Christine Bard, Annie Metz, Valérie Neveu (Hg.):
Guide des sources de l’histoire du féminisme de la Révolution française à nos jours.
Rennes: Presses universitaires de Rennes 2006.
442 Seiten, ISBN 978–2–7535–0271–0, € 22,00
Abstract: Der vorliegende Archivführer stellt nach einem festen Schema ca. 100 Archive und Bibliotheken sowie Webseiten vor, die Bestände für die Geschichte des französischen Feminismus aufweisen. Eine Pionierarbeit!
Als die französischen Feministinnen in den 1970er Jahren bemerkten, dass außer Simone de Beauvoir schon andere vor ihnen für die Rechte der Frauen gekämpft hatten, wunderten sie sich darüber, dass es so wenig einschlägige Quellen gab. Zwar existierte seit 1931 in Paris die Bibliothèque Marguerite Durand, die ausschließlich der Geschichte der Frauen und des Feminismus gewidmet ist, aber vor der so genannten „zweiten Welle“ des Feminismus dämmerte sie weitgehend vor sich hin. Die rege Nachfrage ab den 1970er Jahren bewog die Stadt Paris dazu, die Bibliothek besser auszustatten, aber dennoch reichten bald weder Personal noch Magazine aus. Dieser Zustand wurde besonders deutlich, als die russische Regierung begann, Frankreich die Archivbestände zurückzugeben, die die deutschen Besatzer von 1940 bis 1944 beschlagnahmt hatten und die nach Kriegsende in den Besitz der Sowjets übergegangen waren. Unter ihnen befanden sich 11 laufende Meter Dokumente der Frauenrechtlerin Cécile Brunschvicg, die an führender Stelle für das Wahlrecht gekämpft hatte und in der Volksfrontregierung Unterstaatssekretärin gewesen war.
Um einen Ort zu schaffen, an dem außerhalb der Pariser Bibliothek umfangreichere feministische Archive konserviert werden konnten, wurden im Jahre 2001 die Archives du féminisme an der Universität Angers gegründet. Treibende Kraft dabei war eine Schülerin der Historikerin Michelle Perrot, die wir in Deutschland vor allem als Mitherausgeberin der fünfbändigen Geschichte der Frauen kennen, die ab den 1970er Jahren von der Reformuniversität Paris VII-Denis Diderot (Jussieu) aus jedoch auch zahlreiche junge Historikerinnen mit der Geschlechteroptik vertraut machte. Unter jenen, die heute selbst an französischen Universitäten lehren, ist Christine Bard in ihrer Generation die produktivste. So ist es nicht verwunderlich, dass sie es war, die die Initiative ergriff, um das feministische Archiv zu gründen, das nach dem Fonds von Cécile Brunschvicg inzwischen 16 weitere Fonds beherbergt, deren Klassifizierung, Inventarisierung und Analyse Gegenstand von Magister- und Doktorarbeiten ist.
Die Mitglieder der Archives du féminisme haben sich nicht damit begnügt, das Material bearbeiten zu lassen, das man ihnen zur Konservierung anbot. Um die historische Forschung zur Geschichte des französischen Feminismus auf eine breitere Basis zu stellen, unternahmen sie den Versuch, sämtliche über ganz Frankreich verstreute Bestände zu ermitteln. Das Ergebnis liegt nun in einem umfassenden Archivführer vor, mit dem die Buchreihe Archives du féminisme inauguriert wird. Federführend sind neben Christine Bard Annie Metz, die die Bibliothèque Marguerite Durand leitet, und Valérie Neveu, die von 2001 bis 2006 das feministische Archiv in Angers betreut hat.
Das Werk umfasst fünf Teile. Der erste Teil gibt Auskunft über einschlägige Bestände in öffentlichen Archiven, beginnend mit jenen auf Gemeinde- und Départementsebene. Hier waren die Herausgeberinnen auf das Feedback angewiesen, das sie nach Versand von 350 Fragebögen erhielten, und dieses war nicht exuberant. Dafür ist die Information über das im Nationalarchiv lagernde Material umso substantieller. Neben den Beständen der einzelnen Ministerien werden vor allem die Dokumente des sogenannten „Staatsfeminismus“ aufgeführt, der Maßnahmen also, die unter den verschiedenen Regierungen die Rechte der Frauen betrafen. Die Herausgeberinnen entschieden sich bewusst dafür, nicht nur die Frauenbefreiungsbewegungen im engeren Sinne zu berücksichtigen, sondern sie nahmen alle Quellen auf, die über die Frauenemanzipation informieren. So könnte man den zweiten Teil, der insgesamt 58 Vereine, Bibliotheken, Museen und Zentren mit Privatarchiven umfasst, unter anderem nach Frauenbewegungen in politischen Parteien, Gewerkschaften, Konfessionen und Berufen einteilen – neben den Kämpferinnen für das Wahlrecht und den modernen Feministinnen. Die extensive Auslegung des Feminismusbegriffs erlaubte es, Archive von Widerständlerinnen, Freimaurerinnen, Pfadfinderinnen und vielen anderen aufzunehmen. Neben der Bibliothèque Marguerite Durand und den Archives du féminisme, Angers, sind am opulentesten die Nationalbibliothek, die im Jahre 2004 ein Verzeichnis ihrer eigenen Bestände zur Frauengeschichte publizierte, und die Bibliothèque historique de la Ville de Paris, die vor allem Dokumente von und zu herausragenden Figuren der Frauenrechtsbewegung konserviert, ausgestattet. Eine wichtige Rolle kommt weiterhin der Bibliothèque de documentation internationale contemporaine (BDIC), Nanterre, zu, die unter anderem ein Archiv ehemaliger Deportierter beherbergt.
Der dritte Teil führt audiovisuelle Quellen auf, der vierte die wichtigsten französischen – und auch einige europäische – Webseiten. Der fünfte und letzte Teil stellt neben einer ausführlichen Bibliographie die Instrumente zur Erschließung des Nachschlagewerkes bereit: drei Indices mit Medien, Vereinen und Eigennamen.
Man wünscht diesem Archivführer, der in jede Universitätsbibliothek und in jedes Archiv gehört, viele Benutzerinnen und Benutzer, auch im deutschsprachigen Raum, wo sich noch immer nicht genug herumgesprochen hat, dass es außer Cixous, Irigaray und Kristeva noch andere Feministinnen in Frankreich gibt!
URN urn:nbn:de:0114-qn082146
Die Nutzungs- und Urheberrechte an diesem Text liegen bei der Autorin bzw. dem Autor bzw. den Autor/-innen. Dieser Text steht nicht unter einer Creative-Commons-Lizenz und kann ohne Einwilligung der Rechteinhaber/-innen nicht weitergegeben oder verändert werden.