Schuld war nur der Feminismus. Im rosa Kampfanzug: Eva Herman gibt das Strohpüppchen einer neuen reaktionären Familienpolitik. Eine Erledigung

Rochus Wolff

Anfang Oktober, Eva Herman und ihr neues Buch hatten gerade ihre Rundreise durch alle wichtigen deutschen Fernsehtalkshows beendet, lag Das Eva-Prinzip, vom Verlag ganz in leuchtend dunkles Rosa eingeschlagen („Rosa,“ notiert Jana Simon in der Zeit über Eva Herman, „ist ihre Kampffarbe“), auf unserem Frühstückstisch. Die Liebste, die schon während meiner Lektüre einigen besonders schönen Stellen ausgesetzt worden war, blätterte noch einmal darin, während ich versuchte, dem jüngsten Mitglied unserer Familie einigermaßen unfallfrei sein Frühstück einzulöffeln.

"Schreib nichts dazu", sagte sie schließlich. „Ich verstehe sowieso nicht, dass alle das Buch so ernst nehmen. Es hat schon viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen, da solltest Du nicht auch noch mitmachen."

Natürlich hat sie Recht, und es ist gewiss typisch männliche Starrköpfigkeit, pardon, Entschlusskraft und Willensstärke, dass ich es dennoch tue. Oder dies: dass zwar Eva Herman landauf, landab einige ihrer Thesen zum Besten geben durfte, dass aber kaum je wirklich der Blick im Buch verweilte, auf diesem haarsträubenden Dokument, das doch wie kein zweites beweisen könnte, dass die Frau an sich zu intellektueller Arbeit grundsätzlich nicht befähigt ist. Hätte sich Eva Herman daran gehalten, viel wäre uns erspart geblieben.

Damit Sie das Buch nicht noch lesen müssen, habe ich es getan; alles, was Sie über das „Eva-Prinzip“ wissen müssen, finden Sie hier. Meine Einschätzung gebe ich Ihnen gleich und kostenfrei vorweg, zum Zwecke der Niederschlagung aller Kaufgelüste und Klärung aller Doppeldeutigkeiten:

Eva Hermans Buch Das Eva-Prinzip ist ein bemerkenswert dummes Buch voller logischer Inkonsistenzen, dessen Argumentation aus groben Vereinfachungen, Halb- bis Unwahrheiten und schlichten Verdrehungen besteht, es ist dort, wo überhaupt, nur schlecht recherchiert, ideologisch verblendet, von Verfolgungswahn geprägt und darüber hinaus und trotz all dieser Eigenschaften, und das ist schon ein besonderes Ergebnis, atemberaubend langweilig.

Doppelte Vergesellschaftung, revisited

Warum dann trotzdem darüber berichtet wird? Weil Das Eva-Prinzip sich dafür nicht nur durch die mediale Vor- und Aufbereitung insbesondere durch die Redaktion der Zeitschrift Cicero empfiehlt, sondern auch dadurch, dass sie natürlich in einem Punkt eine treffende, wenn auch nicht sonderlich originelle Feststellung macht.

Diese Feststellung ist: Berufstätige Frauen fühlen sich durch die Doppelbelastung von Erwerbsarbeit und Familie (Hausarbeit, Kindererziehung etc.) überfordert. Dergleichen kann man, so man möchte, in feministischer und insbesondere sozialwissenschaftlicher Literatur nachlesen, was Herman aber nicht getan hat, denn ihre Begeisterung für das „Modefach der Soziologie“ (S. 64) hält sich in Grenzen.

Viel wichtiger sind ihr: die Kinder. Und zwar sowohl die bereits geborenen Kinder, die ihrer Meinung nach nicht genug Liebe und Zuwendung erhalten und deshalb psychisch und sozial verkümmern, was wiederum massive gesellschaftliche Folgen habe, als auch die Kinder, die gar nicht erst zur Welt kommen: „Denn es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder, um den Fortbestand unserer Gesellschaft. Werden wir aussterben, wird unser Land in wenigen hundert Jahren brachliegen?“ (S. 12)

Zur nachlassenden Geburtenrate und dem Aussterben „unserer“ Gesellschaft – wobei „wir“ für Herman wohl ein nicht näher definiertes, wahrscheinlich irgendwie als ‚deutsch‘ zu verstehendes Gemeinwesen sein sollen – kommt für Herman noch ein allgemeiner Werteverfall hinzu: Der frostige Wind der Krisenrhetorik bläst frei über manche Seite, und trotz rosa Wintermäntelchen wird’s kühl. „Die Bilanz unserer gesellschaftlichen Entwicklung ist ernüchternd und beängstigend“ (S. 13), „Liebe, Treue, Solidarität und Loyalität“ (S. 186) sind weitgehend verschwunden.

Es kann nämlich, glaubt Herman, nicht mehr funken und funktionieren in Deutschland und in den Partnerschaften und im Bett, weil heute „die Gleichheit der Geschlechter zum Selbstverständnis unserer Gesellschaft“ (S. 64) gehört. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen würden nivelliert, und das kann nicht gut gehen, widerspricht dies doch der gott- wie biologiegewollten Ordnung. Denn einerseits wurden Männer und Frauen „vom Schöpfer mit unterschiedlichen Aufträgen in diese Welt geschickt.“ (S. 49) Andererseits sind auch noch unsere evolutionär gewachsenen Rollen zu bedenken, die „typische Verhaltensmuster und Fähigkeiten“ entstehen lassen, „die sich jeder ideologisch geführten Diskussion entziehen.“ (S. 69) Dazu gehört etwa, das war ja schon immer so, dass Frauen stets ihr Täschchen dabei haben.

„Haben Sie sich auch mal gefragt, warum wir Frauen so gern Handtaschen mit uns herumschleppen? […] Da Eva gern sammelt, muss sie immer die Möglichkeit haben, ihre Ernte zu verstauen, um sie sicher nach Hause zu tragen.“ (S. 83)

Auf diesem Niveau bewegt sich Hermans bio-theologisches Weltbild, das ihr anscheinend den direkten Weg von ‚nicht natürlich‘ zu ‚Werteverfall‘ erlaubt, irgendwo im Untergrund der nach unten offenen Allan-und-Barbara-Pease-Skala[1]. Natürlich könnte sie es besser wissen, könnte sie zur Kenntnis nehmen, dass weder die Archäologie noch die Biologie sich ihrer Sache da allzu sicher sind, aber um derlei schert sich Herman nicht, ach was, sie findet das super, was sie macht:

„Populäre Bücher, in denen Frauen augenzwinkernd attestiert wird, sie könnten nicht einparken, […] mögen auf den ersten Blick klischeehaft wirken – dennoch sind ihre Grundannahmen keineswegs falsch.“ (S. 80)

Jedenfalls, wenn sie ihr ins Konzept passen. Denn mit dem oben zitierten Verweis auf die Biologie als den letzten, vermeintlich ideologiefreien Verweisgrund enthebt sich Herman ja auch der Notwendigkeit, ihre Thesen und Grundlagen überhaupt zu diskutieren. Da wird lustig biologisiert, ob man Ahnung hat oder nicht, und davon gefaselt, es gebe ja „das männliche und das weibliche Prinzip“ (S. 61).

Das „weibliche“ ist natürlich das titelgebende „Eva-Prinzip“ (das gewiss nur zufällig den gleichen Namen wie die Autorin trägt): „Es drückt Hoffnung aus, Lebensfreude, einen Sinn für Werte. Es verbindet uns Menschen ohne die Frage nach einem bestimmten Entgelt.“ (S. 59) Die Frau ist sanft und gut, sie „wirkt ohne Machtspiele, denn sie will nicht siegen, sondern aufbauen“ (S. 31) und ist ihrem Mann eine „liebevolle Gefährtin“ (S. 53); sie steht schließlich für „eine neue weibliche Klugheit, mit der die Familie wieder ins Zentrum des Bewusstseins rückt.“ (S. 59)

Und deshalb wird auch alles gut, wenn nur endlich die Frau wieder die Familie ins Zentrum ihres Lebens setzt, anstatt in die feindliche Welt da draußen hinauszuwollen, wo sie, nach Gott und Darwin, doch eh nichts zu suchen hat. Wenn sie nicht nur dem Mann abends die Puschen und das Essen vorwärmt („Wenn sie […] lecker für mich kocht, ist sie die Richtige, denn sie wird auch meine Kinder gut versorgen.“ [169]), bevor er aus dem Büro kommt, sondern sich vor allem um die Kinder kümmert.

Von Kinderkrippen und rechten Schlägern

Denn Kinder, so erfahren wir bei Herman, sind oft deshalb selbst bindungsunfähig, weil sie von ihren Eltern, pardon, natürlich vor allem von der schlimmen, weil berufstätigen, weil rücksichtslos emanzipierten Mutter, schon früh in eine Kindertagesstätte gegeben werden. Und weil in der DDR Krippen wie mütterliche Berufstätigkeit gang und gäbe waren, wird auch die „höhere Gewaltbereitschaft im Osten", insbesondere „Rechtsradikalismus und Ausländerhass“ kurzerhand dem ostdeutschen Erziehungssystem in die Schuhe geschoben (S. 119f.).

Weil man aber nicht alles dem Sozialismus anlasten kann, verweist Herman dann doch noch darauf, dass schon unter den Nazis – Herman verweist auf die Bücher von Johanna Haarer – Kinder diszipliniert und „hart“ gemacht werden sollten, und dass diese ideologische Struktur heute immer noch zu beobachten sei:

„[Man muss] die Vorrangstellung der Berufstätigkeit vor den emotionalen Bedürfnissen […] als ideologische Einflussnahme bezeichnen. Die ökonomischen Anforderungen stehen heute im Verdacht, den Rang einer Weltanschauung und Lebenseinstellung eingenommen zu haben. Wir sollen „opferbereit“ sein wie die Mütter im Nationalsozialismus, wir sollen unsere Gefühle unterdrücken, uns von ihnen befreien, um ohne Sehnsüchte und ohne schlechtes Gewissen unserer Erwerbstätigkeit nachzugehen.“ (S. 145)

Damit nicht genug: vielleicht sind Kitas doch die Fortsetzung nationalsozialistischer und sozialistischer Zwangsbetreuung mit anderen Mitteln; gleich im Anschluss heißt es:

„Bei der Frage von Babykrippen und Betreuungseinrichtungen gilt daher nicht ohne Grund das Motto: „Je früher, desto besser. Wer sich bindet, ist schwach; wer sich möglichst nüchtern verhält und Bindungen vermeidet, ist am ehesten in der Lage, sein Kind fröhlich lächelnd in fremde Hände zu geben.“ In Einrichtungen, wo es versorgt, aber ganz bestimmt nicht auf den Arm genommen und mit Zärtlichkeiten bedacht wird. Johanna Haarer wäre zufrieden.“ (ebd.)

Man wundert sich, dass die Kindertagesstätten gegen derlei Unterstellungen nicht vorgehen. Oder dass Herman an dieser Stelle nicht grundlegend fragt, warum wir denn eigentlich im Kapitalismus das Primat der Arbeitswelt gegenüber dem „Privaten“ und der Kindeserziehung einfach hinnehmen – man könnte ja z.B. durchaus vorschlagen, dass sich die Arbeitswelt nach den Ansprüchen der Menschen ausrichten sollte. Schließlich schreibt Herman auch, wie im Bewusstsein revolutionärer Möglichkeiten: „Wir sind die materialistische Welt, wir machen sie selbst dazu. Genauso haben wir aber auch die Chance, uns diesen Mechanismen zu entziehen, wenn wir es nur wollen.“ (S. 24f.; Hervorhebung im Original) Natürlich macht sie nichts dergleichen.

Da die Männer im übrigen die Ergänzung, das Gegenmodell zur wundervollen Eva abgeben müssen, ist ihre Bindungsfähigkeit „meist schwächer als die weibliche“ (S. 175), dafür zeigen sie „geschlechtsbedingte, natürliche Aggressivität“ (S. 74). Überhaupt werden die Männer immer mehr ‚entmännlicht‘, woran auch die „Feminisierung in der Erziehung“ (S. 226) und die oft abwesenden Väter schuld seien: die Jungs bekommen ja überhaupt keine anderen männlichen Wesen mehr zu Gesicht, ja, es kann passieren, „dass ein Abiturient in seiner Kindergarten- und Schulzeit bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr unter Umständen nicht einen einzigen Mann erlebt.“ (S. 228) Jedenfalls, wenn er in einem Nonnenkonvent zur Schule geht und dort im Keller angekettet wird.

Dass Herman genau dieses Modell einer weitgehend männerfreien Kindererziehung aber für den heimischen Herd propagiert, fällt ihr leider nicht auf. Aber es gibt eh keinen anderen Weg, weiß Herman, denn die Männer, sie können es schlichtweg nicht: zwar sollen sie „jene Aufgaben übernehmen, die Frauen im Namen der Emanzipation ablehnen, vor allem die der Kinderbetreuung. Der darin enthaltene Denkfehler wird gern übersehen: die Frage nämlich, ob Männer überhaupt geeignet sind, solche Tätigkeiten zu übernehmen.“ (S. 85) Hier klafft natürlich ein semantisches Loch, dass ein Denkfehler keine Frage sein kann (und umgekehrt), doch egal, die Biologie ist einfach stärker:

„Nie in der Menschheitsgeschichte haben die Männer freiwillig Hausarbeiten verrichtet oder Kinder aufgezogen, aufgrund ihrer Veranlagungen sind sie auch nicht dafür vorgesehen. Werden Männer trotzdem in die Pflicht genommen, bedeutet das meist eine Verunsicherung ihrer Identität, die psychische Probleme aufwerfen kann.“ (S. 85)

Wir armen, verunsicherten, schlecht veranlagten Männer. (Nur um die geht es, böse Patriarchen spielen bei Herman keine Rolle.[2]) Vielleicht ist ein wenig Aufklärung in eigener Sache gestattet? Mann kann im Sitzen pinkeln und dennoch kein ‚Softie‘ sein (aber ein bisschen reinlicher als der Durchschnittsmann). Mann kann Hausarbeit machen, aber dennoch Rosen zum Hochzeitstag schenken. Und, ganz in echt: „Windeln wechseln, Spaghetti kochen und zur Not auch mal zum Seidenmalkurs mitkommen“ (S. 233) ist total in Ordnung, das können auch Männer machen, ohne dass deswegen das Kind vom Wickeltisch stürzt oder primäre Geschlechtsorgane abfallen.

Gezückten Dolch im Gewande: die Feministin

Das Eva-Prinzip wäre nur halb so lachhaft, wie es ist, wenn Herman nicht die Schuld an allen von ihr beschriebenen gesellschaftlichen, psychologischen und ethischen Problemen, da türmt sich ja so einiges, einer gesellschaftlichen Strömung allein in die Schuhe schöbe, nämlich dem Feminismus.

Reden wir Klartext: Die meisten Frauen können meist gar nicht frei entscheiden, ob sie zu Hause bleiben wollen oder arbeiten gehen, und zwar allein aus wirtschaftlichen Gründen. Das bedeutet nicht Freiheit, sondern Unterdrückung! Die Befreiung der Frau, ihre Emanzipation […] existiert überhaupt nicht. Unsere […] Gesellschaft […] hat sich die feministischen Glaubenssätze einverleibt und benutzt sie nun als Alibi, um Frauen aus der Familie zu reißen und sie auf den Arbeitsmarkt zu treiben. (S. 24)

Es ist bemerkenswert, wie schnell Herman hier die noch im ersten Satz beklagten „wirtschaftlichen Gründe“ vergisst und fürderhin ignoriert. Es ist nicht Geldmangel, sondern das „Diktat der Arbeitspflicht“ (S. 53), das Frauen in die Berufe drängt und dazu bringt „im Nadelstreifen durch eine kühle Männerwelt“ zu „marschieren“ (S. 31).[3] Die ‚Schuld‘ an den Lebensumständen der Frauen[4] tragen stets und immer wieder allein die Frauenbewegung und der Feminismus, als hätte es Erwerbsarbeit von Frauen nicht schon lange vor der Ersten Frauenbewegung gegeben.

In Hermans auf epische Breite angelegter Verschwörungstheorie sind „die meist unverheirateten Feministinnen“ (S. 18) „schwarze Streiterinnen“ (S. 218) und „Einpeitscherinnen“, die den Frauen „ein männliches Rollenbild aufzwingen wollen“ (S. 26). Zugleich hat die Frauenbewegung auch die allumfassende Diskurshoheit in Deutschland erlangen können, denn, wie Herman sprachlich höchst elegant zu sagen weiß: „Die Notwendigkeit der berufstätigen Frau [sic!] in Frage zu stellen ist eines der letzten Tabus unserer aufgeklärten, debattierfreudigen Gesellschaft.“ (S. 19) Gerne faselt sie auch davon, wir ließen „uns das Denken verbieten“, indem wir bestimmte Äußerungen widerspruchslos akzeptierten (S. 21) – eine Gleichsetzung von Meinungsfreiheit und Zensur, vor der die Mitarbeiter manches Propagandaministeriums ehrfurchtsvoll erblassen müssten –, und dass die „zulässige Grenze feministischen Denkens […] überschritten“ worden sei (S. 208): Da ist sie, die Diskurspolizistin Herman. Obwohl doch eigentlich der Feminismus das Sagen hat:

„Ist es das, was die Frauenbewegung wollte? Dass sie Themen besetzt und nicht mehr hergibt? Dass sie ein Redeverbot über Dinge erteilt, die nicht ins feministische Konzept passen?“ (S. 212)

Eine solche Reihung rhetorischer Fragen ersetzt im Eva-Prinzip des öfteren das wohl strukturierte Argument; weil aber die im Sinne Hermans richtige Beantwortung der Fragen dann doch davon abhängt, dass man auch ihre Positionen teilt – man könnte ja hier mit Fug und Recht auch stets mit „Nein“ antworten –, weil also die rhetorische Frage eben doch ein Mittel der Argumentation ist, das nicht jedem Geist gehorchen mag, schiebt sie sicherheitshalber (und ausnahmsweise) doch noch die Antwort nach: „Es sieht ganz danach aus.“ Beziehungsweise eben nicht.

Herman, die mutige, bricht die von ihr herbeibehaupteten Redeverbote mit Hingabe. In der Gesellschaft wage man ja nicht mehr darüber zu diskutieren, „ob die Errungenschaften der Frauenbewegung überhaupt Errungenschaften sind“ (S. 12), und auch Nutzen und Erkenntnisse der Gender Studies in Frage zu stellen, das seien „Tabufragen“ (S. 204); deshalb werde ihr Buch „provozieren. Es wird all jene auf den Plan rufen, die gefangen sind in den Argumenten und Überzeugungen des Feminismus.“ (S. 32) In Hermans Welt sind Feministinnen geifernde Egoistinnen, die mit scharfen Zähnen und „gezückte[m] Dolch unter der schwarzen Kutte“ (S. 217) darauf achten, dass niemand aus dem Tretmühlenrudel ausschert.

In Deutschland werden sie vor allem durch die anscheinend äußerst verachtenswerte Alice Schwarzer und ihr Buch Der kleine Unterschied verkörpert – viel mehr muss Herman nicht zur Kenntnis nehmen. Daneben gibt es noch, aber das war’s dann auch schon, Simone de Beauvoir (sie und Sartre hatten eine schwierige Beziehung: „nie kochte sie für ihn"!) und Das andere Geschlecht; dass dieses Buch wiederum irgendwo als „Bibel der Frauenbewegung“ bezeichnet wurde, dient ihr gleich als Hinweis darauf, die Frauenbewegung sei wohl „eine Art Religionsersatz“ (S. 192), beziehungsweise, weil das für ihre Zwecke dienlicher ist, „letztlich nichts anderes als eine Form von Fundamentalismus, [… also] eine religiöse oder weltanschauliche Strömung, die in sich starr bleibt und nicht diskutiert werden kann.“ (ebd.)

Aber, hoppla, es war doch nicht alles schlimm:

„Natürlich gibt es entscheidende Verbesserungen, die uns die so genannte Emanzipation gebracht hat: […] Doch sind diese Errungenschaften nicht alle das Ergebnis militanter Feministinnen, sondern zum Teil bereits im Grundgesetz als Menschenrechte verankert.“ (S. 202)

Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt.[5]

Bloß nicht recherchieren, ich könnte mich irren!

So ahnungslos dies alles ist, gelegentlich verweist auch Herman auf anscheinend vernünftige Quellen, selbst wenn diese nicht immer eindeutig identifizierbar sind:

„Im Frühjahr 2006 veröffentlichte das Bundesfamilienministerium eine große Familienstudie. Darin wurde behauptet, dass Hausfrauen nur einen verschwindend kleinen Teil ihrer Zeit mit Kinderbetreuung und Hausarbeiten verbrächten, ansonsten ihre Zeit mit Freizeitaktivitäten vertändeln würden.“ (S. 51)

Welche Studie hier genau gemeint ist, lässt sich nur vermuten; wahrscheinlich handelt es sich um den Siebten Familienbericht der Bundesregierung, von dem die Rheinische Post berichtete, er kritisiere Mütter in Deutschland im von Herman wiedergegebenen Sinne. Die Meldung wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen, stellte sich aber rasch als Missverständnis heraus, das insbesondere einem genaueren Blick auf die im Bericht wiedergegebenen Daten nicht standhält.

Ein Blick ins Archiv hätte hier also Wunder wirken können; ein weiterer hätte vielleicht verhindert, dass Herman auch noch die gerne kolportierte, aber wahrscheinlich unwahre Legende von den „Büstenhalter[n] auf lodernde[n] Scheiterhaufen“ (S. 181) weiterverbreitet. Man mag hier kaum mehr an Versehen glauben, eher scheint es, als nehme Herman tatsächlich nur wahr, was ihr ins Konzept passt. Etwa dies:

„Die Feministinnen waren sich also einig, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleich seien und nur die Erziehung darüber bestimme, wie männlich oder weiblich sich jemand gebe.“ (S. 66)

So kann nur schreiben, wer den Begriff „Differenzfeminismus“ nie gehört hat, so kann auch nur schreiben, wer sich nicht die Mühe machen mag, die eigenen Thesen wenigstens daraufhin zu überprüfen, ob ihre Voraussetzungen stimmen. Man kann wohl zusammenfassen, dass weder Eva Herman noch ihre Koautorin Christine Eichel, Ressortleiterin bei Cicero, viel Zeit und Energie in Recherchearbeit investiert haben. Das mag am Zeitdruck gelegen haben, unter dem das Buch offensichtlich produziert wurde und von dem vor allem im letzten Drittel des Buches so hübsche Stilblüten zeugen wie die Erinnerung an die Zeit, „als einige Frauen aus dem Umfeld von Bündnis 90/Die Grünen 1987 das ‚Müttermanifest‘ veröffentlichten“ (S. 202) oder das Gedenken an „namenlose[] Opfer wie Birgit“ (S. 205).

Basteln am Backlash

Angesichts der zementierten Abgeschlossenheit, die das im Eva-Prinzip beschriebene Weltbild aufweist, seiner in Sprache und Gedanken äußerst schlampigen, nur auf Krisenrhetorik und Paranoia konzentrierten Eindimensionalität und der erschreckenden Ahnungslosigkeit bis in die fundamentalen Behauptungen des Buches hinein stellt sich nicht nur die Frage danach, wie es um die Qualität des deutschen Fernsehjournalismus bestellt ist, sondern auch danach, welche Lücke Das Eva-Prinzip eigentlich füllt.

Natürlich war spätestens nach Eva Hermans schon seit zwei Jahren geplanten und in Cicero, dem Magazin für den selbsterklärt intellektuellen Konservativen, publizierten Essay „Die Emanzipation – ein Irrtum?“ deutlich, dass es einen Markt für dieses Buch gibt. In die Debatte, ach was, „Diskurspropaganda“ (Mercedes Bunz), die sich um das Thema Frauen-und-Kinder-und-demographische-Entwicklung im Laufe des Jahres entwickelt hat und die mit den Verlautbarungen der Herren Frank Schirrmacher und Norbert Bolz sicher noch kein Ende gefunden hat, fügt sich Das Eva-Prinzip hervorragend ein. Zugleich wird ja auch daran gearbeitet, das Patriarchat – oder genauer: eine verklärte Idealform des Patriarchats, die nie Realität war – zu rehabilitieren. Am öffentlichsten hat dies bisher Philip Longman in der Zeitschrift Foreign Policy mit seinem Aufsatz „The Return of Patriarchy“ (hier kostenlos einsehbar) getan.

Es wird also allerseits am Backlash gebastelt, und doch scheint Das Eva-Prinzip herauszustehen, weil es eine Position besetzt, die im politischen Alltagsgeschäft praktisch niemand mehr vertreten mag, sieht man vielleicht von neonazistischen Gruppierungen ab. Sogar der Spiegel, nicht gerade das Kampfblatt der deutschen Frauenbewegung, kann sich über sie, die sich an ihre eigenen Vorschläge und Forderungen nicht gehalten hat, mokieren.

Genau hier aber liegt das Problem. Das Eva-Prinzip ist inhaltlich bedeutungslos und argumentativ wertlos; Herman lässt sich vor einen Karren spannen, in dem niemand sitzen mag. Aber ihr Buch funktioniert prima als Strohpüppchen, das man der feministischen Meute zum Fraß vorwerfen kann. Zugleich kann man von nahezu allen politischen Positionen aus mit dem Finger auf sie zeigen und sich prima und leicht von ihr absetzen. Gegen das „Eva-Prinzip“ wirkt selbst die Familienpolitik der CSU frauenbewegt und revolutionär.

Das Eva-Prinzip ist keine politische Schrift, sondern eine kleine Dosis Gedankengift im Dienste politischer Desensibilisierung, ein Blitzableiter, unter dessen Schutz Schirrmacher, Bolz und Co. weiter wirken können. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Aber Grund zum Verzagen besteht natürlich auch nicht. Denn – diese billige Pointe zum Schluss sei mir gegönnt – Hermans Buch ist ein Triumph der Frauenbewegung. Endlich darf eine Frau, wie früher nur die Männer, gequirlte Dampfkacke daherschreiben, die dann nicht nur publiziert wird, sondern auch noch Ernst genommen und anschließend durch die Medienlandschaft gereicht wird, als hätten wir nichts Originelleres oder Bemerkenswerteres zu tun. Dieser Text hier ist nur ein weiterer Beweis dafür.

So sieht Gleichberechtigung aus, und es hat ja nun wirklich niemand behauptet, dass die völlig schmerzfrei zu haben sei.

Anmerkungen

[1]: Frau und Herr Pease sind das Autor/-innenpaar, von dem zahlreiche Bücher à la Warum Frauen nicht einparken können und Männer nicht nach dem Weg fragen stammen. Die nach ihnen benannte Skala habe ich mir gerade ausgedacht.

[2]: „Ja, es gibt sie […] diese finsteren Charaktere, die Frauen schlecht behandeln, sie schlagen, sie ihrer Freiheit berauben. Doch um sie geht es hier nicht. Sie sind nicht Teil des Problems, das die diffusen Männerbilder hervorbringt, die Rollenunsicherheiten […]“ (S. 231f.)

[3]: Herman blendet ganze soziale Schichten völlig aus: die berufstätigen Frauen tragen selbstverständlich Nadelstreifen (und nicht etwa einen Drogerie-Discounter-Kittel), und „im Allgemeinen konzentriert sich die Mehrzahl der Männer lieber auf die Karriere.“ (S. 86) Draußen in der richtigen Welt wird die Mehrzahl der Männer allenfalls einmal einen ein wenig besser bezahlten Job ergattern können; von „Karriere“ kann da wohl keine Rede sein.

[4]: „Die Frauen“ treten bei Herman immer nur als monolithische Gruppe auf, neben den Männern nur noch „diesen Frauen“ gegenüber gestellt, den Feministinnen

[5]: Doch, doch, sie weiß: „Die Geschichte des Feminismus begann übrigens weit vor der Arbeit Simone de Beauvoirs und hatte durchaus viel Gutes zur Folge.“ (S. 195)

URN urn:nbn:de:0114-qn073340

Rochus Wolff

Rochus Wolff

Rochus Wolff war von 2003 bis 2006 Mitglied der Redaktion von Querelles-Net. Er ist Promovend am Graduiertenkolleg Gender in Motion an der Universität Basel und Administrator des Genderblog, eines Gemeinschaftsweblogs zu Feminismus, Geschlechterpolitik, Frauen- und Geschlechterforschung. Er lebt mit seiner Partnerin und seinem Sohn in Berlin und ist als Vater auf dem Spielplatz viel zu oft in der Minderheit.

E-Mail: mail@rochuswolff.de

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