Internationale Arbeitsbeziehungen in deutschen Privathaushalten.

Rezension von Bärbel Reißmann

Helma Lutz:

Vom Weltmarkt in den Privathaushalt.

Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung.

Opladen u.a.: Barbara Budrich 2007.

226 Seiten, ISBN 978–3–86649–011–6, € 19,90

Abstract: Helma Lutz stellt in ihrem Buch die Ergebnisse einer qualitativen Studie über Haushaltsarbeit von Migrant/-innen dar. Sie bietet einen guten Überblick über geschlechter- und migrationspolitische Diskussionen, die im Zusammenhang mit unregulierter, von Migrant/-innen ausgeübter Erwerbsarbeit in deutschen Privathaushalten relevant sind. Außerdem gewährt sie interessante Einblicke in die komplexen Aushandlungsprozesse, die bezüglich Arbeitsinhalten und -beziehungen in diesem Bereich zwischen Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen stattfinden. Leider werden dabei die strukturelle Ungleichheit und das Machtgefälle zwischen den beiden Parteien stark unterbewertet und arbeitsrechtliche Belange ausgeblendet.

Wer macht welche Arbeit?

Frauen aus deutschen Mittelschichtshaushalten gehen vermehrt Erwerbsarbeit nach oder verfolgen akademische Karrieren, behalten dabei jedoch ihre traditionelle Zuständigkeit für die anfallende reproduktive Arbeit im Haushalt. Hieraus entsteht eine verstärkte Nachfrage nach ausgelagerter Haushaltsarbeit, die häufig von Migrantinnen in unregulierten Arbeitsverhältnissen geleistet wird. Dies ist die Grundannahme des Bandes Vom Weltmarkt in den Privathaushalt, in dem die Ergebnisse einer vierjährigen Studie zu Haushaltsarbeit von Migrant/-innen in Privathaushalten in Deutschland präsentiert werden. Lutz und ihre Mitarbeiter/-innen interviewten im Verlauf dieser Studie in deutschen Privathaushalten arbeitende Migrant/-innen und Arbeitgeber/-innen, wobei erstere allesamt unter Bedingungen arbeitsrechtlicher und zumeist auch aufenthaltsrechtlicher Illegalität in Deutschland lebten und arbeiteten. Lutz zufolge würden (illegalisierte) ‚neue‘ Migrant/-innen – die häufig gut ausgebildet sind – nicht nur deshalb deutschen Frauen oder bereits seit mehreren Jahrzehnten in Deutschland lebenden Migrant/-innen vorgezogen, weil ihre Arbeit für die Arbeitgeber/-innen billiger sei, sondern auch, weil sie den Arbeitgeber/-innen in Lebensstil und Bildungsniveau ähnelten und diesen einen „kulturellen Mehrwert“ (S. 100) böten.

Als Lutz und ihre Mitarbeiter/-innen 2001 mit der Umsetzung der Studie begannen, wurde das Thema Haushaltsarbeit von Migrant/-innen in der Geschlechter- wie auch der Migrationsforschung noch weitgehend ignoriert. Mittlerweile existieren einige Einzeluntersuchungen und Konferenzen zum Thema, und auch politische Akteure wie Gewerkschaften und NGOs haben sich, wenn auch nur vereinzelt und – bezogen auf die Gewerkschaften – zaghaft, dem Thema migrantische Haushaltsarbeit angenähert. Lutz will in ihrer Arbeit dem von ihr festgestellten Defizit entgegenarbeiten, indem sie das Themenfeld in feministischen Diskussionen über Haushaltsarbeit einerseits und in migrationspolitischen Diskussionen über die Feminisierung der Migration andererseits verortet. Außerdem versucht sie eine Einordnung in die international weiter fortgeschrittene Diskussion über domestic work und stellt einen historischen Vergleich mit den Dienstmädchen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts an. Lutz gelingt zwar eine Einordnung des Themas in die jeweiligen Einzeldisziplinen, eine Verknüpfung leistet aber auch sie nicht. Die Hinweise auf Intersektionalität verbleiben proklamatorisch, und die Verortung migrantischer Hausarbeit in den herrschenden Migrations -, Gender-, und Wohlfahrtsregimen bleibt nebeneinander stehen.

Gegenseitige Abhängigkeit statt einseitige Ausbeutung? Gegenseitiges Vertrauen statt Arbeitsvertrag?

Eine zentrale Kategorie ihrer Untersuchung stellen die von Lutz ausgemachten „gegenseitigen Abhängigkeiten, die keineswegs symmetrisch sind“ (S. 10) zwischen Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen dar. Auch wenn sie diese Aussage durch den Nebensatz relativiert und den prekären Lebens- und Arbeitsalltag der Haushaltsarbeiter/-innen beschreibt, geht sie dennoch nur im Fazit kurz auf die ungleich schwerwiegenderen Konsequenzen ein, die ein Bekanntwerden oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Arbeitnehmer/-innen hat, und behält ansonsten die fragwürdige Feststellung der asymmetrischen Gegenseitigkeit bei.

Nachdem keine belastbare arbeitsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer/-innen und Arbeitgeber/-innen bestehe, sei die Basis des Arbeitsverhältnisses gegenseitiges Vertrauen, so Lutz. Sie vernachlässigt durch diese Feststellung durchaus bestehende, wenn auch bei weitem nicht ausreichende Arbeitnehmer/-innenrechte, wie das Recht auf die Auszahlung von Lohn für erbrachte Arbeitsleistungen oder die auch ohne legales Arbeitsverhältnis bestehende Absicherung gegen Arbeitsunfälle (die selbstverständlich jeweils für illegalisierte Haushaltsarbeiter/-innen auch nur unter sehr hohen Risiken und Kosten durchgesetzt werden können). Vor allem abstrahiert Lutz aber von bestehenden strukturellen Ungleichheiten und Machtverhältnissen. Vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen rechtlichen und sozialen Situation von Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen ist die Verwendung des Vertrauensbegriffs hier nicht angebracht.

‚Doing Ethnicity‘ im egalitären Haushalt?

Lutz geht auf die Spezifika von Haushaltsarbeit als vergeschlechtlichte und im Privaten verortete Arbeit ein. Insbesondere untersucht sie die geführten Interviews darauf, wie die Arbeitsbeziehungen und Arbeitsinhalte in diesem sensiblen Bereich zwischen Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen ausgehandelt werden und verschafft dadurch einen intensiven Einblick in diese Arbeitsverhältnisse. Außerdem beleuchtet sie die Motivationslage von Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen, ihre Strategien im Umgang mit Konflikten, gegenseitige Ansprüche und Erwartungshaltungen und die sensiblen Punkte in der alltäglichen Arbeit auf beiden Seiten.

In den analysierten Interviews findet Lutz Belege für die von ihr in der bisherigen deutschsprachigen Forschung vorgefundenen Extrempositionen, welche Haushaltsarbeiter/-innen entweder in einer Strategie des empowerments als mutige Vorreiter/-innen und agents of change bezeichneten oder einseitig auf die Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in der Haushaltsarbeit von Migrant/-innen fokussierten und dabei die Arbeiter/-innen als Opfer darstellten. Lutz wählt stattdessen die Perspektive der Arbeitgeber/-innen und analysiert die Arbeitsbeziehungen „im Kontext des Egalitätsprinzips“ (S. 12). Sie konstatiert, dass die von ihr interviewten Arbeitgeber/-innen mit dem Konzept einer Klassengesellschaft, anders als die Arbeitgeber/-innen der historischen Dienstmädchen, nichts anfangen könnten und die Relevanz von Klassenunterschieden für sich verneinten. Sie würden Haushaltsarbeiter/-innen einstellen, die ihnen vom Lebensstil und dem Bildungsniveau her ähnelten, die notwendige Abgrenzung zu ihnen vollzögen sie über eine Ethnisierung der Arbeits- und persönlichen Beziehung. Es entsteht der Eindruck, als verlören soziale Unterschiede zwischen Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen dadurch ihre Relevanz, dass erstere sie nicht wahrhaben wollten. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass Menschenrechtsverletzungen, rassistische Anmaßungen und sexistische Übergriffe durchaus eine Realität illegalisierter migrantischer Haushaltsarbeit auch in Deutschland darstellen.

Keine Lösung rund um die Probleme der Erwerbsarbeit in deutschen Privathaushalten

Leider verbleiben auch die politischen Forderungen, die Lutz am Ende ihres Fazits formuliert, abstrakt. Sie beschränken sich auf die Forderung nach der formalrechtlichen Anerkennung von Menschenrechten und der gesellschaftlichen Anerkennung der geleisteten Arbeit. Konkrete Forderungen, wie z. B. die nach einer Ausweitung umfassender Arbeitsrechte auf illegalisierte Arbeitsverhältnisse wie sie in anderen europäischen Ländern praktiziert wird, sucht die Leserin vergeblich. Auch erscheinen Haushaltsarbeiter/-innen in keiner Weise als kollektive Akteur/-innen bei der Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen.

Vom Weltmarkt in den Privathaushalt ist eine geeignete und gewinnbringende Lektüre für all jene, die sich einen Überblick über die im Zusammenhang mit Haushaltsarbeit von Migrant/-innen relevanten gesellschaftspolitischen Diskussionen und Themen verschaffen wollen. Manche Schlüsse, die Lutz in ihrer Analyse zieht, sind jedoch problematisch, gerade dann, wenn es um die Machtverhältnisse in der Haushaltsarbeit geht.

URN urn:nbn:de:0114-qn083256

Bärbel Reißmann

Brüssel/Berlin

E-Mail: baerbel-reissmann@web.de

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