Rechte Frauen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik

Rezension von Stefan Müller

Eva Schöck-Quinteros, Christiane Streubel (Hg.):

Ihrem Volk verantwortlich.

Frauen der politischen Rechten (1890–1933). Organisationen – Agitationen – Ideologien.

Berlin: trafo Verlag 2007.

341 Seiten, ISBN 978–3–89626–302–5, € 42,80

Abstract: Der Sammelband enthält Untersuchungen zu rechten Parteien, Frauenorganisationen bzw. Publizistinnen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Ziel ist es, eine Einschätzung des Denkens und Handelns völkisch-rassistisch orientierter Frauen in dieser Zeit zu erhalten. Die Beiträge verbindet der Versuch, das eigenständige Handeln rechter Frauen in einem weitgehend männlich dominierten Bereich zu dokumentieren.

Die Anstrengungen einer eigenen Positionierung von konservativen, völkischen und radikal nationalistischen Frauen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik stehen im Blickpunkt des Sammelbandes. Der Untersuchungszeitraum endet 1933, aber einige Beiträge erlauben sich auch den Blick auf die Jahre danach. Dies ist ein lobenswertes Unterfangen, will man die Kontinuitäten und Brüche zum Nationalsozialismus aufzeigen. Die Untersuchung verschiedener völkisch-nationalistischer Vereinigungen ermöglicht es, einzuschätzen, inwiefern antisemitisch-rassistische Vorstellungen und Forderungen von rechten Frauen nach 1933 tatsächlich umgesetzt wurden. Die Ergebnisse der Einzelbeiträge zeigen, dass sich rechte Frauen in ihren Diskussionen zunehmend auf den Begriff der deutschen Volksgemeinschaft konzentrierten.

Das Verhältnis rechter Frauen zum Antisemitismus im Kaiserreich und in der Weimarer Republik ist nach wie vor ein Desiderat der Geschichtswissenschaften, wie Christiane Streubel in ihrem einführenden Beitrag feststellt (vgl. S. 42). Sie entwirft eine Reihe von Ausgangsfragen, die teilweise in den folgenden Beiträgen verhandelt werden, und gibt den aktuellen Stand der Forschung wieder. Verbunden ist damit der Anspruch, das jeweils zugrunde liegende Frauenbild herauszuarbeiten. So sei es „nur folgerichtig, dass Studien der Geschlechterforschung Position zu der Frage beziehen, ob Frauen der politischen Rechten antifeministisch waren oder sich ihre Positionen auch als frauenbewegt, emanzipatorisch oder gar feministisch beschreiben lassen“ (S. 46). Dieser Anspruch wird über weite Strecken in den einzelnen Beiträgen eingelöst.

Ute Planerts Aufsatz „Vom Antifeminismus zur völkischen Bewegung und zum Nationalsozialismus“, der auch einen Blick auf Aktivitäten völkischer Frauen im Nationalsozialismus wirft (S. 124–128), und Streubels Beitrag „‚Eine wahrhaft nationale Frauenbewegung‘. Antidemokratinnen in der Weimarer Republik“ geben auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene und gestützt auf eine breite Quellenbasis Auskünfte über das Ausmaß des Einflussbereichs rechter Frauen. Dagegen bewegt sich Nancy R. Reagin in „Nationale Hausarbeit? Bürgerliche Hausfrauen und konservative Politik in der Weimarer Republik“ eher auf einer Mikroebene: In ihrem ideologiekritischen Beitrag zeigt sie die Verbindungslinien von der „Küche“ zur nationalen Politik auf und ermöglicht damit Rückschlüsse vom Besonderen auf das Allgemeine.

‚Der Patriot ißt Roggenbrot‘ (Hindenburg)

So zeichnet Reagin am Beispiel der Hausarbeit nach, inwiefern die Sphäre des Einkaufs und des Konsums mit nationalistisch-völkischen Vorstellungen aufgeladen wurde. Der Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine (RDHV) und der Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine (RLHV) werden einer ideologiekritischen Betrachtung unterzogen. Selbst Nahrungsmittel blieben hier nicht von der Bewertung mit völkischen Kriterien verschont. So „befürworteten beide Verbände eine Art der Haushaltsführung, die sie als ‚deutsch‘ oder ‚national‘ verstanden“ (S. 131). Reagin weist in aller Deutlichkeit auf Denkfiguren hin, die für Ressentiments charakteristisch sind. Vor allem in Abgrenzung zu ‚Amerika‘ versuchten die genannten Verbände in Vorträgen, Zeitschriften und Büchern Propaganda für einen patriotischen Konsumstil zu betreiben. „Der Himmel bewahre uns vor […] Amerikanisierung des Haushalts“ (S. 147). Nicht ohne Neid und Bewunderung blieb allerdings die dem amerikanischen Modell zugeschriebene Technik: Waschmaschinen, Staubsauger und Kühlschränke boten auch eine Projektionsfläche, und die Rationalisierung der Haushaltsführung wurde ebenso bewundert wie verachtet. Reagin arbeitet die erfolgreichen Versuche heraus, Einkaufs- und Konsumverhalten zu nationalisieren und letztlich zu einer Frage des Fortbestandes des deutschen Volkes zu erheben.

Raffael Scheck versucht anhand von Einzelbeispielen Aktivitäten von Frauen auf lokaler Ebene, also in Orts-, Bezirks- oder Kreisvereinen, zu beschreiben, da dies in der bisherigen Forschung wenig bekannt sei (vgl. S. 153). Vom Kuchenbacken in Westschlesien bis zur persönlichen Einforderung von Mitgliedsbeiträgen lässt sich – kaum überraschend – eine überwiegend traditionelle Aufteilung der Geschlechterrollen festmachen: „Fast alle lokalen Aktivitäten der Frauen waren geschlechtsspezifisch verankert“ (S. 173). Ebenfalls an einem ausgewählten Beispiel orientiert sich der Beitrag „Der Bund Königin Luise. ‚Unser Kampfplatz ist die Familie…‘“ von Eva Schöck-Quinteros. Sie untersucht am Bund Königin Luise (BKL), inwiefern monarchistisch orientierte Frauen eine starke Affinität zum völkischen Denken entdeckten und entwickelten. „Der BKL vertrat in vermeintlich unpolitischem, konservativ-traditionalistischem Gewand völkisches, antisemitisches Gedankengut und hatte gute bis intensive Kontakte zur DNVP, zum Stahlhelm und zur NSDAP“ (S. 232). Einige Redundanzen stören nicht weiter, wenn Schöck-Quinteros auf die lohnende Aufgabe verweist, das auf jeder Ebene aufzufindende Geschlechterpaar ‚Stahlhelm-Mann‘ und ‚Luisen-Frau‘ genauer zu betrachten (vgl. S. 258 ff.).

Julia S. Sneeringer untersucht die Identifikationsangebote, die die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) Frauen nach der Einführung des allgemeinen Wahlrechts bot. Christliche Religion und ‚deutsche Kultur‘ bildeten die zentralen Begriffe, die konservative und völkisch-antisemitische Frauen ansprachen. Das Verständnis der ‚nationalen Pflicht‘ im Deutschkolonialen Frauenbund untersucht Claire B. Venghiattis in „Conflict Over Women’s Patriotic Activism. Gender Relations and the German Colonial Movement During the Kaiserreich.“ Erklärtes Ziel des Frauenbundes war es, die Einwanderung deutscher Frauen in die Kolonien zu forcieren, um ‚Mischehen‘ zu vermeiden und vor allem, um die ‚deutsche Kultur‘ zu verbreiten“ (S. 91). Das zugrunde liegende traditionelle, völkisch-nationalistische Frauenbild arbeitet Venghiattis beispielhaft an der Gründerin des Bundes, Freifrau Adda von Liliencron, heraus. Diese sah die Aufgabe der Frau in den Kolonien darin, ein ‚Stück Mutti‘ (S. 94) zu sein. Die These, dass der Frauenbund unter der Führung Liliencrons sich der ausschließlich männlich dominierten Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) fügen musste, wird nachvollziehbar ausgeführt. Hedwig Heyl, nach der in Frankfurt am Main noch bis vor einigen Jahren eine Schule benannt war, folgte ab 1910 als Vorsitzende und schlug einen anderen Weg ein. Unter ihrer Führung entwickelte sich der Frauenbund immer stärker zu einer selbständigen kolonialistischen Organisation, die auch eigene Projekte initiierte, zum Beispiel das Heimathaus in Keetmanshoop (vgl. S. 102).

Den Vaterländischen Frauenverein, der sich hauptsächlich aus bürgerlichen Hausfrauen und ihren erwachsenen Töchtern rekrutierte (vgl. S. 60) und seine Reputation in erster Linie aus der Anerkennung des Kaisers bezog (vgl. S. 65), nimmt Andrea Hänger genauer in den Blick. Im Titel „Politisch oder vaterländisch? Der Vaterländische Frauenverein zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik“ wird bereits ein für völkisch-nationalistische Argumentationen typisches Selbstverständnis deutlich. Aufgrund der ‚Ablehnung des Politischen‘ zog man sich auf eine scheinbar neutrale, unpolitische Position zurück. Hänger zeigt, dass sich damit ein antidemokratisches Selbstverständnis konstituierte, das durch die Kaisertreue untermauert wurde und die eigene Positionierung aus dem Bezug auf das Vaterland herleitet. „So wurde hier ‚vaterländisch‘ zum Gegenbegriff des Politischen schlechthin.“ (S. 76)

Abgerundet wird der Sammelband durch eine Auswahl von Originaldokumenten, die in den einzelnen Beiträgen herangezogen werden. Damit wird nachdrücklich verdeutlicht, wie der Zivilisationsbruch im Nationalsozialismus bereits in der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik vorgedacht und durch die aktive Teilnahme von Frauen forciert wurde.

URN urn:nbn:de:0114-qn091220

Stefan Müller

Frankfurt am Main

E-Mail: muellers@uni-frankfurt.de

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