Sara John:
Ethnisierte Arbeit.
Eine feministische Perspektive.
Marburg: Tectum Wissenschaftsverlag 2009.
115 Seiten, ISBN 978-3-8288-2073-9, € 24,90
Abstract: Auch bei steigender Erwerbsbeteiligung von Frauen ist der deutsche Arbeitsmarkt von einer weitverbreitenden Chancenungleichheit gekennzeichnet. Die Lebenswirklichkeiten von Migrant/-innen und ihre Einbindung in die vergeschlechtlichten Prozesse am Arbeitsmarkt wurden bislang nicht systematisch erfasst. An diesem Punkt setzt Sara John an, indem sie theoretische Konzeptionen zur Vergeschlechtlichung und zur Ethnisierung auf dem Arbeitsmarkt zusammenführt. In einem multidisziplinären Ansatz werden die zahlreichen Verschränkungen um das Phänomen ‚ethnisierte Arbeit‘ aufgegriffen, die vor dem Hintergrund der Debatte um Deutschland als Einwanderungsland zunehmend an Bedeutung und Brisanz gewinnen.
Die weitverbreitete Chancenungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist ein bekanntes Phänomen. Auch wenn eine steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen zu verzeichnen ist, so ist er weitgehend durch eine horizontale und vertikale Segregation gekennzeichnet. Die Ausgrenzungen und Diskriminierungen, die Frauen aufgrund struktureller Ungleichheiten im größeren Maße erfahren, wie beispielsweise beim Einkommen oder bei Aufstiegschancen, bilden einen zentralen Bestandteil in der feministischen Arbeitsforschung. Bisherige Untersuchungen legen zumeist die Perspektive der Mehrheitsgesellschaft nahe und lassen den Blickwinkel von Migrant/-innen außer Acht. Wie sich die Arbeitsmarktsegregation konkret auf diesen Personenkreis auswirkt und welchen Einfluss ethnische Zuschreibungen haben, wurde bislang wenig untersucht.
In dem Forschungsfeld, das sich mit den Lebenswirklichkeiten von Migrant/-innen beschäftigt, der Migrationsforschung, sind Arbeitsmigration und Integration in den Arbeitsmarkt zwar von zentralem Interesse, diese Prozesse werden jedoch zumeist geschlechtsneutral dargestellt. In der Migrationsforschung wurden Frauen lange Zeit als passiv und immobil verstanden, die allenfalls den primär männlichen Migranten begleiteten. Frauen wurden somit als abhängiges Familienmitglied konstruiert. Die stetig zunehmende Präsenz von Frauen in Migrationsströmen führte in den 1980er Jahren zwar zum Paradigma der Feminisierung der Migration, ihre Einbindung in die vergeschlechtlichten Prozesse am Arbeitsmarkt wird jedoch immer noch nicht systematisch erfasst. Erschwerend kommt hinzu, dass – vor allem im deutschen Sprachgebrauch – Migrantinnen als eine homogene Gruppe dargestellt und mit klassischen Weiblichkeitsstereotypen beschrieben werden. Daraus ergibt sich zumeist eine ‚Opferperspektive‘ von Migrantinnen als armen, unterdrückten und defizitären Wesen. Eine Verknüpfung der am Arbeitsmarkt wirkenden vergeschlechtlichten und ethnisierten Prozesse, um die sozialen Ungleichheiten und Polarisierungen zwischen Frauen zu fassen und die sich ergebenden Wechselwirkungen zu verdeutlichen, ist bislang nicht hinreichend geleistet worden.
An diesem Schnittpunkt, bei der konzeptionellen Zusammenführung von Vergeschlechtlichung und Ethnisierung auf dem Arbeitsmarkt, setzt die vorliegende Magisterarbeit an. In einem multidisziplinären Ansatz werden die zahlreichen Verschränkungen um das Phänomen ethnisierte Arbeit aufgegriffen. Die Arbeit von Sara John bildet damit nicht nur einen Beitrag zur Geschlechterforschung, sondern auch zur Migrationsforschung.
Im ersten Kapitel werden die gängigen theoretischen Konzeptionen sowohl aus dem Bereich der feministischen Arbeitsforschung als auch der Migrationsforschung kritisch betrachtet und kurz dargestellt. Geschlecht und Ethnizität werden dabei als soziale Konstrukte verstanden, die sich teilweise überlagern oder auch überschneiden und in dieser Komplexität nicht nur auf die Beschaffenheit des Arbeitsmarktes einwirken, sondern auch alle anderen gesellschaftlichen Bereiche strukturieren und hierarchisieren. Um diese Komplexität und die daraus resultierenden Implikationen im Kontext des deutschen Arbeitsmarktes zu veranschaulichen, führt die Autorin in einem zweiten Schritt zwei theoretische Konzepte an, die eine erste Verflechtung von Geschlecht und Ethnizität beinhalten. Mit dem Verweis auf die aktuelle feministische Forschung zur „neuen Dienstmädchenfrage“ (S. 42 f.) wird aufgezeigt, wie sowohl eine Ethnisierung als auch eine Feminisierung der Arbeit einsetzte. Migrantinnen aus Osteuropa oder Südamerika übernähmen die Versorgungsarbeit und bisherigen Pflichten von Frauen im Haushalt als Erwerbstätigkeit. Für die teilweise (hoch) qualifizierten Migrantinnen gestalte sich die Übernahme von Reproduktionsarbeit in fremden Haushalten zumeist lukrativer, als der eigenen Profession im Herkunftsland nachzugehen. Mit der Anrufung an die quasi-natürlichen Fähigkeiten von Frauen, nämlich zu putzen, zu versorgen und zu pflegen, entstehe ein geschlechtlicher und zugleich ethnisierter Arbeitsmarkt. Dieser Schnittpunkt, das Zusammentreffen von Geschlecht und Ethnie, bildet die Grundlage für die folgende Diskussion der Situation des westdeutschen Arbeitsmarktes. Die Autorin arbeitet heraus, wie sich die geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegregation durch Ethnisierungsprozesse, die durch nationalstaatliche Regulierungen geformt werden, noch verstärkt.
Wünschenswert wäre an dieser Stelle eine Einbettung der Thematik in den Diskurs zur intersektionalen Ungleichheitsforschung gewesen. Gerade die ‚Dienstmädchendebatte‘ ist prädestiniert für eine intersektionale Analyse, da in diesem Kontext nicht nur die ungleichheitsgenerierenden Kategorien Geschlecht und Ethnie zusammenwirken, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse. So sind es gerade finanziell besser gestellte Haushalte, die Teile der Reproduktionsarbeit delegieren, womit deutschen Frauen eine größere Beteiligung am Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Da Migrantinnen nun die Reproduktionsarbeit zugeordnet wird, nehmen diese in der gesellschaftlichen Hierarchie die untersten Ränge ein. In diesem Zusammenhang wirken und überschneiden sich somit mehrere Ungleichheitskategorien gleichzeitig, die den Arbeitsmarkt strukturieren und höchst verschiedene soziale Positionierungen und Erfahrungen bei den Akteurinnen hervorrufen. Dieses gleichzeitige Zusammenwirken verschiedener Kategorien und daraus resultierende Wechselwirkungen werden seit längerem im Ansatz der Intersektionalität thematisiert.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Arbeit der Autorin mit der Verknüpfung von Geschlecht und Ethnie im Kontext des deutschen Arbeitsmarktes eine wichtige Debatte anstößt. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung kann die Komplexität der am Arbeitsmarkt ablaufenden Prozesse und sozialen Ungleichheiten nicht mehr aus nur einer Perspektive heraus betrachtet und erklärt werden. Die Autorin unternimmt mit der Zusammenführung verschiedener theoretischer Konzeptionen einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Für die Leserschaft, die einen ersten Eindruck von relevanten Konzeptionen und deren soziologischer Einordnung erhalten möchte, ist diese Kompilationsleistung in der Arbeit von Sara John eine gewinnbringende Lektüre. Die im Anschluss folgende Analyse ist hingegen noch erweiterbar und sollte vor allem aus einer intersektionalen Perspektive heraus fortgeführt werden.
URN urn:nbn:de:0114-qn121032
Dr. Grit Grigoleit
TU Hamburg-Harburg
Arbeitsbereich Arbeit-Gender-Technik, wissenschaftliche Mitarbeiterin
E-Mail: ggrigoleit@web.de
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