Doing Gender within the Police.

Rezension von Ursula Nienhaus

Patricia Pfeil:

Polizei und Geschlecht.

Thematisierungen, De-Thematisierungen, Re-Thematisierungen.

Opladen u.a.: Barbara Budrich 2007.

209 Seiten, ISBN 978–3–938094–88–4, € 22,90

Abstract: Bei dieser überarbeiteten soziologischen Dissertation der Universität Bielefeld handelt es sich um eine klar gegliederte, theoretisch fundierte Untersuchung der (Bayerischen) Polizei, ihrer Leitbilder, Arbeitspraktiken, Auseinandersetzungen und deren Veränderungen durch die sprunghaft angestiegenen Zahlen von Frauen. Sie reiht sich in mittlerweile vielfältige deutsch- und englischsprachige Publikationen ein. In der Auseinandersetzung mit geschichtswissenschaftlichen Darstellungen zum Thema (Kapitel 2.2.1) werden leider viele offensichtliche Fehler und unhaltbare Klischees verbreitet. Auch die jeweils „Relevanzen“ genannten Kapitelzusammenfassungen sind nicht, was dieser Begriff vermuten lässt. Eine leichte Straffung, die Streichung modischer Begriffe (wie „Diskursstränge“, „faktische Ent-Vergeschlechtlichung“, „Variabilität von Egalität und Differenz“ und „Thematisierung, De-Thematisierung und Re-Thematisierung“) sowie unsinniger Ausführungen (wie S. 73 Ende des Absatzes 3.1) hätten der Veröffentlichung gut getan.

Die in fünf Kapitel gegliederte Darstellung wird im Anhang um ein Kapitel „Forschungsdesign und Methode“ ergänzt, in dem die Autorin ihr Vorgehen nach der „Grounded Theory“ beschreibt, die sie leider nur mit einem ausführlichen Zitat erläutert (vgl. S. 181). Bedauerlicherweise sind nirgendwo in dem Buch zentrale Begriffe wie „Geschlecht“, „Geschlechterkonstruktionen“, „asymmetrische Geschlechterkultur“ oder „Gendering“ definiert. Stattdessen verweist die Autorin auf ein angeblich „theoretisch-methodisches Dilemma“ ihres Buches, das sie mit „dem des aktuellen Stands der Diskussion um Geschlecht und Organisation“ (S. 20) gleichsetzt. Die sprachliche Form lässt zu wünschen übrig und legt an einigen Stellen die Vermutung einer mangelhaften theoretischen Durchdringung des Stoffes nahe.

Die Durchführung zweier themenzentrierter Arbeitsgruppen (im Rahmen der Workshops „Gleichstellung von Frauen in der Polizei“ im November 1999), die Hospitation in verschiedenen Dienststellen der Schutz- und Kriminalpolizei in München sowie die Auswertung von 41 Interviews mit Beschäftigten bzw. klärenden Expert/-innengesprächen „mit Funktionsträgern“ (S. 184) liegen der empirischen Untersuchung zugrunde.

Pfeil will die (bayerische) Polizei weniger als staatliche Organisation des Gewaltmonopols denn als eine berufliche Organisation betrachten (vgl. S. 71), stellt aber zugleich fest, dass die „Möglichkeit der Gewaltausübung zum zentralen Aspekt polizeilicher Diskurse und polizeilichen Alltagshandelns“ wird (S. 72). Als Konsequenz davon ist – wie sie zum „Leitbild“ als formalem Ausdruck beruflicher Konstruktionen (S. 107–117) ausführt – Körperlichkeit, körperliche Fitness und der Verzicht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Uniformierung neben sozialer und fachlicher Kompetenz besonders wichtig, zeigt sich aber angeblich dennoch „weitgehend geschlechtsneutral“ (S. 113). Dass diese Geschlechtsneutralität nicht wirklich existiert, erweist sich für Pfeil an der „Beschreibung eines Menschen, der nicht für die Polizeiarbeit geeignet ist“ (S.114). Auch Polizistinnen beschreiben eine solche Person anhand von „Vorstellungen hegemonialer Männlichkeitskultur“ als einen Menschen, der sich als „Street Cop“ nicht richtig verhält. Auf der „Ebene der Berufskonstruktion“ vermengen sich also bei männlichen wie bei weiblichen Polizisten Stereotypisierungen, die „trotz der allgegenwärtigen Relativierung die Berufskonstruktion Polizist als männlich legitimiert“ (S.117). Pfeil bezeichnet dies als „Re-Thematisierung“ (ebd.). Unter “ (De-)Thematisierung von Geschlecht im Polizeialltag“ beschreibt sie die Nichthinterfragung deutlicher horizontaler Segregation von Tätigkeitsbereichen, die Zuweisung von Routineaufgaben an Frauen, die angebliche Bevorzugung von Frauen durch Vorgesetzte bei tatsächlich bestehendem glass ceiling und vor allem die Wahrnehmung von Ausfallzeiten, Teilzeitbeschäftigung und Elternschaft als hauptsächlich oder ausschließlich durch je individuelle Frauen verursacht. Das Resümee: „Sowohl Frauen wie Männer in der Polizei sind in der Lage, die Relevanz von Geschlecht im polizeilichen Alltag abzustreiten, als wünschbar und funktional darzustellen, oder zu individualisieren.“ (S. 139) So erscheint denn letztendlich auch das Problem mangelnder Integration von Frauen – besonders im Hinblick auf Aufstieg gemäß Leistung/Bestenauslese – als „Einzelfall“ und nicht als „strukturelles Problem“ (S. 157). Damit werde Geschlecht re-thematisiert, obgleich die strukturellen Vorgaben der Polizeiorganisation durch „De-Institutionalisierungsprozesse“ gekennzeichnet seien (S. 170).

Als letztendlichen Befund bilanziert Pfeil daher ein Nebeneinander von „Normalisierung“, „Egalität“ und „Differenz“ (S. 173) und hält zugleich – und in tatsächlichem Widerspruch dazu – fest, „dass der diskursive Prozess der Thematisierung bzw. Re-Thematisierung überwiegend mit einer Hierarchisierung von Geschlecht einhergeht und zu einer Abwertung der Polizistinnen führt“ (S. 175). Zugleich beschreibt sie diesen „diskursiven Prozess“ allerdings nicht etwa nur als einen solchen der individuellen Polizeiangehörigen, sondern zugleich als einen „der Polizei“, als „Teil organisationaler Praktiken und Strukturen“ (S. 174). Ein „objektiver“ Ausgleich durch verteilte Verantwortungen sei gewahrt. Die aufmerksamen Leser/-innen bleiben verwirrt zurück. Als Historikerin möchte ich zudem richtig stellen, dass frühere Polizeiassistentinnen Fürsorgerinnen waren, keine Polizistinnen, während die in Berlin seit 1978 eingestellten Politessen Verwaltungsangestellte, also auch keine Polizistinnen sind; dass die von einer internationalen Frauenbewegung als Ersatz männlicher Sittenpolizei seit Anfang des 20. Jahrhunderts in harten Kämpfen durchgesetzten unterschiedlichen Modelle weiblicher Polizei gerade nicht den damaligen Geschlechtsrollenvorstellungen der Zeit entsprachen, dass ihre Tätigkeit gerade nicht „überwiegend disziplinarisch ausgerichtet“ war und dass – in Deutschland – während des Nationalsozialismus erstmalig verheiratete Frauen zur Polizei einberufen, nicht etwa entlassen, aber nur sehr kurz ausgebildet wurden, weil jetzt „Rasse“ die Bedeutung von Ehe und Mutterschaft veränderte. Die Soziologin Pfeil muss nicht wissen, warum das Preußische Innenministerium schon 1926 gezwungen war, zu betonen: „Eine Unterstellung von männlichen Kriminalbeamtinnen unter Frauen“ sei nicht beabsichtigt; aber Pfeil hätte aus dem Kontext ihrer Lektüre der historischen Untersuchungen sehen können, dass genau dies die Furcht männlicher Polizisten – ähnlich etlichen der heutigen männlichen Polizisten in Bayern, die sie selbst befragte – war; dass die internationale Frauenbewegung damals die Umstrukturierung der gesamten Polizei und nicht nur die Ersetzung der männlichen Sittenpolizei zum Ziel hatte; mit anderen Worten: die Beschäftigung von Männern in von Frauen geleiteten Kommissariaten, als den Frauen untergeordnete Polizisten in Büros mit Sachbearbeitung, war damals gerade nicht unrealistisch.

URN urn:nbn:de:0114-qn083225

Prof. Dr. Ursula Nienhaus

FFBIZ (Frauenforschungs-, -bildungs- und -informationszentrum) Berlin, Homepage: http://www.ffbiz.de

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