Gender in der Konfliktforschung

Rezension von Rita Schäfer

Bettina Engels:

Gender und Konflikt.

Die Kategorie Geschlecht in der Friedens- und Konfliktforschung.

Saarbrücken: Verlag Dr. Müller 2008.

75 Seiten, ISBN 978–3–8364–6527–4, € 49,00

Abstract: Sicherheitsfragen, Kriege und Friedensbemühungen sind zentrale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die wissenschaftliche Forschungen unterschiedlicher Disziplinen vor neue Aufgaben stellen. Um Kriegsursachen, Kampfhandlungen und Friedensprozesse fundiert zu analysieren, müssen Geschlechterdimensionen berücksichtigt werden. Dazu bietet dieses Buch einen differenzierten und gut lesbaren Überblick.

Die etablierte Friedens- und Konfliktforschung ist eine Männerdomäne, das zeigt sich nicht nur in der personellen Dominanz männlicher Forscher, sondern vor allem in ihrer Themensetzung. Diese Tatsache nimmt die Berliner Politikwissenschaftlerin Bettina Engels zum Ausgangspunkt ihrer überzeugend argumentierenden Studie über Gender und Konflikte. Sie bescheinigt den männlichen Fachkollegen, auf beiden Augen „gender-blind“ zu sein (S. 1). Mit zahlreichen Belegen dokumentiert sie, wie androzentrische Grundannahmen den Blick auf die komplexen Probleme in Kriegen und bei Friedensprozessen verzerren.

Gender als Analysekategorie

Demgegenüber veranschaulicht die Autorin in insgesamt sechs Kapiteln, welchen Erkenntnisgewinn die systematische Integration von Gender in theoretische und empirische Friedens- und Konfliktstudien ermöglicht. Während das erste Kapitel die Konzeption dieses Überblickswerks erläutert, konzentriert sich das zweite auf detaillierte Begriffsanalysen. Darauf sinnvoll aufbauend liefert das dritte Kapitel eine theoriegeleitete Reflexion der Interdependenzen zwischen Geschlechterkonzepten, Ethnizität, Nationalismus und Vorstellungen von kollektiver Identität. In diesem Kapitel werden auch gängige Sicherheitskonzepte kritisch beleuchtet.

Sexualisierte Kriegsgewalt

Unter Bezug auf solche theorieorientierten Überlegungen widmet sich das vierte Kapitel der empirischen Ebene, konkret geht es um das Militär und die sexualisierte Kriegsgewalt. Verbindende Klammer der analysierten Studien ist die Problematik, dass Armeen hegemoniale und sexistische Maskulinitätskonzepte prägen. Als totale Institution schafft das Militär einen Rahmen, um junge Männer in eng gefasste Normen von aggressiver und besitzergreifender Männlichkeit zu sozialisieren. An diesen Grundstrukturen ändern auch Soldatinnen nichts, die in etlichen Ländern seit geraumer Zeit rekrutiert werden (S. 32 ff.).

Sexualisierte Gewalt verüben nicht nur Soldaten als Mitglieder staatlicher Armeen, sondern auch Guerillakämpfer, die sich Milizen angeschlossen haben und für Kriegsherren kämpfen. Anhand ausgewählter empirischer Fallbeispiele arbeitet Bettina Engels eindrücklich die vielschichtigen sozio-kulturellen Bedeutungszusammenhänge von sexualisierter Gewalt als Kriegsstrategie heraus. Erkenntnisreich sind ihre Ausführungen über Vergewaltigungen und besitzergreifende Maskulinität, wobei Frauenkörper als symbolische Kommunikationsobjekte zwischen Männern fungieren. Konkret heißt das: Vergewaltiger demütigen und entwürdigen nicht nur ihre weiblichen Opfer, sondern auch deren Ehemänner, Söhne oder Väter (S. 43). Orientiert an ihrem breit gefassten Gender-Begriff analysiert die Autorin aber auch, welche Funktion Vergewaltigungen von Männern haben in Kriegen haben, konkret zielen die Täter darauf ab, ihre männlichen Opfer zu „verweiblichen“.

Friedensmissionen

Die zahlreichen Schwierigkeiten von Friedensmissionen illustriert das fünfte Kapitel des Buches. Schließlich ist das Bild von freundlichen Blauhelmsoldaten, die als keusche Friedensengel in internationalem Auftrag für die Einhaltung mühsam ausgehandelter Friedensabkommen sorgen, spätestens seit den wiederholten Vorwürfen der Verstrickungen von UN-Friedenskräften in Kinderprostitution ins Wanken geraten. Frauen- und Geschlechterforscherinnen wiesen aber bereits im Nachkriegskontext auf dem Balkan nach, dass mit den vorrückenden Blauhelmsoldaten Prostitution und Frauenhandel unter neuen Vorzeichen zum lukrativen Geschäft für Menschenhändler wurden. Besonders eindrücklich sind hier die Hinweise darauf, wie Männer der lokalen Bevölkerungsgruppen die sexuellen Kontakte zwischen den Blauhelmsoldaten und ‚ihren‘ Frauen und Mädchen als Angriff auf die eigene Männlichkeit werten (S. 50 f.). Die Gender-Trainings und ein Verhaltenskodex der zuständigen UN-Organisationen reichen offenbar nicht, um diesen Problemen Einhalt zu gebieten.

Fazit

Diese prägnante Übersicht wesentlicher Problemstellungen einer feministischen Friedens- und Konfliktforschung zeichnet sich durch ihre klare Sprache sowie eine sehr reflektierte Darstellung der theoretischen Konzepte und empirischen Themenfelder aus. Das Buch bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ganz unterschiedlicher Disziplinen eine gute Orientierung und zahlreiche ausgewählte Literaturhinweise zur vertiefenden Lektüre. Angesichts der steigenden Bedeutung von Sicherheitsfragen gehört es keineswegs nur in jede Gender-Studies-Bibliothek. Es ist bedauerlich, dass dieses Buch, das als Grundlagenlektüre geeignet ist, vom Verlag zu einem so hohen Preis angeboten wird.

URN urn:nbn:de:0114-qn092261

Dr. Rita Schäfer

E-Mail: info@frauen-und-kriege-afrika.de

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