Im September 2007 jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag der im niedersächsischen Verden zur Welt gekommenen Juristin und Frauenrechtlerin Anita Augspurg (1857–1943). Zu Ehren von Augspurg wurde am Vorabend ihres Geburtstags an der Juristischen Fakultät der Universität Hannover ein Anita-Augspurg-Symposion veranstaltet.
Augspurg, die erste deutsche Frau mit einem juristischen Doktortitel, gilt als eine der führenden Vertreterinnen der älteren deutschen Frauenbewegung. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere ihre Beteiligung an den „Rechtskämpfen“ um das Familienrecht des BGB von 1896, ihr pazifistisches Engagement sowie ihr öffentliches Eintreten für Frauenwahlrecht und Frauenstudium. 1905 rief sie zur Schließung „freier Protest-Ehen“ ohne staatliche formale Eheschließung unter Vermeidung des patriarchalen BGB-Eherechts auf, was von vielen Zeitgenossen als Aufruf zum Eheboykott (miß-)verstanden wurde.
In den letzten Jahrzehnten ist Augspurg verstärkt ins Blickfeld der frauenrechtsgeschichtlichen Forschung gerückt. Im Jahr 1972 gab Margrit Twellmann aus den nachgelassenen Papieren der Autorinnen die bis 1941 im Zürcher Exil abgeschlossenen gemeinsamen Memoiren Augspurgs und ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann heraus. Der Titel dieser 1992 erneut aufgelegten Doppel-Autobiographie lautete: „Erlebtes – Erschautes: deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden 1850–1940“. Speziell die juristischen Positionen Augspurgs im Umfeld der Rechtskämpfe von Frauenorganisationen zum BGB 1896 waren Gegenstand der 1995 erschienenen Dissertation Christiane Berneikes „Die Frauenfrage ist Rechtsfrage. Die Juristinnen der deutschen Frauenbewegung und das Bürgerliche Gesetzbuch.“ Christiane Berneike ist identisch mit Christiane Henke, die 2000 im Rowohlt-Verlag (Reihe: rowohlts monographien) die Biographie „Anita Augspurg“ publizierte. Heike Bretschneider drehte unter dem Titel „Anita Augspurg, Kämpferin für Frieden, Freiheit und Frauenrechte“ einen Dokumentarfilm. Die bisher wohl ausführlichste Biographie Augspurgs stammt von der Kommunikationswissenschaftlerin Susanne Kinnebrock (Anita Augspurg (1857–1943). Feministin und Pazifistin zwischen Journalismus und Politik. 2005). Derzeit arbeitet Christiane Henke im Zusammenwirken mit dem Lehrstuhl für Zivilrecht und Rechtsgeschichte der Universität Hannover an einer Studienausgabe ausgewählter – insbesondere juristischer – Werke Anita Augspurgs.
Am Vorabend von Augspurgs 150. Geburtstag veranstalteten Stephan Meder, Arne Duncker und Andrea Czelk (Universität Hannover, Lehrstuhl für Zivilrecht und Rechtsgeschichte) ein Augspurg-Symposion in Hannover unter Beteiligung einiger derzeit führender Augspurg-ForscherInnen bzw. PublizistInnen.
Einleitend berichtete Christiane Henke (Berlin) über „Anita Augspurg und Goethe“. Hierbei wurden geistige und geistesgeschichtliche Grundlagen Augspurgs herausgearbeitet, einer Frau, die sich zeitlebens Goethe eng verbunden fühlte und u.a. Reisen auf den Spuren Goethes unternahm sowie einen Goethe-Hain auf ihrem Grundstück einrichtete. Im zweiten Vortrag „Die Ansprüche der Frau auf die Eheerrungenschaft – Anita Augspurg und das eheliche Güterrecht“ beschäftigte sich Arne Duncker (Hannover) anhand eines Augspurg-Textes von 1899 mit den rechtshistorischen Positionen Augspurgs im Vergleich mit weiteren Vertreterinnen der Frauenbewegung um 1900 sowie unter Berücksichtigung der späteren Rechtsentwicklung. Dabei wird deutlich, dass die Forderung nach einer Beteiligung der Frau an der Eheerrungenschaft inhaltlich bereits die 1957 eingeführte Zugewinngemeinschaft des heutigen Rechts vorbereitet.
Heike Bretschneider (Ismaning) führte den SymposionsteilnehmerInnen ihren Dokumentarfilm vor und stand anschließend für eine eingehende Diskussion und Erläuterung ihres Filmwerks zur Verfügung. Im abschließenden Vortrag unternahm Susanne Kinnebrock (München) eine Untersuchung von Anita Augspurgs Aktivitäten und Publikationen aus spezifisch kommunikationswissenschaftlicher Sicht („Juristin, Publizistin, Aktivistin. Popularisierung und Instrumentalisierung juristischer Themen in Anita Augspurgs Öffentlichkeitsarbeit“).
URN urn:nbn:de:0114-qn091394
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