Feministische Raumwandlungen

Rezension von Monika Kaiser

Mary Pepchinski:

Feminist Space.

Exhibitions and Discourses between Philadelphia and Berlin 1865–1912.

Weimar: VDG Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften 2007.

251 Seiten, ISBN 978-3-89739-538-1, € 39,80

Abstract: Mary Pepchinski widmet ihre Untersuchung temporären Ausstellungen, die im Zeitraum von 1865 bis 1912 im deutschsprachigen Raum und in den USA entstanden sind und die zum Ziel hatten, in der bürgerlichen Öffentlichkeit Räume für feministische Anliegen und Diskussionen zu schaffen. In diesen um 1900 neu entstehenden Räumen der weiblichen Kultur spiegeln sich die feministischen Diskurse der Epoche und fließen in die von den Akteurinnen des gehobenen Bürgertums geschaffenen, charakteristischen Raumschöpfungen ein. Die Autorin stellt bislang unbekanntes Quellenmaterial vor und eröffnet durch ihren interdisziplinären Blick den Zugang zu einem vernachlässigten, da bislang unbekannten Teil der Kulturgeschichte der Moderne.

Die seit vielen Jahren in Deutschland lebende US-Amerikanerin Mary Pepchinski hat sich ein umfangreiches und ungewöhnliches Thema vorgenommen, für dessen Analyse sie als Grenzgängerin zwischen Architektur und Kunstwissenschaft prädestiniert scheint. Untersuchungsgegenstand ihres Buches sind Ausstellungen weiblicher Kultur, die in Berlin zwischen 1865 und 1912 durch die Initiative von Frauen des gehobenen Bürgertums entstanden sind. Mit diesen Ausstellungen im Kontext der ersten Frauenbewegung wurde die Forderung der Feministin Luise Otto-Peters nach Raum und Freiheit (S. 21 ff.) in konkrete Räume umgesetzt und damit eine Veränderung des öffentlichen Raumes bewirkt. Die eigene Präsentationskultur ermöglichte es Frauen, ihre im Privatraum angesiedelte weibliche Industrie (S. 27) öffentlich zu machen, ohne dabei normatives weibliches Verhalten aufgeben zu müssen.

Pepchinski folgt bei der Darlegung der einzelnen Projekte dem theoretischen Ansatz des französischen Soziologen und Philosophen Henri Lefebvre, der in seinem 1974 verfassten Werk La production de l’espace die Entstehung von Räumen in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen analysiert. Parallel zu den abstrakten Räumen der Moderne entstanden temporäre Raumkonstruktionen von Frauen, die gänzlich andere Charakteristika aufwiesen als Raumkonzepte, die auf Rationalität ausgerichtet waren. Statt Distanz zu erzeugen, boten sie Erfahrungen körperlicher Nähe und zwischenmenschlicher Kommunikation. Die Autorin stellt eine Verbindung zu den feministischen Forderungen jener Zeit her und konkretisiert die besondere Qualität der Feminist Spaces anhand historischer Beispiele, die sie mittels architektonischer Zeichnungen, Ausstellungsrezensionen und Abbildungen rekonstruiert.

Anfänge feministischer Ausstellungskultur

Den Beginn der Erweiterung des öffentlichen Raumes sieht die Autorin in den Wohltätigkeitsbasaren, in denen die körperliche Attraktivität von Frauen gezielt eingesetzt wurde, um das Interesse des Publikums auf die ausgestellten Produkte weiblicher Provenienz zu lenken – 1867 im Kronprinzenpalais und 1868 im Berliner Stadtschloss etwa durch prominente weibliche Persönlichkeiten. Diese Grundstruktur einer Doppelstrategie, dass Weiblichkeit benutzt wurde, um damit für die Professionalisierung von Frauenarbeit zu werben, zieht sich durch alle rekonstruierten Ausstellungen hindurch. Pepchinski weist auf die Funktion und Rolle der Frauen im Prozess der Raumkonstituierung hin und entwirft eine neue Perspektive für die historische Betrachtung von Räumen.

Die Autorin arbeitet die Heterogenität feministischer Strategien um die Jahrhundertwende heraus und zeigt anhand der Ausstellungsprojekte, wie sehr die sozialen Unterschiede die politische Entwicklung der Frauenbewegung prägten. Zwar waren die bürgerlichen Frauen an einer Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Frauen interessiert, zugleich aber hielten sie aus Berührungsangst und Eigennutz Abstand zu der proletarischen Frauenbewegung. Diese Distanzierung fand ihren Ausdruck darin, dass mit dem Wechsel von den Basaren hin zu professionelleren und größeren Ausstellungen die bürgerliche Frau als lebendige Repräsentantin des weiblichen Geschlechtes zunehmend verschwand und durch Surrogate in Form von Puppen ersetzt wurde. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung Die Dame in Kunst und Mode des Jahres 1909 (S. 143 ff.). Eine auf das Bürgertum beschränkte, elitäre feministische Bewegung musste am Anfang des 20. Jahrhunderts erkennen, dass die Hoffnung auf eine Erweiterung der öffentlichen Sphäre, die zunehmend von Militarismus geprägt war, utopisch war. Sie reagierte darauf mit dem Konzept des weiblichen Kultureinflusses (S. 137–154), der in alle Lebensbereiche hineinwirken sollte. Die Ausstellung Heimarbeit illustrierte als gemeinsames Projekt bürgerlicher Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen der Arbeiterbewegung diese Idee, denn sie wollte über die realen Arbeitsbedingungen von Heimarbeiterinnen aufklären, um diese zu verbessern – schließlich verletzte das Eindringen kapitalistischer Ausbeutungsprinzipien in den Privatraum auch das bürgerliche Ideal dieses Raumes als Ort der Familie und Rekreation.

Interkontinentale Raumbeziehungen

Pepchinski konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die deutschen Frauenausstellungen und setzt diese in ein Verhältnis zu den Entwicklungen in den USA. Wie bedeutend der Austausch zwischen den deutschen bürgerlichen Feministinnen und den Amerikanerinnen gewesen ist, zeigt sich an den direkten persönlichen Kontakten zu den Organisatorinnen der Weltausstellungen in Philadelphia und Chicago und findet in der partiellen Amerikanisierung der deutschen Frauenbewegung um 1900 eine Entsprechung.

Die Amerikanerinnen konnten anlässlich der Weltausstellungen 1876 und 1893 eindrucksvolle Woman’s Buildings (S. 55-77) realisieren, von denen deutsche Feministinnen nur träumen konnten. Bereits am Beispiel des Woman’s Building von 1876 in Philadelphia wird deutlich, dass Amerika in Fragen der Emanzipation Deutschland weit voraus gewesen ist. Während deutsche Frauen noch an der Etablierung separater Räume in der Öffentlichkeit arbeiteten, schufen die Amerikanerinnen Ausstellungen, in denen die Komplexität der Frauenkultur dargestellt wurde, und präsentierten bereits das Wirken von Frauen im öffentlichen Raum. Es wurden Frauen gezeigt, die eine Wochenzeitung druckten, an einer Dampfmaschine arbeiteten, Vorschulkinder im Froebel-Kindergarten unterrichteten und Mahlzeiten kochten. Als deutscher Beitrag war hingegen nur das Album der Kaiserin Augusta zu sehen, welches eine Dokumentation ihrer Wohltätigkeitsaktivitäten enthielt.

Auch die darauffolgende Ausstellung des Jahres 1893 in Chicago wurde, obwohl man sich von deutscher Seite um eine adäquate Präsenz sehr bemühte, im Nachhinein kritisch beurteilt. Der Ausstellungsbeitrag aus Deutschland verblasste neben den spektakulären exotischen Räumen, zwischen die er platziert worden war.

Dennoch kam es um 1890 zu einer partiellen Amerikanisierung der deutschen Frauenbewegung, die sich in der Gründung zahlreicher eingeschlechtlicher Clubs nach amerikanischem Vorbild äußerte. Diese boten die Möglichkeit, einen kontinuierlichen Raum der Kommunikation unter Frauen in der Öffentlichkeit zu errichten und damit einen Freiraum für die Entwicklung und Verfolgung eigener Interessen zu schaffen. Pepchinski stellt zahlreiche Frauenclubs dieser Epoche vor und verweist auf deren Katalysatorfunktion. Die Clubs berücksichtigten die bestehenden Unterschiede innerhalb der Frauen des gehobenen Bürgertums und gaben denjenigen, die nach Professionalität strebten, und denen, die dies nicht wollten, die Möglichkeit, sich in differenzierten Strukturen zu organisieren.

Grenzen räumlicher Veränderung

Als Beispiel führt sie den Deutschen Lyceum Club (S. 103) an, dessen Ausstellungen die Verbindung zwischen der Kunstgewerbebewegung und der bürgerlichen Frauenbewegung belegen. An den Karrieren der beiden Kunstgewerblerinnen Fia Wille und Else Oppler-Legband zeigt Pepchinski, wo die Grenzen zwischen öffentlicher Anerkennung und professionellem Anspruch lagen. Fia Wille war Autodidaktin und verkörperte das um 1900 verbreitete Ideal, selbsterfüllende Arbeit mit Heirat und Mutterschaft zu verbinden. Else Oppler-Legband hingegen war eine ausgebildete Kunstgewerblerin, die mit ihrer Arbeit einen professionellen Anspruch erhob. Die Hoffnungen bürgerlicher Frauen um 1900, über die Kunstgewerbebewegung professionelle Anerkennung für ihre Arbeit zu erlangen, beurteilt Pepchinski jedoch kritisch. Frauen wurden durch die Beschränkung auf traditionell weibliche Arbeitsgebiete nicht dazu ermutigt, Qualifikationen im außerhäuslichen Bereich anzustreben; ein Aufbrechen der geschlechtsspezifisch getrennten Sphären des Öffentlichen und Privaten wurde dadurch nicht befördert.

In welche Richtung dieses Festhalten an der bürgerlichen Ideologie der getrennten Sphären führte, wird am Beispiel der letzten großen Ausstellung des bürgerlichen Feminismus Die Frau in Haus und Beruf (S. 167–190) deutlich. Nachdem Frauen als Berufstätige akzeptiert waren und das Frauenwahlrecht erkämpft hatten, zielte die Strategie um 1912 – in einer gesellschaftlichen Phase antifeministischer Reaktion – nun darauf, das Heim als Träger feministischer Bestrebungen zu propagieren. Der für Frauen nach wie vor relevante Konflikt zwischen öffentlichem und privatem Raum wurde nicht mehr thematisiert. Dennoch entstand mit dieser Ausstellung ein eindrucksvoller und ungewöhnlicher öffentlicher Raum, der sich durch das Einbeziehen körperlicher Darbietungen und Interaktionen mit Besuchern und Besucherinnen auszeichnete und damit im Kontrast zu den dominierenden Modellen abstrakter Räume stand.

Fazit

Mary Pepchinski lenkt das Augenmerk auf die magische Grenze zwischen privatem und öffentlichem Raum, die durch die bürgerlichen Ideologien von männlicher Seite gesetzt worden war, und zeigt anschaulich, wie geschickt die bürgerlichen Frauen entlang dieser Grenze Räume etablierten und gestalteten und dabei zu neuen Raumkonzeptionen kamen. Der Autorin gelingt es außerdem überzeugend darzulegen, wie die Veränderungen feministischer Diskurse um 1900 auf das Entstehen und den Wandel von Präsentationsräumen weiblicher Kultur einwirkten und wie diese wiederum durch ihre Anziehungskraft die Diskurse anregten.

Die vielschichtige und interdisziplinäre Herangehensweise des Buches kann als fruchtbare Anregung für die weiterführende Auseinandersetzung mit den Themenfeldern Raum der Moderne, Kunstgewerbebewegung und deren Verflechtungen mit der ersten Frauenbewegung nur wärmstens empfohlen werden. Es präsentiert darüber hinaus eine Fülle von unbekanntem Quellenmaterial zu einem bislang vernachlässigten Teil der Architekturgeschichte der Moderne und schließt damit eine historische Lücke.

URN urn:nbn:de:0114-qn103091

Monika Kaiser

Fachhochschule Merseburg

Promoventin an der Universität der Künste in Berlin und Lehrbeauftragte an der Fachhochschule Merseburg

E-Mail: monikaiser@yahoo.de

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