Thomas Martinec, Claudia Nitschke (Hg.):
Familie und Identität in der deutschen Literatur.
Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang Verlag 2009.
292 Seiten, ISBN 978-3-631-58184-1, € 51,50
Ariane Eichenberg:
Familie – Ich – Nation.
Narrative Analysen zeitgenössischer Generationenromane.
Göttingen: V&R unipress 2009.
187 Seiten, ISBN 978-3-89971-722-8, € 34,90
Abstract: Die Themen Generation und Familie gehören zu den wichtigsten Sujets literarischer Texte, insbesondere wenn diese die Herausbildung oder die Zerstörung von Identität problematisieren. Ein neuer, von Claudia Nitschke und Thomas Martinec herausgegebener Tagungsband ist der literatur- und kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen Themen gewidmet. Sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat vor allem das Genre des Generationenromans Hochkonjunktur, insbesondere Texte der dritten Generation zum Umgang der Großeltern-Generation mit dem Nationalsozialismus. Den Verfasser/-innen dieses neuen, in sich heterogenen Genres wird in der Studie von Ariane Eichenberg allerdings keine allzu große Wirkmächtigkeit bescheinigt. Im Gegenteil nährten die modischen Texte mit den Funden aus der Vergangenheit vor allem das Ich der Erzähler/-innen, deren eigene Gefühle und Selbstvergewisserung in einer von Unsicherheiten geprägten Gegenwart.
Das Thema ‚Familie‘ hat schon seit längerem Hochkonjunktur – in politischen Debatten und in Talkshows genauso wie in den einzelnen Wissenschaften, nicht zuletzt in den Literatur- und Kulturwissenschaften. Tagungen zu Darstellungen von Familien in der Literatur und daraus hervorgegangene Sammelbände wie der von Claudia Nitschke und Thomas Martinec edierte Tagungsband Familie und Identität in der deutschen Literatur spiegeln die Methoden- und Perspektivenvielfalt wider, mit der an dieses auch gesellschaftlich relevante Thema herangegangen wird und unter welchen thematischen Aspekten man es beleuchten kann: In diesem Band ist es die Frage, inwiefern die Herausbildung von Identität, aber auch deren Destabilisierung in deutschsprachigen literarischen Texten mit einem spezifischen Konzept von Familie verknüpft wird. Der Analysezeitraum reicht hierbei von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. Werke kanonischer Autoren wie Friedrich Schlegel (Jürgen Daiber), Theodor Fontane (Nitschke), Conrad Ferdinand Meyer (Abigail Dunn) oder Elias Canetti (Carolin Duttlinger) stehen neben Texten (noch) nicht kanonisierter Autorinnen des 18. und 19. Jahrhunderts, wobei die Beschäftigung mit letzteren zur Formierung eines besonders homogenen Panels (bestehend aus Karin Baumgartner, Susanne Kord, Daniela Richter, Susanne Balmer) und insgesamt zu zahlreichen bisher nicht etablierten Einsichten führte. Gezeigt wird etwa von Kord, dass und wie die gehorsamen und am Ende meist toten Töchter der gestrengen Patriarchen des Bürgerlichen Trauerspiels des 18. Jahrhunderts später, vor allem in in den Komödien des 19. Jahrhunderts (u. a. von Marie Ebner-Eschenbach), vermehrt von ungehorsamen Töchtern abgelöst werden, wobei deren Väter meist verschwunden sind. Die daraus resultierende Frage, ob die nunmehr sitten- und vaterlose Tochter in den Komödien des 19. Jahrhunderts als Spiegel einer zunehmenden Emanzipationsbewegung gewertet werden sollte, wird von der Verfasserin Susanne Kord freilich verneint: Ein Verschwinden der Väter bedeute eben auch, dass die für die Identitätskonstitution der Töchter notwendige Auseinandersetzung mit ihnen fehle, eine Abgrenzung gar nicht erst stattfinden müsse. „Letztendlich bedeutet das Verschwinden des Vaters eine Weigerung, sich der väterlichen Autorität zu stellen, und damit auch eine Weigerung, diese zentrale Frage zu beantworten.“ (S. 122) Ein überzeugendes Ende zu schreiben, sei vor diesem Hintergrund fast „unmöglich“, daher komme es bei einem Großteil dieser, neue Autoritätsverhältnisse thematisierenden Dramen zum „Bruch im 5. Akt“. Statt jedoch in Umschriften des Endes zu flüchten (wie etwa Gerstenberg in Ugolino, Lenz in Die Soldaten, Goethe in Stella oder Wagner in Die Kindermörderin) hätten „viele Dramatikerinnen der Zeit der Ambivalenz ein Denkmal gesetzt“, d. h. die „Spannung zwischen Affirmation und Negation, zwischen Provokation und Kapitulation“ aufrecht erhalten und sie damit aufgezeigt anstatt sie zu tilgen (S. 125).
Während es hier und in den anderen Beiträgen zu den Autorinnen im 18. und 19. Jahrhundert sehr deutlich um die Verhandlung weiblicher Identität im Spannungsfeld Familie und nebenbei auch um eine Rehabilitierung (oft) zu Unrecht vergessener Autorinnen geht, differieren die anderen Beiträge dieses Bandes sehr stark in ihren Perspektiven. Die insgesamt sehr unterschiedliche Gewichtung, die divergenten Herangehensweisen und auch qualitativen Unterschiede der einzelnen Beiträge macht es schwierig bis unmöglich, eine gemeinsame Leitlinie oder gar gemeinsame Ergebnisse festzuhalten – Herausgeberin und Herausgeber selbst haben dies auch gar nicht erst versucht, ein gemeinsames Resultat war explizit auch nicht intendiert. Lediglich die Vorgabe, an selbst gewählten literarischen Beispielen exemplarisch die „Berührungspunkte zwischen Familie und Identität“ aufzuzeigen, sollte ein Marker sein, an dem sich sämtliche Beiträger/-innen orientieren sollten (S. 13). Einige innovative Ergebnisse, die die bisherigen Arbeiten zur Familie in der deutschen Literatur „mosaikartig […] ergänzen“ (S. 13) können, sind bei alldem durchaus zu verzeichnen: Neben dem narrativen Ovismus, den Sigrid Nieberle an den familienkritischen und Identitätsverluste literarisierenden Texten Heimito von Doderers herausgearbeitet hat, sind hier u. a. Sebastian Möckls Analyse der Identitätsproblematik am Übergang von der Herkunftsfamilie in die familiy of procreation in antiken Liebesromanen hervorzuheben sowie der Beitrag Toni Tholens über Familienerzählungen der Gegenwart. Sein Essay sowie der Beitrag von Hans Hahn zur Ästhetik des Familienromans, der Aufsatz von Yvonne Pietsch über Uwe Timms Text Am Beispiel meines Bruders und Laurel Cohen-Pfisters Beitrag über das Kriegstrauma in deutschen Familien befassen sich mit literarischen Texten der Gegenwart, die u. a. auch auf die NS-Thematik und die familiäre (Nicht-)Kommunikation bzw. das Schweigen zwischen den Generationen über die Geschehnisse im Holocaust und dessen Auswirkungen auf die Herausbildung der einzelnen Identitäten fokussieren.
Dass es nicht die Gegenwart und schon gar nicht die Zukunft der Generationen ist, die die Leitlinien des neuen Topgenres ‚Generationenroman‘ bestimmen, sondern die deutsche Vergangenheit, das ist eine der Hauptthesen von Ariane Eichenberg in ihrer Studie Familie – Ich – Nation. Narrative Analysen zeitgenössischer Generationenromane. Mehr als 40 zeitgenössische, meist autobiografische Generationenromane, so schreibt sie, habe sie dafür konsultiert, und zwar insbesondere solche, die in irgendeiner Weise mit dem Thema Nationalsozialismus verknüpft sind; ein Drittel davon analysierte sie exemplarisch, wobei sie sich in den eigentlichen drei Analysekapiteln auf einige wenige konzentriert, u. a. auf bereits kanonisierte Texte wie Stephan Wackwitz’ Ein unsichtbares Land, Wibke Bruhns Meines Vaters Land oder Uwe Timms Beispiel meines Bruders, aber auch auf Thomas Medicus’ Buch In den Augen meines Großvaters, Richard von Schirachs Roman Der Schatten meines Vaters, Ute Scheubs Text Das falsche Leben, Katrin Himmlers Buch Die Brüder Himmler oder Dagmar Leupolds Nach den Kriegen. In diesen Texten, so ihre Ausgangsthese, „wirkt […] eine Norm, die jeden Erzähler anhält, nicht nur auf bestimmte Art und Weise zu erzählen, sondern vor allem auch im Privat-Persönlichen seiner Familie das Allgemeine zu suchen oder zu erfinden.“ (S. 15) Und so sind es denn auch familiale Retrospektiven – Familienerinnerungsromane –, mit denen Eichenberg es zuallererst zu tun hatte. Die verschiedenen Gedächtnisformen und Diskurse des Erinnerns (politische, philosophische, historische, psychoanalytische) und die diversen Medien und Quellen des Gedächtnisses bzw. Vergangenheitsträger wie Kriegstagebücher, Fotos, Briefe, Erinnerungsgegenstände, aber auch Landschaften und bestimmte Herkunftsorte gaben dabei Sinnstrukturen vor, nach denen sie ihr reichhaltiges Material ordnete.
Auffällig oft ist in diesen Analysen wie auch in den zugrundegelegten Texten selbst von Gefühlen zu lesen: „Gefühlsgeschichten“ (S. 140), „Hass-Geschichten“ (S. 141) schreiben die Autor/-innen irgendwie alle, so Eichenberg, deren eigene Interpretationen im übrigen nicht frei von Emotionalisierungen sind: Besonders deutlich wird dies am Beispiel ihrer Analyse des Buchs In den Augen meines Großvaters von Thomas Medicus, dem sie eine „erstaunliche“ Anmaßung und Ignoranz vorwirft, da der Autor die Biografie Alfred Anderschs, „die unter einem enormen inneren und äußeren Leidensdruck stand“, für Parallelen zur eigenen Familiengeschichte in Anspruch genommen habe (S. 71). Ihre Vorlieben artikuliert Eichenberg ähnlich klar und zugleich gefühlsbestimmt: Ute Scheubs Text Das falsche Leben, mit dem die Autorin versuche, „den Verhaltensmustern und Gefühlslagen der Deutschen vor, während und nach dem Krieg nachzugehen“, sei „als einziger politisch aktuell und gesellschaftlich relevant, da er nicht nur auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt“ bleibe, sondern den „Genozid an den Juden in einen Zusammenhang mit anderen Völkermorden gebracht“ (S. 139) habe. Scheubs Text wolle vor allem „eine Gefühlsgeschichte der Deutschen oder eine Bestandsaufnahme der Gefühle der Deutschen, vor allem im Nachkriegsdeutschland“ (S. 140) sein.
Dass Gefühle im „neuen Genre“ des Generationenromans so artikuliert ausgesprochen werden, mag zum einen der erinnerten privaten Sphäre geschuldet sein – immerhin geht es um publik gemachte Familiengeheimnisse und familiäre (Hass-)Liebe –, zum anderen könnte es mit dem Faktum zusammenhängen, dass die öffentliche Zelebrierung von Gefühlen im 21. Jahrhundert gewissermaßen zum aktuellen Habitus einer Bevölkerung dazugehört, in der beispielsweise wenn nicht zum ‚geilen Geiz‘, dann vermehrt zu Mitgefühl und Zivilcourage aufgerufen und in der auch zunehmend wissenschaftlich über Emotionen verhandelt wird. Auch dies thematisiert Eichenberg, wenn auch indirekt (mit Daniel Fulda), wenn sie darauf verweist, dass für den Geschichtsdiskurs seit den 1990er Jahren „ein stark gewachsenes Interesse an subjektiven Zugängen zur Zeit des Nationalsozialismus und seinen Folgen zu verzeichnen“ sei. Unter die neue subjektive Herangehensweise subsumiert sie auch (mit Saul Friedländer) die zunehmende Einbeziehung des „eigenen Forschungsstandpunktes mit in die Forschung selbst“ (S. 173 f.). Literatur, die im Falle der Generationenromane ebenfalls zur Forschung zu rechnen ist, nämlich zur Familienforschung, kann so, laut Eichenberg, „zu einer Art Experimentierfeld“ werden. „Und da sie mit Figuren und an Figuren arbeitet, sind in ihr Mitgefühl und Gefühl für Leiden als Möglichkeit immer vorhanden. Haben die Täter damals sich dem Einblick in die Opfer und dem Gefühl mit diesen verweigert, so können ihre Kinder und Enkel im Erzählen einen Innenblick in die Opfer – Mitgefühl – wagen.“ (S. 175)
Zwei Haupttendenzen stellt Eichenberg am Ende ihrer Studie fest: Die Beschäftigung mit den eigenen Vorfahren, den Familiengeheimnissen, dienen den einen vorrangig der eigenen Selbstvergewisserung sowie der Stärkung des Sicherheitsgefühls in der vom Lebensgefühl der Unsicherheit geprägten „heutigen diffusen Gesellschafts- und Lebenslage“ (S. 132). Für die anderen Autor/-innen hätten die Generationenromane die vorrangige Funktion, von Schuldgefühlen, Krankheit, Trauer zu befreien. Sie alle hätten also einen therapeutischen Effekt – und sie seien gefühlsbezogen.
Unverständlich bleibt bei all diesen Differenzierungsleistungen die offensichtlich bewusst unterbliebene Geschlechterdifferenzierung der Rollenverteilung innerhalb der großväterlichen Familie: Vater und Mutter werden von der Verfasserin explizit nicht unterschieden, wenn es um die Herkunft der Verfasser/-innen geht. Sie erklärt: „Ich unterscheide hier nur zwischen dem Bezug auf die Eltern- oder Großelterngeneration und nicht nach Geschlecht.“ (S. 23). Eichenberg war offensichtlich lediglich die Sicherheit in Bezug auf die Herkunft in den verschiedenen Generationen der Vorfahren wichtig und nicht die diversen Gender-Rollen innerhalb der Familie. Irritierend ist die folgende Bemerkung (in Bezug auf die Vatertexte von Kafka, Hasenclever oder Bronnen): „Die Frage nach dem Vater ist also immer auch eine Frage nach dem eigenen Ursprung und dem eigenen Sein, weiß ich, wer mein Vater ist, so kann ich das eigene Leben erklären und verstehen. Der Frage ‚Wer bin ich?‘ ist die Frage ‚Wer ist er?‘ implizit. Oder umgekehrt: Der Vatersuche liegt die Suche nach dem eigenen Ich zugrunde. “ (S. 22): Das ist ein Statement, das nahelegt, dass sich die Autorin weder nachhaltig mit der Geschichte der Geschlechter noch mit der literatur- und kulturwissenschaftlichen Familienforschung noch auch mit den Tätergroßmüttern des Nationalsozialismus beschäftigt hat oder beschäftigen wollte. Dabei verkörpert der Vater doch bis heute (sieht man von der neuen Möglichkeit der DNA-Analyse einmal ab) die unsicherste Instanz im Feld der Abstammung, des Erbes und der Herkunft. Das Faktum der nicht beweisbaren Zeugung, das sogenannte pater-incertus-Problem, wurde schon vor Jahrhunderten von Familienforschern thematisiert, am prominentesten vielleicht 1861 von dem Altertumswissenschaftler Johann Jakob Bachofen, der es immerhin zur historischen Voraussetzung der Entstehung des Patriarchats und des Gebots der Monogamie für die Frau erklärte. Auch ein Verständnis davon, dass Familie und Gender eng miteinander verknüpft sind, sollte mittlerweile präsent sein, zumal wenn man sich mit „Familiengeheimnissen“ beschäftigt, in denen es oft um die (Mit-)Taten des Großvaters und das davon zumindest zu differenzierende (Mit-)Wissen der Großmutter geht. Da beide Konzepte – ‚Familie‘ und ‚Gender‘ – nur vor dem Hintergrund ihrer Diskursivität und Historizität, also in ihrer Wandelbarkeit, zu begreifen sind, ist es wichtig – und geradezu unerlässlich, wenn man sich mit dem Thema ‚Generation‘ beschäftigt und dabei auch noch (wie Eichenberg) gesellschaftskritisches und zukunftsorientiertes Denken einfordert –, literarische Texte, Kunstwerke und Filme nach den in ihnen inszenierten Verknüpfungen familiärer Rollen mit geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften zu befragen. Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen familiären Strukturen und der Ausbildung und alltäglichen Verankerung von Geschlechterdiskursen sind für das Verständnis von Geschlechterordnungen innerhalb der verschiedenen Generationen von solch großer Relevanz, dass ein Statement wie „Väterliteratur kann also auch Mütterliteratur meinen“ (S. 23), nicht nur unreflektiert erscheint, sondern auch kontraproduktiv wirkt. Eichenbergs Versuch etwa, Aleida Assmanns These von der Ablösung der Väterliteratur der 1970er Jahre durch den Familienroman zu widerlegen, kann vor dem Hintergrund der Prämisse, dass Väter und Mütter mehr oder weniger austauschbar seien, nicht wirklich überzeugen.
In anderer Hinsicht ist die Zugangsweise der Autorin keineswegs naiv. Positiv fällt insbesondere immer wieder ihr erzähltheoretisch versiertes Analysieren von Sprachformen und Erzählweisen auf, etwa ihre beständige Unterscheidung zwischen histoire (der erzählten Geschichte) und discours (dem Verhältnis der Erzählerin zum Erzählten). So macht sie Katrin Himmlers „Distanzierungsversuche“ überzeugend deutlich, indem sie darlegt, wie deren Erzählerin stets auf „Gegengeschichten“ bedacht ist, „die in ihrer Faktizität das mörderische Verhalten Heinrich Himmlers konterkarieren“, etwa die Geschichte der Geburt des Sohns von Heinrich Himmler und Hedwig Potthast als Familienereignis. In diese „Basisgeschichte“ (Genette) des Textes werde eine Kurzbiographie Karl Gebhardts geschoben, gleichsam als „Kontrapunkt zu dem ‚freudigen Geburtsereignis‘“. „Tod und Mord werden nüchtern, ohne einen Erzählkommentar gegen das Leben und die Geburt gesetzt.“(S. 146 f.) Diese explizite Nicht-Kommentierung der Ereignisse durch Katrin Himmler, die der Autorin in den Feuilletons immer wieder vorgeworfen wurde, macht aus Eichenbergs Sicht deren Text „überhaupt lesbar“ (S. 147).
Insgesamt stellt dieses (leider vom Verlag offensichtlich nicht Korrektur gelesene, von Flüchtigkeitsfehlern nicht bereinigte) Buch daher einen aufschlussreichen Beitrag zum Umgang der dritten Generation mit dem Nationalsozialismus dar. Den Verfasser/-innen der „auf allen Ebenen heterogenen und hybriden Gattung“ (S. 16) der Generationenromane allerdings mag die Autorin am Ende keine allzu große Wirkmächtigkeit bescheinigen. Im Gegenteil speise das modische Genre Generationenroman mit den Funden aus der Vergangenheit vor allem das Ich, dessen eigene Gefühle; es diene dessen Selbstvergewisserung (vgl. S. 11 u. S. 173 ff.) in der Gegenwart. Im Epizentrum des Egos aber hat ein kritischer oder gar empathischer Blick auf die Gesellschaft der Zukunft und damit auch auf die vierte, fünfte oder gar sechste Generation offensichtlich kaum einen Platz. Einziger „Gewinn“ der Generationenromane sei es mithin, „Geschichte rückblickend für jeden erzählbar zu machen“ (S. 16).
URN urn:nbn:de:0114-qn112150
Priv.-Doz. Dr. Christine Kanz
Max-Planck-Institute for Human Development, Berlin / Universität Marburg
Center for the History of Emotions
Homepage: http://christinekanz.wordpress.com
E-Mail: kanz@mpib-berlin.mpg.de
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