Familienleistungen – Förderung von Ehe und/oder Familie

Rezension von Maria Wersig

Jörg Althammer, Ute Klammer (Hg.):

Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung.

Tübingen: Mohr Siebeck 2006.

224 Seiten, ISBN 978–3–16–148614–2, € 49,00

Abstract: Der Sammelband beschäftigt sich aus wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher sowie aus juristischer Perspektive mit der Berücksichtigung von Ehe und Familie im Gefüge der deutschen Steuerrechts- und Sozialordnung. Die Art der Berücksichtigung von Ehe und Familie, besonders im Steuerrecht, ist seit Jahren Gegenstand politischer und wissenschaftlicher Kontroversen. Die Ausgestaltung der Berücksichtigung bzw. Förderung ist eng verknüpft mit Sollensvorstellungen und politischer Förderung einer bestimmten Art von Familie und einer traditionellen Arbeitsteilung der Geschlechter. Ein Beispiel für diesen Aspekt des Themas ist das seit Jahrzehnten diskutierte Ehegattensplitting und dessen Reformalternativen, die in mehreren Beiträgen des Bandes diskutiert werden.

Zankapfel familienpolitische Leistungen

Seit einigen Jahren hat das Benchmarking in die deutsche Familienpolitik Einzug gehalten: Andere europäische Länder erreichen mit nicht mehr Geld für staatliche Familienleistungen „mehr“, argumentiert inzwischen auch die Bundesregierung. „Mehr“ bedeutet nach dem herrschenden Verständnis derzeit vor allem „mehr Kinder“. Andere Stimmen verweisen auf die höhere Müttererwerbstätigkeit, etwa in Frankreich und Schweden, den hohen Anteil traditioneller Familienformen in Deutschland, vergleichsweise hohe Armutsrisiken von Familien und die starke Verankerung des männlichen Ernährermodells in Deutschland. Die Ausgestaltung von Famlienleistungen hat vielfältige Steuerungswirkungen und ist daher immer ein politisches, besonders ein geschlechterpolitisches, Thema. Der von Jörg Althammer und Ute Klammer herausgegebene Sammelband basiert auf einer im Juli 2004 an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführten interdisziplinären Tagung. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der monetären Entlastung von Familien bzw. Eltern durch Transferleistungen oder Steuererleichterungen und Berücksichtigung im Sozialversicherungsrecht. Obwohl seit Erscheinen des Buches einige familienpolitisch wirksame Leistungen, wie die erweiterte steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und das Elterngeld, neu eingeführt wurden, ist der sorgfältig zusammengestellte Sammelband immer noch aktuell und lesenswert.

Politische Gestaltungsspielräume und die Systematik familienpolitischer Leistungen

In ihrem einleitenden Beitrag skizziert Irene Gerlach die Charakteristika der Familienpolitik der Bundesrepublik. Sie betont die Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den 1990er Jahren, welche Organisations- und Leistungserfordernisse des Familienlastenausgleichs formulierte und grundsätzlich das Verhältnis familialer Leistungen zur Gesellschaft neu definierte. Diese Rechtsprechung ist schon deshalb für die zukünftige Gestaltung von Familienpolitik zentral, weil ein wesentlicher Anteil des Familienlastenausgleichs in der Höhe aufgrund dieser Urteile nicht mehr zurückgenommen werden kann.

Jörg Althammer und Hajo Romahn widmen ihren Beitrag der Darstellung und Systematisierung der verschiedenen Instrumente der monetären Familienpolitik. Sie unterscheiden dabei zwischen Maßnahmen zur Herstellung von Steuergerechtigkeit, zur Kompensation gemeinwohlförderlicher Leistungen von Familien und Leistungen zur bedarfsabhängigen Familienförderung. Wegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches die Steuerfreistellung des Existenzminimums jedes Familienmitglieds als einen Eckpunkt leistungsgerechter Besteuerung ansieht, seien insbesondere beim Punkt der Herstellung von Steuergerechtigkeit die Spielräume des Gesetzgebers begrenzt. Die Autoren resümieren, das System der monetären Familienleistungen sei intransparent und besonders im Bereich der Sozialversicherung reformbedürftig.

C. Katharina Spieß schlägt in ihrem Beitrag die Bündelung und Integration der familienpolitischen Leistungen in eine parafiskalisch organisierte Familienkasse vor. Dadurch sei mehr Transparenz und durch die parafiskalische Organisationsform eine Entkopplung vom politischen Tagesgeschehen und finanzpolitischen Überlegungen zu erreichen. Margit Schratzenstaller vergleicht in ihrem Beitrag den monetären Familienlastenausgleich in verschiedenen europäischen Ländern und berücksichtigt dabei besonders die Rolle des Ziels einer gleichberechtigten Erwerbsintegration von Frauen in verschiedenen Wohlfahrtsstaatsmodellen.

Ehegattensplitting: alternativlos oder verfassungswidrig?

Beim Ehegattensplitting werden die Einkünfte, welche die Eheleute erzielt haben, zunächst zusammengerechnet. Das gemeinsame zu versteuernde Einkommen wird durch zwei geteilt, und die Steuerlast dieses hälftigen Betrages errechnet und verdoppelt. Die steuerliche Entlastung ist damit abhängig von zwei Faktoren: der Einkommensdifferenz zwischen den Partnern und der Höhe des gemeinsam erzielten Einkommens. Je größer die Einkommensdifferenz zwischen den Ehegatten, desto größer ist die Steuerersparnis des Paares. Verdienen beide Personen gleich viel, tritt keine Ersparnis ein. Der Grund ist die Progression der Einkommensbesteuerung, mit steigendem zu versteuernden Einkommen erhöht sich der anzuwendende Steuersatz. Franziska Vollmer stellt in ihrem Beitrag die herrschende juristische Meinung, das Ehegattensplitting sei eine verfassungsgemäße Art der Besteuerung von Ehegatten bzw. sogar verfassungsrechtlich geboten, in Frage. Das Ehegattensplitting sei als Förderung einer bestimmten Ehe, nämlich der Einverdienst-Ehe, verfassungswidrig, denn der Gesetzgeber habe die Grundrechte des einzelnen Individuums, nicht nur der Familie als Gesamtheit, angemessen zu berücksichtigen.

Miriam Beblo, Denis Beninger und Francois Laisney diskutieren in ihrem Beitrag die ökonomischen Wirkungen der Reformalternativen zum Ehegattensplitting: Individualbesteuerung und Familiensplitting. Im Mittelpunkt steht dabei die Mikrosimulation der Auswirkungen der Einführung der Reformalternativen auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen. Diese sind von besonderem Interesse, da die steuerliche Behandlung des „Zweiteinkommens“ beim Ehegattensplitting besonders negative Anreize im Hinblick auf eine Erwerbsbeteiligung von Frauen ausübt. Die Autor/-innen beziehen die Verteilungseffekte der Ressourcen innerhalb des Haushalts ebenfalls in ihre Überlegungen ein. Im Ergebnis hätte die Einführung eines Familiensplittings kaum Effekte in Deutschland, die errechneten Arbeitsangebotseffekte für Frauen sind überraschend klein, und die finanzielle Entlastung von Familien käme hauptsächlich der kleinen Gruppe der Besserverdienenden mit vielen Kindern zugute. Die Individualbesteuerung von Ehegatten würde sich stärker auf die Anreize für Frauen, eine Beschäftigung aufzunehmen, auswirken und positive Wohlfahrtseffekte bewirken.

Fazit

Im vorliegenden Sammelband wird erfreulicherweise ein deutlicher Schwerpunkt auf die geschlechterpolitischen Implikationen der Ausgestaltung von Familienleistungen gelegt. Aufgrund der sorgfältigen Themenwahl, der interdisziplinären Zusammensetzung und der unterschiedlichen politischen Prämissen der Autorinnen und Autoren entsteht ein durchaus realistisches Bild der Kontroversen, die im Politikfeld Familienleistungen nach wie vor bestehen. Das Buch bietet daher einen guten Einblick in die Debatten um die Ausgestaltung familienpolitischer Leistungen und in die Anforderungen, die aus verschiedenen Blickwinkeln an Familienpolitik gestellt werden. Es ist daher auch im Studium zu empfehlen. Die von den Autorinnen und Autoren diskutierten Reformperspektiven sind weiterhin aktuell und (wie etwa das Familiensplitting) Gegenstand tagespolitischer Auseinandersetzungen.

URN urn:nbn:de:0114-qn082315

Dipl. Jur. Maria Wersig

Berlin

E-Mail: mwersig@zedat.fu-berlin.de

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