Christina Holtz-Bacha (Hg.):
Frauen, Politik und Medien.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008.
269 Seiten, ISBN 978–3–531–15693–4, € 29,90
Abstract: In dem von Christina Holtz-Bacha herausgegebenen Sammelband wird aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive untersucht, wie Politikerinnen in höchsten politischen Ämtern medial repräsentiert werden. In den einzelnen Beiträgen wird der Frage nachgegangen, ob die zunehmende Sichtbarkeit von Politikerinnen wie Angela Merkel, Christina Kirchner oder Ségolène Royal auch zu einer veränderten medialen Berichterstattung geführt habe. Analysiert werden nicht nur die mediale Präsenz von Politikerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen, sondern auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den textuellen und bildlichen Darstellungsweisen. Der Band liefert aus der Perspektive der politischen Kommunikationsforschung einige interessante empirische Einzelanalysen. Die theoretische Auseinandersetzung mit Konzepten der Geschlechterforschung spielt nur am Rande eine Rolle.
Bereits seit einiger Zeit setzen sich vor allem englischsprachige Autorinnen mit dem Thema ‚Frauen in der medialen Politikberichterstattung‘ auseinander. Mit der Kandidatur und erstmaligen Wahl einer Frau für das Amt des Bundeskanzlers lässt sich auch im deutschsprachigen Kontext ein zunehmendes Interesse an dem Thema beobachten. So sind in den letzten Jahren bereits mehrere einschlägige Sammelbände erschienen, welche mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen den Zusammenhang von Geschlecht, Medien und Politik aus medien-, kommunikations- und politikwissenschaftlichen Blickwinkeln beleuchten (insb. Scholz 2007; Holtz-Bacha/König-Reiling 2007; Dorer/Geiger/Köpf 2008; Lünenborg 2009, Lit.-Verz. s. u.). Der hier zu besprechende Band leistet aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive einen empirisch fundierten Beitrag zu diesem Diskursfeld. Er schließt an die vorausgegangene Publikation von Holtz-Bacha und König-Reiling (2007) an, wobei die insgesamt 11 Beiträge des vorliegenden Buches nicht so sehr Politikerinnen im Allgemeinen, sondern Frauen in höchsten Staatsämtern im Speziellen fokussieren.
In exemplarischen Fallanalysen untersuchen die Herausgeberin und die Beitragenden des Readers, wie statushohe Politikerinnen in den Medien vorkommen und inwiefern der gestiegene Anteil von Frauen in Spitzenämtern zu einer Veränderung der Berichterstattung geführt hat (vgl. S. 17). Mit Blick auf den nationalen Kontext steht die Berichterstattung über die Phase des Bundestagswahlkampfs 2005 im Mittelpunkt mehrerer Studien. Daneben finden sich Untersuchungen, die sich mit der medialen Darstellung von internationalen Politikerinnen in Spitzenämtern beschäftigen. So wird etwa die Berichterstattung über den Präsidentschaftskampf von Ségolène Royal in Frankreich (Leidenberger/Koch) und von Christina Kirchner in Argentinien (Rodriguez) mit der bundesdeutschen Berichterstattung verglichen. Zwei weitere Beiträge thematisieren die Rolle der Medien in den Wahlkämpfen der finnischen Präsidentin Tarja Halonen (Moring) und der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet (Gerber). Das Spektrum der analysierten Medien umfasst Tages- und Wochenzeitungen, Illustrierte, nachrichtliche und politikorientierte Fernsehangebote sowie eine Wahlwerbekampagne. Methodisch dominieren Inhaltsanalysen, wobei quantitativ und/oder qualitativ vorgegangen wird. Mehrere Untersuchungen konzentrieren sich dabei nicht nur auf die Textberichterstattung, sondern analysieren auch die visuelle Ebene.
Den Beiträgen liegt die gemeinsame Annahme zugrunde, dass das Feld der Politik nach wie vor ein „ein männliches Geschäft“ ist, das nach den „Spielregeln“ von Männern funktioniert (S. 10), weshalb eine Gleichbehandlung von Frauen in der Politik und der medialen Berichterstattung gefordert wird. Explizit oder implizit argumentieren die Autorinnen und Autoren bezogen auf die quantitative Präsenz von Frauen in der Medienberichterstattung mit dem Verweis auf die ‚abzubildende Wirklichkeit‘. Eine Ausnahme von den abbild- und gleichheitstheoretischen Ansätzen stellt der Beitrag von Susanne Kinnebrock und Thomas Knieper dar, der auch konstruktivistische Medien- und Gendertheorien nutzbar macht.
Bisher stellten vorausgegangene Studien, auf die sich die Autoren und Autorinnen beziehen und die insbesondere aus dem englischsprachigen Raum stammen, zumeist eine massive mediale Ungleichbehandlung von Politikerinnen fest. Der vorliegende Band stellt den analysierten Medien hingegen ein weitaus positiveres Zeugnis aus. Bezogen auf die Medienpräsenz, den Tenor der Berichterstattung, die Thematisierung des Privatlebens und die äußere Erscheinung mache die nationale und internationale Berichterstattung zwar durchaus graduelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Eine offene Trivialisierung und geschlechtsstereotype Darstellung der Frauen können die Autorinnen und Autoren aber nicht finden. Die Text- und Bildanalysen zeigen, dass sich in der Präsenz und Darstellung von Politikerinnen in Führungspositionen keine signifikanten Unterschiede zu ihren männlichen Kollegen finden lassen.
Die empirisch fundierten Beiträge des Buches stehen im Forschungskontext des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, den die Herausgeberin innehat. Die Heterogenität der in den Beiträgen gewählten Herangehensweisen ermöglicht es, die Einzelbefunde miteinander in Beziehung zu setzen. In dieser Stärke des Bandes liegt zugleich eine seiner Schwächen. Es entstehen Redundanzen, die sich auf die Darstellung der zugrunde liegenden Annahmen, des wahrgenommenen Forschungsstandes, auf die konkreten Forschungsschritte und das methodische Vorgehen beziehen. Zudem hätte sich die Rezensentin eine stärkere theoretische Auseinandersetzung gewünscht, um zu einem grundlegenderen Verständnis des Zusammenhangs von Medien, Politik und Geschlecht zu gelangen. Hierzu wäre es dann auch notwenig, an aktuelle Diskussionen im Bereich der Geschlechtertheorie anzuschließen. Für die Beschäftigung mit der medialen Berichterstattung über Politikerinnen stellt der Band insgesamt einen empirisch fundierten Beitrag dar, der insbesondere für die politische Kommunikationsforschung und Teile der kommunikationswissenschaftlichen Geschlechterforschung weiterführende Befunde liefert.
Dorer, Johanna; Geiger, Brigitte; Köpl, Regina (Hrsg.) (2008): Medien – Politik – Geschlecht: Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Holtz-Bacha, Christina; König-Reiling, Nina (Hrsg.) (2007): Warum nicht gleich? Wie die Medien mit Frauen in der Politik umgehen. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Lünenborg, Margreth (2009): Politik auf dem Boulevard? Die Neuordnung der Geschlechter in der Politik der Mediengesellschaft. Bielefeld: transcript Verlag.
Scholz, Sylka (Hrsg.) (2007): Kann die das? Angela Merkels Kampf um die Macht. Geschlechterbilder und Geschlechterpolitiken im Bundestagswahlkampf 2005. Berlin: Karl Dietz Verlag Berlin.
URN urn:nbn:de:0114-qn0101235
Tanja Maier
Freie Universität Berlin, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im BMBF-Projekt „Spitzenfrauen im Fokus der Medien. Die mediale Repräsentation von weiblichen und männlichen Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“
E-Mail: tanja.maier@fu-berlin.de
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