Regina-Maria Dackweiler (Hg.):
Willkommen im Club?
Frauen und Männer in Eliten.
Münster: Westfälisches Dampfboot 2007.
209 Seiten, ISBN 978–3–89691–219–0, € 24,90
Abstract: Eliten sind wieder „in“ – sei es in öffentlichen sowie politischen Debatten oder in der sozialwissenschaftlichen Forschung. In dem vorliegenden Sammelband wird die momentan allgegenwärtige Diskussion um Eliten und Exzellenz aus Perspektive der Frauen- und Geschlechterforschung kritisch reflektiert und aktuelle Forschung zu Partizipationschancen und -hindernissen von Frauen in den Feldern Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vorgestellt.
Ausgehend von ihrem Befund, dass aktuelle Elitenforschung immer noch eine Leerstelle zur Unterrepräsentanz von Frauen aufweise, skizziert Regina-Maria Dackweiler in ihrem einleitenden Beitrag die zwei Perspektiven des Sammelbandes. Zum einen soll die (Nicht-)Teilhabe von Frauen an Spitzenpositionen kritisch reflektiert werden, zum anderen möchte Dackweiler mit dem Sammelband einen kontroversen Dialog über Anschlussfähigkeiten der Frauen- und Geschlechterforschung an Elitedenken und Elitepolitik anstoßen. Dabei macht sie im Eingangsbeitrag deutlich, dass eine „affirmative Rede von einer geschlechtsneutralisierten“ (S. 20) Elite im Widerspruch sowohl zu feministischen Analysen als auch zu emanzipatorischer Frauenpolitik stehe.
Auch Eva Hornung verneint vehement Schnittmengen zwischen geschlechtertheoretisch reflektierter Ungleichheitsforschung und Elitesoziologie. Diese beruhten – so die unmissverständliche und in sich stringente Darlegung – auf solch unterschiedlichen Prämissen und Perspektiven, dass jedenfalls für die Frauen- und Geschlechterforschung keinerlei Erkenntnisgewinn zu erwarten sei. Annäherungen wären nur um den Preis erheblicher Abstriche zu haben und kämen damit einem „Paradigmenwechsel“ (S. 42) gleich. Mit diesem rigorosen Ausblick bleibt offen, wie zukünftig die weitere Auseinandersetzung produktiv gestaltet werden könnte.
Im ersten Beitrag dieses Themenfeldes veranschaulicht Susanne Schunter-Kleemann durch einen differenzierten Vergleichs aktueller Daten und Rekrutierungsmodi in Frankreich, Großbritannien und Deutschland, wieso so wenige Frauen im jeweiligen Top-Management vertreten sind. Dabei verdeutlicht sie, dass alle nationalen Rekrutierungssmechanismen für Führungspositionen über Bildungsinstitutionen, (Freizeit-)Netzwerke und soziale Schließungsmechanismen zu Gunsten des „gehobenen und des Großbürgertums“ (S. 49) verlaufen. Diese seien in der jeweiligen Relevanz zwar verschieden gewichtet, zeitigten jedoch in der Konsequenz gleiche Ergebnisse – die Ausgrenzung von Frauen.
Tomke König widmet sich einer bisher unerforschten „Spezies“: nicht-erwerbstätigen Ehefrauen von Topmanagern und ihren Selbstverortungen sowie ihrer Selbstdefinition als „weiblicher Teil einer gesellschaftlichen Elite“ (S. 79). Diese grenzen sich zum einen von ihren Ehemännern ab, indem sie sich auf ein traditionelles Geschlechterrollenverständnis und eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung berufen, zum anderen aber auch von anderen sozialen Klassen, indem sie ihre Eliteposition als „‚natürliche Überlegenheit‘“ (S. 82) begründen.
Schließlich entfalten Christine Wimbauer, Anette Henninger, Markus Gottwald und Annegret Künzel ein innovatives Forschungsdesign zu Doppelkarriere-Paaren, um Wandel und Persistenz geschlechtsspezifischer Ungleichheiten in Paarbeziehungen zu beurteilen. Dabei konzentrieren Wimbauer et al. sich auf die Binnenperspektive von Doppelkarriere-Paaren, also auf die „Paare als Paare“ (S. 94). Überzeugend argumentiert wird, dass die Paar-Binnenperspektive ergänzt werden muss durch Bezüge zur Einbindung von Paaren in gesellschaftlich-institutionelle Kontexte, zur „sozialpolitischen Anerkennungsordnung“ (S. 97) und den dadurch entstehenden Wechselwirkungen.
In dem einleitenden Beitrag für das Feld der Wissenschaft schlägt Sigrid Metz-Göckel vor, „Exzellenz in einem erweiterten Sinne zu bestimmen“ (S. 120) und über Hinzuziehen einer globalen und einer Gender-Perspektive ein „‚reflexives Eliteverständnis‘“ (S. 110) zu entwickeln. Die im Jahr 2000 in Hannover durchgeführte Internationale Frauenuniversität ‚Technik und Kultur‘ (ifu) wird als Beispiel für eine alternativ-konstruktive Position zur Eliteforschung und als herrschaftskritische Gegenstrategie zum gängigen, Geschlechtsneutralität und allgemeine Leistungsstandards vortäuschenden Exzellenzanspruch angeführt. Diese könne als Ansatzpunkt einer „demokratieverträglichen Eliteformation von Frauen“ (S. 120) gesehen werden.
Sünne Andresen formuliert demgegenüber die These, dass herrschaftskritische Frauen- und Geschlechterforschung ohne Elitekonzepte auskommen müsse, da „sich der Kampf für den Abbau von sozialer Ungerechtigkeit und die Befürwortung eines […] Elitekonzeptes in Bildung und Wissenschaft ausschließen“ (S. 127). Trotz der dezidierten Kritik, dass jedes Elitekonzept anti-demokratisch sei, illustriert sie, warum die Frauen- und Geschlechterforschung durch die „Zuweisung einer marginalen und dominierten Position im Wissenschaftsfeld“ (S. 137) sich angesichts des aktuellen „Exzellenzwettbewerbs“ dennoch affirmativ Elitekonzepten zuwende. Anders als die Eingangsbeiträge verharrt Andresen aber nicht in Ablehnung, sondern plädiert schlüssig für eine kritisch-distanzierte feministische Auseinandersetzung mit dem Elitediskurs als Reproduktions- und Legitimationsmechanismus sozialer Ungleichheit.
Auch Sandra Beaufaÿs setzt sich mit der aktuellen hochschulpolitischen Diskussion um Spitzenförderung und Bestenauslese auseinander und konzeptualisiert eine „soziale Dimension von Leistung“ (S. 147). Sie zeigt auf, wie Chancengleichheit in dieser Debatte als Ziel verschwindet und stattdessen „Scheinneutralität“ (S. 145) vorgetäuscht werde. Geleitet durch die Frage, wie Leistung als soziales Konstrukt erst in sozialen Prozessen hergestellt werden muss, verknüpft sie verschiedene aktuelle empirische Befunde zu den Karrierebedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses und den darin eingelagerten geschlechterdifferent wirkenden Ausschlussmechanismen.
„Wann haben Frauen Erfolg?“ (S. 182) Ingrid Reichart-Dreyer beantwortet diese Frage mit dem Nachweis der geschlechtsspezifischen Auswirkungen bestimmter struktureller Bedingungen am Beispiel von spezifischen Aufstiegswegen in politische Spitzenämter deutscher Parteien. Sie beobachtet vorrangig Entwicklungen in der CDU und leitet daraus Schlussfolgerungen auf vier geschlechterdifferent wirkende Faktoren (Opportunitäten, Prädispositionen, Erwartungen und Einstellungen), die Erfolg in der Politik beeinflussen, ab. Dennoch relativiert Reichart-Dreyer – auch am Beispiel Angela Merkel – genau diese strukturellen Bedingungen wieder. Erfolg von Frauen in der Politik wird stattdessen von ihr individualisiert und sie rekurriert unvermittelt auf ein spezifisch weibliches Politikinteresse: Frauen „werfen Fragen auf, die nicht allein ihre Partizipation als Gruppe betreffen, sondern das Verhältnis der Geschlechter insgesamt“ (S. 183).
Im abschließenden Beitrag fragt Frigga Haug, warum es zu einem „‚Arendtkult‘“ (S. 194) bei feministischen Theoretikerinnen kommt. So sei zwar Hannah Arendts politische Theorie anschlussfähig an Elitediskurse, aber eben nicht an feministische Forderungen. Dass Arendts Theorie dennoch „euphorisch“ (S. 187) erkundet werde, sei ein „Barometer für die Zustimmung zu einem feministischen Elitedenken“ (S. 187). Kritisch bemerkt Haug dazu, dass bei neueren Lesarten erst ein ungenauer, um nicht zu sagen willkürlicher Umgang mit den Originaltexten die Anschlussfähigkeit für feministische Theorie erzeuge.
Dem Anspruch, „eine doppelte Denkbewegung feministischer Theorie und Politik“ (S. 20) aufzugreifen und die eingangs benannten zwei Perspektiven – kritische Reflexion der geringen Partizipation von Frauen in Spitzenpositionen und kontroverser Dialog innerhalb der Frauen- und Geschlechterforschung zu Eliten – zu bearbeiten, wird der Sammelband in vielfältiger, fruchtbarer und weiterführender Weise gerecht. Damit ist eine Basis für weitere produktive feministisch-kritische Debatten zum Zusammenhang von Eliten, Geschlechtergerechtigkeit und gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen geschaffen.
Dennoch bestätigen die Beiträge nicht reibungslos Dackweilers These, eine Annäherung feministischer Forschung an Elitepolitik und damit verbundene Denkweisen sei erst durch gesellschaftliche Neoliberalisierungstendenzen der letzten Jahrzehnte möglich, wenn nicht sogar verursacht worden. Zwar wird von einigen der Beiträge genau dieser Zusammenhang unterstrichen, dies geschieht aber auch durch ein gezieltes Herausgreifen einzelner Entwicklungen und damit auf Kosten anderer Herangehensweisen, die ausgeblendet bleiben (müssen).
Insbesondere bei den sozial- und elitetheoretischen Diskussionslinien des ersten Teils wäre eine etwas ausgewogenere Stellungnahme wünschenswert gewesen. Die dort implizit formulierten Unterstellungen, dass ehrliche Frauen- und Geschlechterforschung sich nicht ohne Magenschmerzen mit Eliten befassen könne, vernachlässigt, dass auch „emanzipatorische Frauenpolitik“ (S. 21) schon immer gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern gefordert hat. Auch bei – wie auch immer definierten – Eliten.
URN urn:nbn:de:0114-qn083021
Dipl.-Sowi. Petra Ahrens
Berlin, Humboldt-Universität, Berlin Graduate School of Social Sciences
E-Mail: petra.ahrens@sowi.hu-berlin.de
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