Sind Frauen kränker als Männer? Was macht Frauen krank? Warum sterben Männer früher? Geschlechtsunterschiede in Morbidität und Mortalität haben seit den 70er Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erlangt, zunächst vor allem in Hinblick auf die Gesundheit der Frauen. So gab es eine Reihe von Arbeiten, die sich mit der Frage auseinandersetzten, ob und inwiefern Frauen „das kränkere“ Geschlecht seien. Die amerikanische Soziologin Verbrugge beispielsweise wunderte sich: „How can the sicker sex have greater longevity?“ (Verbrugge, 1976) und auch in Deutschland erschienen mehrere Veröffentlichungen zum Thema (s. z.B. Hagemann-White, 1994 oder Schneider, 1981).
Das Anliegen der Frauengesundheits-Forschung war es zunächst, die Auswirkungen unterschiedlicher sozialer Lagen von Frauen auf ihre Gesundheit differenzierter zu erfassen. Außerdem bestand ein großer Nachholbedarf an Wissen zur Frauengesundheit, da in vielen klinischen Studien (z.B. zu Herz-Kreislauf-Krankheiten) Frauen nicht berücksichtigt worden waren. Um die Wissenslücken zur gesundheitlichen Situation von Frauen zu schließen, wurde beispielsweise in den USA 1991 die Women’s Health Initiative (WHI) gegründet, die 164.000 postmenopausale Frauen in einer Reihe von klinischen Studien erfasst. Ziel der WHI ist die Erforschung von Determinanten der Gesundheit von Frauen nach der Menopause sowie die Erlangung von Erkenntnissen über die Wirksamkeit bzw. auch Schädlichkeit von praktischen Interventionen, z.B. der Hormontherapie bei Frauen nach den Wechseljahren (vgl. die Homepage der WHI). Die ersten Ergebnisse der WHI, die im Jahre 2002 veröffentlicht wurden, zeigten, dass die langjährige Gabe von Östrogenen nach der Menopause, statt vor Osteoporose und Herzinfarkt zu schützen, die Brustkrebsrate signifikant erhöht. Daraufhin gingen die Verordnungen von Hormonpräparaten deutlich zurück. Interessanterweise werden inzwischen erste Hinweise deutlich, dass die Brustkrebsrate bei Frauen zurückgegangen sei, ein Phänomen, welches auf den Rückgang der Hormonersatztherapien bei Frauen zurückgeführt wird (s. z.B. den Bericht im Deutschen Ärzteblatt vom 8. Dezember 2006).
In Deutschland gab das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1996 einen „Frauengesundheits-Bericht“ in Auftrag, mit dem Ziel, die gesundheitliche Lage von Frauen in Deutschland in Abhängigkeit von ihrer Lebens- und Arbeitssituation zu analysieren. In diesem Bericht (Verbundprojekt, 2001) sind Daten aus amtlichen Statistiken und Repräsentativerhebungen zu einer „Epidemiologie der Frauengesundheit“ aufbereitet.
Bestimmte Gruppen, die besonders gesundheitsgefährdet sind, werden darin identifiziert, z.B. alleinerziehende Mütter aus unteren sozialen Schichten oder Frauen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen. Darüber hinaus wird Gewalt in Geschlechterverhältnissen als eine zentrale Gefährdung der Gesundheit von Frauen herausgearbeitet.
Die Erforschung von Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen gilt als besonders drängende Aufgabe der Frauengesundheitsforschung, da es auf diesem Gebiet noch ein beachtliches Informationsdefizit gibt, was die Risikofaktoren, die Sterblichkeit, den Heilungsprozess und die Behandlung von Frauen betrifft. Die Erforschung von Herz-Kreislauf-Krankheiten bei Frauen war lange kein Thema, obwohl diese im Alter für mehr als die Hälfte aller Todesursachen bei Frauen verantwortlich sind und die Herzinfarktmorbidität bei jüngeren Frauen zugenommen hat (Verbundprojekt, 2001). Frauen sind bei der Diagnose und Therapie von koronarer Herzkrankheit benachteiligt, wie die internationale Forschung der letzten Jahre in auffallender Deutlichkeit gezeigt hat. Solche Themen werden unter anderem unter der Leitung von Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek am Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin der Berliner Charité untersucht. So hat eine bundesdeutsche Studie mit 5.000 Patienten und Patientinnen gezeigt, dass bei Frauen die Diagnose koronare Herzkrankheit im Durchschnitt erst nach 68 Monaten Dauer der klinischen Beschwerdesymptomatik erfolgte, während die entsprechende Dauer bei Männern nur bei 9 Monaten lag (Schannwell, Schoebel, Lazica, Marx, Plehn, Leschke & Strauer, 2000). Eine Ursache könnte in der Erwartungshaltung von Patientinnen wie behandelnden Ärzten und Ärztinnen liegen, die wegen der geringeren Wahrscheinlichkeit von koronarer Herzkrankheit bei Frauen im mittleren Lebensalter entsprechende Symptome auf andere Ursachen zurückführen.
Die dramatische Zunahme von Lungenkrebs in westlichen Industrienationen bei Frauen ist ein weiteres aktuelles Anliegen bei der Erforschung von Frauengesundheit. Die Zahl der Frauen, die an Lungenkrebs erkranken und sterben, hat sich in den USA seit den 60er Jahren verdreifacht, dort erkranken inzwischen mehr Frauen an Lungenkrebs als an Brustkrebs. Auch in Deutschland zeigt die Sterblichkeit bei Frauen an Lungenkrebs eine stetige Zunahme. Im Jahr 2005 starben in Deutschland fast 12.000 Frauen an Lungenkrebs und damit fast doppelt so viele wie im Jahr 1985.
Grund für diesen Anstieg ist die Zunahme des Zigarettenrauchens bei Frauen einhergehend mit Veränderungen in der weiblichen Geschlechtsrolle.
Die verstärkte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Frauengesundheit hat nicht zuletzt dazu beigetragen, einige weitverbreitete „Erkenntnisse“ über Geschlechtsunterschiede in Gesundheit und Krankheit als Mythen zu entlarven, so z.B. die Annahme, dass Frauen kränker seien als Männer (Sieverding, 1998).
Erst in jüngster Zeit gerät die Gesundheit der Männer ins Blickfeld, welche in vielerlei Hinsicht stärker bedroht ist als die der Frauen. So erkranken Frauen zwar häufiger an nicht lebensbedrohlichen chronischen Krankheiten wie chronischer Sinusitis, Arthritis, Diabetes, Gallenblasenerkrankungen oder Migräne. Männer sind dagegen häufiger von lebensbedrohlichen chronischen Krankheiten betroffen, wie Arteriosklerose, koronarer Herzkrankheit oder Lungenemphysem. Besonders große Geschlechtsunterschiede gibt es bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) im mittleren Lebensalter. Männer im Alter von 25 bis 69 Jahren sterben ca. 4- bis 6-mal so häufig an Herzinfarkt wie Frauen. Leicht nachprüfbar ist auch die deutlich frühere Sterblichkeit von Männern; in allen industrialisierten Staaten sterben Männer früher als Frauen; in der Bundesrepublik Deutschland beträgt die Differenz in der Lebenserwartung zurzeit ca. 5,5 Jahre. Das Thema „Männergesundheit“ wurde einerseits von den Medien aufgegriffen, z.B. im Jahr 2001 in einer Titelgeschichte des „Spiegel“ unter der Überschrift: „Männer, das zerbrechliche Geschlecht“.
In den letzten Jahren haben sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen fachlichen Disziplinen der Männergesundheit angenommen, wobei insgesamt zu konstatieren ist, dass das Interesse von männlichen Forschern an „Männergesundheit“ doch geringer ist als das von Forscherinnen an „Frauengesundheit“. Als ein Vorreiter in Deutschland ist Prof. Dr. Elmar Brähler von der Universität Leipzig zu nennen. Dieser hat mit Veröffentlichungen zu Themen wie „Weiblichkeit, Männlichkeit und Gesundheit“ oder „Mann und Medizin“ wesentlich dazu beigetragen, dass die Risiken für die Gesundheit von Männern stärker beachtet und erforscht wurden. Nähere Informationen und Publikationen über seine Forschungsarbeiten finden sich auf seiner Homepage.
Es besteht Konsens, dass die meisten Risiken, die die männliche Gesundheit bedrohen, selbst„gemacht“ sind, d.h. durch das Verhalten von Männern hervorgerufen werden (s. z.B. Courtenay, 2000). Große Geschlechtsunterschiede finden sich einerseits in riskantem Verhalten, z.B. in Drogen- und Alkoholkonsum oder im riskanten Autofahren („reckless driving“). Männer zieren sich auch mehr, präventive Angebote zur Gesundheitsförderung und Früherkennung von Krankheiten in Anspruch zu nehmen. Die traditionelle männliche Rolle kann als Risiko für die Gesundheit angesehen werden, s. dazu z.B. den Artikel „Achtung, die männliche Rolle gefährdet die Gesundheit“.
An der Universität Heidelberg untersuchen wir zurzeit in einem Forschungsprojekt (gefördert von der Deutschen Krebshilfe) Determinanten der Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen bei Männern. So nehmen seit Einführung der gesetzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in Deutschland deutlich weniger der Männer als Frauen teil. Eine wichtige Annahme dieses Projektes ist, dass psychologische Faktoren eine stärkere Rolle zur Erklärung der Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen spielen als soziale Faktoren. So zeigte sich in Fokusgruppendiskussionen mit Männern, die nicht zur Krebsfrüherkennung gehen, dass diese die Sorge um den eigenen Körper und ein gesundheitsbewusstes Verhalten, wie es häufiger bei Frauen zu finden ist, als „unmännlich“ einschätzen.
Geschlechterrollen gelten als wesentlich verantwortlich für Geschlechtsunterschiede in gesundheitsrelevantem Verhalten. Aber wie „wirken“ Geschlechterrollen auf das Individuum und können dessen individuelles Verhalten beeinflussen? In der nachfolgenden Abbildung ist ein einfaches heuristisches Modell zum Zusammenhang zwischen Geschlechterrollen und Gesundheit dargestellt (Sieverding, 2005). Die Grundannahme dieses Modells besteht darin, dass gesellschaftliche Gender-Konstruktionen (Geschlechterrollen) vermittelt über psychologische Variablen und gesundheitsrelevantes Verhalten die physische (wie auch psychische) Gesundheit beeinflussen können. Unter gesellschaftlichen Gender-Konstrukten wird hier die Aufteilung von gesellschaftlichen Positionen und Rollen in Abhängigkeit vom Geschlecht verstanden sowie Geschlechterstereotype, d.h. Vorstellungen über angemessene und erwünschte Verhaltensweisen und persönliche Charakteristika von Männern und Frauen. Solche Gender-Konstrukte beeinflussen das Individuum einerseits direkt, andererseits über das Verhalten der sozialen Umgebung (Deaux & LaFrance, 1998).
Geschlechterrollen und -stereotype können sich direkt auf gesundheitsrelevantes Verhalten, z.B. gesundheitliches Risikoverhalten wie Rauchen oder Alkoholkonsum auswirken, und zwar insbesondere dann, wenn es klare geschlechtsabhängige „Gebote“ oder „Verbote“ gibt. Beispiele sind der starke Gruppendruck in Richtung starken Trinkens in sogenannten „Männerbünden“ oder die gesellschaftliche Ächtung des Rauchens bei Frauen bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts (s. Waldron, 1988). Indirekt wirken Geschlechterrollen und -stereotype, indem sie durch Prozesse der Sozialisation, Erziehung und sozialen Interaktion die Entwicklung von individuellen Merkmalen wie Persönlichkeitsmerkmalen, Geschlechtsrollen-Selbstkonzept und gesundheitsrelevanten Selbsteinschätzungen (Gesundheits-Selbstkonzept) bei Männern und Frauen beeinflussen. Diese individuellen Merkmale wiederum können sich über verschiedene vermittelnde Pfade auf die Gesundheit auswirken. Ein Pfad führt über gesundheitsrelevantes Verhalten (Risikoverhalten, Coping, gesundheitsförderndes Verhalten), ein anderer über emotionale und physiologische Stressreaktivität (Kohlmann, 1997). So ist die – bewusst schwer manipulierbare kardiovaskuläre Stressreaktivität mit Persönlichkeitsmerkmalen wie Defensivität (Kohlmann, 1997) oder Feindseligkeit (Vögele, Jarvis & Cheeseman, 1997) assoziiert.
In einer eigenen Studie (Sieverding, Weidner & von Volkmann, 2005 ) wurde der Einfluss von Geschlecht und Geschlechtsrollen-Selbstkonzept auf subjektive und körperliche Stressreaktionen untersucht. Es ist bekannt, dass Frauen im Allgemeinen mehr Stress berichten als Männer in vergleichbaren Situationen. Die zugrundeliegende These unserer Studie war, dass das biologische Geschlecht weniger wichtig ist zur Vorhersage von Stressreaktionen als das Geschlechtsrollen-Selbstkonzept (G-SK), definiert als Selbstbeschreibung mit Persönlichkeitseigenschaften, die in unserer Gesellschaft als typisch für das männliche oder weibliche Geschlecht gelten. In einem aufwendigen Laborexperiment (einer simulierten Bewerbungssituation) wurden neben der emotionalen die Blutdruckreaktivität erhoben. Es stellte sich heraus, dass Personen mit einem typisch maskulinen Selbstkonzept (gekennzeichnet durch Selbstbeschreibungen wie z.B. „überlegen“, „selbstsicher“ oder „durchsetzungsfähig“) im Vergleich zu Personen mit einem typisch femininen Selbstkonzept hohe physiologische Stressreaktionen bei vergleichsweise geringen subjektiven Stressreaktionen aufwiesen. Eine solche Reaktionsdissoziation wird in der Gesundheitspsychologie als ein potentielles Risiko für die Gesundheit diskutiert, da sie dazu führen kann, dass Stress- oder andere körperliche Warnsignale zu spät wahrgenommen und Gegenmaßnahmen (z.B. Pausen machen, „kürzer treten“, ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, etc.) gar nicht oder zu spät ergriffen werden. Wie vorhergesagt, war das Geschlechtsrollen-Selbstkonzept wichtiger zur Vorhersage der Stressreaktivität, d.h. es gab „maskuline“ Frauen, die ein typisch männliches Reaktionsmuster zeigten sowie auch „feminine“ Männer, die eine hohe subjektive Stressreaktivität bei gleichzeitig niedriger Blutdruckreaktivität hatten.
Vor kurzem wurden die Ergebnisse einer Längsschnittstudie aus Schottland veröffentlicht, die die gesundheitliche Relevanz des Geschlechtsrollen-Selbstkonzeptes eindrucksvoll unterstützen (Hunt et al., 2007). Mehr als 1550 Männer und Frauen wurden über einen Zeitraum von 15 Jahren untersucht. Zu Beginn der Studie mussten die Teilnehmer (mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren) unter anderem einen Fragebogen zum Selbstkonzept ausfüllen. Nach 15 Jahren wurde überprüft, wie viele der Männer und Frauen inzwischen an einer koronaren Herzkrankheit KHK verstorben waren. Wie zu erwarten, waren mehr Männer als Frauen an einer KHK gestorben (nämlich 79 Männer versus 38 Frauen). Aber nicht alle Männer hatten das gleiche Risiko. Bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bluthochdruck waren Prädiktoren des frühzeitigen Herztodes. Darüber hinaus zeigte sich ein protektiver Einfluss femininer Persönlichkeitseigenschaften: Männer, die sich zu Beginn der Studie mit einem überdurchschnittlichen Maß an femininen Persönlichkeitseigenschaften (wie z.B. „verständnisvoll“, „warmherzig“ oder „sensibel für die Bedürfnisse anderer“) beschrieben hatten, waren signifikant seltener an einer koronaren Herzkrankheit gestorben im Vergleich zu Männern, die sich unterdurchschnittlich feminin beschrieben hatten. „Gesunde Softies“ lautete die Überschrift einer „Spiegel“-Meldung über diese Studie.
In dem hier vorgestellten Modell wird angenommen, dass das gesundheitsrelevante Verhalten einer Person auch vom Verhalten (wichtiger) Interaktionspartner abhängt (z.B. Peers, Partner, behandelnde Ärzte bzw. Ärztinnen). Zu dieser Thematik gibt es bisher erst wenig Forschung. In einer interessanten schon älteren Schweizer Studie wurde überprüft, inwiefern Männer und Frauen, die mit unspezifischen Bauchschmerzen eine Poliklinik aufsuchen, in Abhängigkeit von ihrem Geschlecht unterschiedlich behandelt werden (Conen & Kuster, 1988). Es zeigten sich tatsächlich einige gravierende Unterschiede; so nahmen sich die (durchweg männlichen) Assistenzärzte zwar deutlich mehr Zeit für das Erstgespräch mit den weiblichen Patienten, dafür wurden bei den männlichen Patienten mehr invasive diagnostische Untersuchungen (wie Endoskopien) durchgeführt. In dieser Studie zeigte sich auch, ähnlich wie in Untersuchungen aus den USA, dass die Beschwerden der Frauen häufiger auf psychogene Ursachen zurückgeführt und mit unspezifischen Medikamenten behandelt wurden als die Beschwerden der Männer.
Das gesundheitsrelevante Verhalten von Männern und Frauen wird auch über das Verhalten ihrer Bezugsgruppe gesteuert. Während es unter Frauen verbreitet ist, sich über den eigenen Körper und gesundheitliche Belange auszutauschen, sind solche Themen unter Männern entweder nicht „angesagt“ oder sogar tabu. So meinte einer der Teilnehmer an unseren Fokusgruppendiskussionen: „Meine Freunde würden denken, ich hätte eine geraucht, wenn ich anfangen würde, mit ihnen über Früherkennungsuntersuchungen zu sprechen.“
Nachdem in den Anfängen der geschlechtervergleichenden Gesundheitsforschung vor allem Fragen der Epidemiologie von Frauen- und Männergesundheit im Vordergrund standen, geht es inzwischen mehr um die Einflussfaktoren, die unterschiedliches gesundheitsrelevantes Verhalten von Männern und Frauen erklären können. Geschlechterrollen haben einen maßgeblichen Einfluss auf Risikoverhalten und gesundheitsförderndes Verhalten. Die traditionelle feminine Rolle stellte einen gewissen Schutz für die körperliche Gesundheit dar. Je mehr sich die feminine Rolle der maskulinen angleicht, desto mehr wird sich auch das gesundheitsriskante Verhalten von Mädchen und Frauen dem der Männer angleichen. Beim Rauchen und den gesundheitlichen Auswirkungen ist dieses Phänomen schon deutlich erkennbar. Das Umgekehrte scheint auch zuzutreffen: In dem Maße, in dem Männer feminine Qualitäten stärker entwickeln würden, könnten sie etwas für ihre Gesundheit tun, zumindest legen das die Ergebnisse der schottischen Längsschnittstudie von Kate Hunt und MitarbeiterInnen nahe. Dass Männer insgesamt femininer werden, ist aber zur Zeit eher unwahrscheinlich. (Man muss abwarten, was das neue Erziehungsgeldgesetz von Ursula von der Leyen bringt .)
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URN urn:nbn:de:0114-qn082326
Prof. Dr. Monika Sieverding
Psychologisches Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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