Jan Eckhard, Thomas Klein:
Männer, Kinderwunsch und generatives Verhalten.
Eine Auswertung des Familiensurvey zu Geschlechterunterschieden in der Motivation zur Elternschaft.
Wiesbaden: VS 2006.
193 Seiten, ISBN 978–3–531–15096–3, € 28,90
Abstract: Die quantitative Studie von Eckhard und Klein umfasst knapp 200 Seiten und beschäftigt sich mit Geschlechterdifferenzen beim Kinderwunsch und der Motivation zur Elternschaft. Sie basiert auf Daten des Familiensurveys und wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen und Forschungen, die nach wie vor den Blick vorrangig auf Frauen richten, ist die vorliegende Studie bedeutsam. Die Autoren zeigen auf, dass unter den jüngeren Männern eine deutlich höhere Zahl kinderlos ist als unter den jüngeren Frauen und dass beim Thema Kinderwunsch und bei der Reaktion auf äußere Rahmenbedingungen verschiedene Geschlechterdifferenzen existieren. Der Fokus der Studie liegt dabei auf der ausführlichen Darstellung des quantitativen Datenmaterials, während Analysen und Interpretationen der Ergebnisse leider nur angedeutet werden.
Jan Eckhard und Thomas Klein beschäftigen sich in ihrer quantitativen Studie mit den Geschlechterdifferenzen beim Kinderwunsch und bei der Motivation zur Elternschaft. Das Geburtenverhalten wird von den Autoren als Folge des „Zusammenwirkens von ‚inneren‘ Motivstrukturen und ‚äußeren‘ Rahmenbedingungen“ (S. 9) analysiert. Als Datenbasis dient eine Sonderauswertung des Familiensurveys vom Deutschen Jugendinstitut e.V. Die Untersuchung wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Eckhard/Klein stellen den Stand der Forschung zu dem Thema ‚Männer und Kinder‘ kurz dar. Sie konstatieren ein Forschungsdefizit, sowohl in Bezug auf demographische als auch auf sozialwissenschaftliche Studien. Dieses Defizit hängt auch mit der Datenlage der amtlichen Statistiken zusammen, in denen männliche Elternschaft nur unzureichend erfasst wird. Deshalb greifen die Autoren auf Daten des Familiensurveys zurück, die eine Analyse des generativen Verhaltens von Männern ermöglicht. Sie verwenden dabei für ein Kapitel Daten des Familiensurveys von 2000, greifen aber für die restlichen drei Kapitel auf Daten von 1988 bzw. 1994 zurück. Welche Bedeutung dies für Ergebnisse haben könnte, wird von den Autoren nicht thematisiert.
Wie wichtig es ist, Männer ins Blickfeld der generativen Forschung zu nehmen, zeigt schon allein die Tatsache, dass deutlich mehr jüngere Männern kinderlos sind als Frauen. So sind heute bei den über 20 Jahre alten Männern etwa 33% kinderlos, gegenüber 26% bei den Frauen (vgl. S. 23). Überdies deutet alles darauf hin, dass Männer insgesamt weniger Kinder haben. Für die Jahrgänge 1935–40, deren reproduktive Phase als abgeschlossen angesehen werden kann, ergibt sich für die Frauen eine durchschnittliche Familiengröße von 2,21 Kindern und für die Männer von 1,87. Außerdem wünschen sich Männer weniger häufig als Frauen ein erstes Kind (vgl. S. 9). Der Wunsch nach eigenen Kindern entsteht bei Männern häufiger erst vor dem Hintergrund einer konkreten Paarbeziehung, während er bei Frauen auch „eher ‚abstrakt‘ existiert“ (S. 9).
Die Autoren erläutern, dass „der Kinderwunsch von Männern und Frauen in unterschiedlicher Weise von sozial-strukturellen Rahmenbedingungen abhängig ist“ (S. 179). Insbesondere die finanzielle und berufliche Situation wirkten sich auf Männer und Frauen oft quasi gegensätzlich aus. Die unterschiedlichen Wirkungen hingen insbesondere auch mit dem Modell des männlichen Familienernährers zusammen, das, wie die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen, nach wie vor große Wirksamkeit entfalte. So habe Arbeitslosigkeit bei Männern einen negativen Effekt auf den Wunsch zur Elternschaft, bei Frauen hingegen tendenziell einen positiven. Außerdem nehme der Kinderwunsch und auch der Wunsch zur Familienerweiterung bei Männern mit der Höhe des Einkommens zu, während bei Frauen mit steigendem Einkommen sowohl der Anteil der Unentschlossenen als auch der Anteil derer, die sich kein Kind wünschen, ansteige (vgl. S. 180). Außerdem korreliert die Höhe des Schulabschlusses „bei Frauen negativ, bei Männern hingegen positiv mit dem Wunsch nach einer Familiengründung“ (S. 179). Die Effekte des Bildungsniveaus seien allerdings nur für den Wunsch nach dem ersten Kind relevant, nicht beim Wunsch nach weiteren Kindern.
Auch weitere Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung der (vielfach noch) vorherrschenden traditionellen Geschlechterrollen und der damit verbundenen Arbeitsteilung, was von den Autoren nur am Rande thematisiert wird. So gehen fast 90% aller Frauen (Kinderlose und Mütter) davon aus, dass eigene Kinder berufliche Einschränkungen notwendig machen. Bei den Männern äußern sich Väter zu 45% bis 50% und Kinderlose zu etwa 65% entsprechend (vgl. S. 184). Entgegen den gängigen Vorstellungen im Mediendiskurs ist dabei die Wahrnehmung der Notwendigkeit beruflicher Einschränkungen für Frauen in den verschiedenen Bildungsgruppen etwa gleich: Frauen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen unterscheiden sich nicht von Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen.
Wichtig für die Familiengründung sind nicht-instrumentelle Beweggründe – wie Erfüllung und Intensivierung des Lebens durch Kinder oder Freude an Kindern und Sinnstiftung –, während instrumentelle Beweggründe – wie der Nutzen von Kindern als Hilfe im Alter – weniger häufig als ausschlaggebend für den Kinderwunsch genannt werden (vgl. S. 181). Interessant ist, dass nicht-materielle Gründe auch von über 80% der Kinderlosen benannt werden (vgl. S. 84). Stark verbreitet ist bei den Hinderungsgründen „die Wahrnehmung der finanziellen und der psychisch-emotionalen Belastungen sowie der beruflichen Opportunitätskosten für die Frauen. Hingegen werden Belastungen für die Partnerschaft oder Probleme mit Kindern in der Öffentlichkeit vergleichsweise selten erwartet und wahrgenommen“ (S. 180).
Anhand der Längsschnittdaten von 1988 und 1994 untersuchen die Autoren die Verhaltensrelevanz der Motivationslagen und kommen zu dem Ergebnis, dass für Männer und Frauen insbesondere immaterielle Beweggründe bedeutend seien (vgl. S. 180). So entscheiden sich Männer und Frauen, die psychisch-emotionale Belastungen erwarten, vergleichsweise seltener für ein erstes Kind (vgl. S. 184). Erstaunlich ist, dass Eckhard/Klein „für die Wahrnehmung der Unvereinbarkeit von Berufskarriere und Familie keine Verhaltensrelevanz feststellen“ können (S. 185). Dies ist jedoch weniger überraschend, wenn man bedenkt, dass etwa 90% der westdeutschen Frauen von der Notwendigkeit beruflicher Einschränkungen ausgehen (vgl. S. 146). Anders verhält es sich mit freizeitbezogenen Opportunitätskosten: diese werden zwar im Vergleich zu beruflichen seltener wahrgenommen, aber vor allem für die Familiengründung kann es eine Rolle spielen, ob Frauen oder Männer davon ausgehen, dass eigene Kinder zu wenig freie Zeit lassen.
Eckhard und Klein analysieren in ihrer Studie die Motivation zur Elternschaft bei Männern und Frauen. Ihr Band füllt insofern eine Forschungslücke, als sich die Mehrzahl der Forschungen und der statistischen Erhebungen noch immer auf das Thema Mutterschaft konzentriert. Die Autoren liefern interessante quantitative Ergebnisse. Allerdings ist die ausführliche Darstellung zumeist rein deskriptiv, ohne dass die Ergebnisse wissenschaftlich und/oder gesellschaftlich eingeordnet bzw. bewertet werden. Dies zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass außer im zweiten Kapitel zum Stand der Forschung sehr wenig Sekundärliteratur einfließt. Die Studie enthält jedoch zahlreiche Ansatzpunkte sowohl für qualitative Forschung als auch für die Familienpolitik und damit Anreize, weiter zu denken und zu forschen.
URN urn:nbn:de:0114-qn082081
Lena Correll
E-Mail: correll@staff.uni-marburg.de
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