Jeanne Rubner (Hg.):
Frauen, die forschen.
25 Porträts von Bettina Flitner.
München: Collection Rolf Heyne 2008.
224 Seiten, ISBN 978–3–89910–402–8, € 29,90
Abstract: Mit jeweils kurzen Texten und großen, illustrativen Fotos werden herausragende Forscherinnen aus Mathematik, Physik, Biologie und Medizin vorgestellt. Es werden Einblicke in die Arbeit der Wissenschaftlerinnen gegeben sowie Hinweise auf deren Wissenschaftskarriere und auch das private Umfeld. Meisterhafte Fotos und anschaulich formulierte Texte machen dieses Buch zu einem Lesevergnügen.
Wie Annette Schavan im Vorwort zu dem von Jeanne Rubner herausgegebenen Band erklärt, sollen diese Berichte über erfolgreiche Wissenschaftlerinnen aus Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin, also Fachgebieten, in denen es noch immer besonders wenige Frauen in Spitzenpositionen gibt, jungen Frauen Vorbilder zeigen und ihnen Mut machen, auch solche Karrieren anzustreben. Doch kann ein graphisch ansprechend gestalteter Band mit faszinierenden Fotos und prägnanten Texten eine solche Ermutigung bieten? Eignet er sich nicht viel eher als Geschenkband, in dem man blättert, sich an den Bildern und u. U. einigen Textstellen kurz erfreut und ihn dann mehr zur Zierde in den Bücherschrank stellt?
Nach dem Vorwort werden die 25 deutschsprachigen Wissenschaftlerinnen, von denen die meisten zur Weltspitze gehören, nacheinander vorgestellt: Die eindringlichen und hochprofessionellen Fotos von Bettina Flitner zeigen die Personen jeweils kennzeichnend in ihrem professionellen Umfeld, im Labor, am Schreibtisch, umgeben von Apparaturen. Und kurze Texte von 11 Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, die weitgehend auch Naturwissenschaftler sind, schildern jeweils eindrucksvoll vor allem die Identifikation der Wissenschaftlerinnen mit ihrer Arbeit sowie Stufen ihres Lebensweges und ihrer Karriere und geben Hinweise auf den privaten Hintergrund. Angaben zur Erstellung des Buchs, zur Fotografin, zur Herausgeberin sowie zu den Autorinnen und Autoren schließen den Band ab.
Die Arbeitsbereiche der porträtierten Wissenschaftlerinnen sind herkömmliche Disziplinen, so z. B. Astronomie, theoretische Physik sowie in der Mathematik Zahlentheorie oder Analysis. In den jeweiligen Disziplinen vertreten sie wesentliche Forschungsfelder, z. B. in der Informatik die Algorithmenforschung, in der Physik die Teilchenforschung, die Quantenelektronik oder die Hochenergiephysik. Sie arbeiten in wichtigen Forschungsbereichen auf der Grenze von Disziplinen, z. B. Neurobiologie, Biochemie, Biophysikalische Chemie. Sie repräsentieren aktuelle Forschungsfelder wie Sprachentwicklungsforschung in der Neuropsychologie, Stammzellenforschung in der Neurobiologie, Solartechnik in der Physik. Auch eher angewandte Bereiche wie die Erforschung des Verhaltens von Wölfen in der Wildbiologie oder der Risiken komplizierter Geldanlagen in der Finanzmathematik sind vertreten. Immer sind ihre Forschungen hochaktuell, langfristig und vernetzt mit der Forschung der entsprechenden besten Experten im In- und Ausland. Die Vielfalt dieser Forschungsbereiche kann jungen Frauen zeigen, dass der Gestaltung einer eigenen Wissenschaftskarriere fachlich kaum Grenzen gesetzt sind.
Die meisten der hier vorgestellten Wissenschaftlerinnen sind Professorinnen und häufig auch Institutsleiterinnen an Universitäten oder außeruniversitären Forschungsinstituten. Aber auch eine Abteilungsleiterin eines Forschungsinstituts, eine Nachwuchswissenschaftlerin vor der Habilitation und zwei Frauen, die ein eigenes Institut gegründet haben und nun durch öffentliche Gelder unterstützt werden, sind dabei. Verschiedenste Altersstufen, von der Wissenschaftlerin im Ruhestand, die in ihren internationalen Netzwerken noch als Forscherin aktiv ist, bis zur jungen Wissenschaftlerin, die mit Anfang dreißig ihre Professur erreicht hat, sind vertreten. Angesichts dieser Vielfalt der Status- und Altersgruppen kann sich für junge Frauen zeigen, dass man nicht unbedingt immer zu den Prominentesten gehören muss, sondern dass ein erfülltes Leben in der Wissenschaft auf unterschiedlichen Positionen der Scientific Community möglich ist. Allerdings müssen ein autonomes Arbeiten und die freie weitere Entwicklung gewährleistet sein.
Als privater Hintergrund der Frauen in der Forschung treten verschiedenste Varianten auf: die allein stehende Frau, die wegen der zeitlichen Belastungen und der notwendigen Ortswechsel, Auslandsaufenthalte sowie internationalen Kontakte auf feste private Bindungen verzichtet hat; die von Anfang an alleinerziehende Mutter, für die es u. U. einfacher war, ein Leben mit Kind neben der Wissenschaft zu organisieren, als auch noch auf Bedürfnisse eines Partners einzugehen; das Leben mit einem Partner unter Verzicht auf Kinder wegen des aufreibenden Berufs und schließlich die Lebenspartnerschaft mit Kind, in der sich auch der Partner, soweit möglich, für das Kind verantwortlich fühlt. Deutlicher noch als bei einigen dieser Optionen wird der Tribut, den eine erfolgreiche Karriere in der Wissenschaft fordern kann, an den Trennungen, die einige Frauen hinter sich haben. Sind schon die äußeren Bedingungen eines Forscherlebens mit seinen extremen zeitlichen Belastungen und der Notwendigkeit der Mobilität für dauerhafte Bindungen an einem Ort nicht günstig, so wird in einigen Fällen auch deutlich, dass die Partnerschaft scheiterte, weil der Partner sich irgendwann zu sehr im Schatten des Erfolgs seiner Frau sah. Die Einbußen an Geborgenheit durch private Bindungen durch das intensive Leben für die Forschung werden also durchaus sichtbar. Dennoch macht keine dieser Frauen den Eindruck, nicht eine in sich ruhende und auch emotional ausgeglichene Person zu sein. Es gibt neue Partnerschaften, Freundinnen und Freunde, die intensive Bindung an Kinder. Jungen Frauen kann an diesen Problemen deutlich werden, dass ein Leben in der Forschung auch mit befriedigenden mitmenschlichen Bindungen möglich ist.
Die wichtigste Botschaft dieser Porträts erfolgreicher Forscherinnen ist jedoch: Die Leidenschaft für ihre Arbeit, die geistige Freiheit und Kreativität sind Antrieb und Rückhalt in ihrem Leben. Und dieses bisher Männern zugeschriebene Leben können Frauen ebenso glücklich und erfolgreich führen. Die hier gezeigte Vielfalt der Fachgebiete und Positionen im Wissenschaftsbetrieb, der Altersstufen und auch der Probleme für den Privatbereich könnte dabei ein solches Leben für die Forschung anschlussfähiger gegenüber den Erfahrungen junger Frauen machen. Dieses Buch ist also nicht nur der repräsentative Geschenkband, der mit Glamour-Fotos Stars der Wissenschafts-Szene vorstellt, sondern ein differenziertes Bild erfolgreicher Frauen in einer Männerdomäne. Insofern wäre dieses Buch ein sinnvolles Geschenk zum Lesen für junge Frauen. – Es könnte aber auch ein Geschenk an Männer als ‚Personalentscheider‘ im Wissenschaftsbetrieb sein, falls diese immer noch der Meinung sein sollten, es gäbe in den Disziplinen keine Frauen. Durch den moderaten Preis ist dieses Buch ebenfalls als Geschenk für beide Zielgruppen geeignet.
URN urn:nbn:de:0114-qn093326
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