken ist auch, dass die Verfasserin zu Generalisierungen neigt und etwas zu oft von „den“ Juden oder „den“ Deutschen spricht. So ist doch z. B. folgende Aussage angesichts des zunehmenden Antisemitismus in den Weimarer Jahren in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar: „Der Illusion, dass sie fühlten, dachten und handelten wie die Deutschen, konnten sich die deutschen Juden nun nicht mehr hingeben. Sie wollten lernen, als Juden zu fühlen, zu denken und zu handeln.“ (S. 190 f.) Ungeschickt erscheint allgemein auch die bisweilen vorgenommene Kategorisierung in Deutsche und Juden, statt derer es angemessener wäre, von jüdischen und nichtjüdischen Deutschen zu sprechen. Beispielsweise wird geschildert, dass Mendelssohns 200. Geburtstag 1929 „zusammen von Deutschen und Juden gefeiert worden war“ (S. 197). Solche Stellen sind einer unachtsamen Formulierung zuzurechnen, die Autorin definiert das Judentum nicht grundsätzlich ethnisch in Opposition zum Deutschtum und beschreibt Bertha Badt-Strauss als Deutsche wie Jüdin (S. 293). Insgesamt ist es schade, dass das Buch nicht besonders sorgfältig lektoriert wurde und sich auch recht viele Tippfehler eingeschlichen haben. Stilistisch jedoch ist die Biographie flüssig geschrieben und bietet alles in allem einen gut lesbaren Einblick in die Frauengeschichte ebenso wie in die deutsch-jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts.

URN urn:nbn:de:0114-qn071142

Dr. des. Christine G. Krüger

Oldenburg/Carl von Ossietzky Universität/Fk. IV/Institut für Geschichte

E-Mail: christine.krueger@uni-oldenburg.de

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