Star Trek – auf der Suche nach dem Feminismus

Rezension von Bärbel Schomers

Thomas A. Herrig:

…wo noch nie eine Frau zuvor gewesen ist….

45 Jahre Star Trek und der Feminismus.

Marburg: Tectum Wissenschaftsverlag 2011.

206 Seiten, ISBN 978-3-8288-2567-3, € 24,90

Abstract: Thomas A. Herrig zeichnet die Entwicklung der Frauenrollen in den sechs Star Trek-Serien und im letzten Kinofilm nach und vergleicht diese mit den realen Errungenschaften der feministischen Geschichtsschreibung. Zwar ist die Zusammenstellung der Wiedergabe weiblicher Charaktere in Star Trek, die zumindest für neue Fans des Star Trek-Universums aufschlussreich sein mag, gelungen, eine tiefgehende Analyse und Interpretation im Kontext feministischer Theorien bleibt aber aus. Zusammenfassend lässt sich sagen: Star Trek-Fans erfahren nichts Neues, Feministen/-innen erst recht nicht!

Das Star Trek-Universum

Der zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Buches neunzehnjährige Abiturient Thomas A. Herrig setzt sich in dem ursprünglich als Facharbeit in Sozialkunde begonnenen Werk mit der Geschichte der Frauenrollen im Star Trek-Universum auseinander. Da sowohl Titel als auch Erscheinungsort des Buches auf eine Relevanz als Gegenstand der Geschlechterforschung hindeuteten, erschien eine Besprechung an dieser Stelle vertretbar.

Als Quellenmaterial dienen Herrig die sechs bislang erschienenen Serien (1966–2005), außerdem der erste Pilotfilm aus dem Jahr 1964 sowie der elfte Kinofilm (2009), in dem ein Reboot der Originalserie versucht wird. Bereits die Eingrenzung des Quellenmaterials ist nach einem ersten Blick auf die Gliederung nicht nachvollziehbar. Ohne Angabe von Gründen behandelt der Autor zwar alle sechs Star Trek-Serien inklusive der Zeichentrickserie sowie den elften Kinofilm und bespricht die Serie Deep Space Nine sogar in zwei Kapiteln, während er allen anderen Serien nur jeweils ein Kapitel widmet; eine Besprechung der ersten zehn Kinofilme suchen Leser/_innen jedoch vergeblich. Außerdem unterbleibt die Analyse der Star Trek-Romane, der Comics, Rollen- und Computerspiele sowie sämtlicher dem Fandom zuzuordnenden feministischen und queeren Ansätze.

Auch die Auswahl der bearbeiteten Literatur sowie die sprachliche Gestaltung des Textes lassen mehr auf einen engagierten Fan als auf einen angehenden Wissenschaftler schließen. Wissenschaftliche Literatur zum Thema verwendet der Autor so gut wie gar nicht, stattdessen arbeitet er überwiegend mit Memory Alpha, der Star Trek-Wikipedia sowie mit Biographien der Star Trek-Schauspieler/-innen und anderen fandominternen Publikationen wie Episodenführern und ähnlichem. Die Literaturrecherche zum Thema wurde vom Autor so unzureichend ausgeführt, dass ihm nicht einmal aufgefallen ist, das der Titel seines Buches ein Plagiat des 2005 erschienenen wissenschaftlich fundierten und innovativen Aufsatzes „Where no women has gone before: Feminist perspectives on Star Trek“ von Susan A. Lenz ist.

Die Frauenrollen in Star Trek

In seiner Ausarbeitung der Frauenrollen in Star Trek stellt Herrig schlüssig dar, wie sich diese im Verlauf der verschiedenen Produktionen veränderten. Der erste Star Trek-Pilotfilm The Cage stellte für die sechziger Jahre mit einer Frau als stellvertretendem Kapitän ein sehr fortschrittliches Frauenbild dar, gerade dieses erregte bei NBC Anstoß und führte dazu, dass The Cage nicht gesendet wurde. Die erste Star Trek-Serie, die zwei Jahre später ausgestrahlt wurde, war dementsprechend abgeändert, und dieselbe Schauspielerin, die ursprünglich den stellvertretenden Kapitän spielte, übernahm nun die typisch weibliche Rolle einer Krankenschwester. Im Verlauf der fast 50-jährigen Geschichte von Star Trek wandelten sich die Frauenrollen – wie durch die gesellschaftliche Entwicklung nicht anders zu erwarten. Sie wurden gleichberechtigter, und im Jahr 1995, mit dem Ausstrahlungsbeginn der Serie Voyager, war dann die Zeit endlich auch reif für weibliches Führungspersonal in Form von Kapitän Kathryn Janeway. Dass die unterschiedlichen Star Trek-Serien allesamt in den Diskursen ihrer jeweiligen Zeit verhaftet bleiben, erwähnt der Autor allerdings nicht eigens. Herrig gelingt es zwar, die Weiterentwicklung der weiblichen Rollen quer durch die verschiedenen Star Trek-Serien nachvollziehbar darzulegen und darauf hinzuweisen, dass die Frauen in den Science-Fiktion-Serien etwas fortschrittlicher waren als ihre Gegenstücke in der Realität. Dabei nimmt er aber leider eine relativ unkritische Position in Bezug auf die Frauenrollen bei Star Trek ein – er nimmt vor allem die Fortschritte in den Blick, ohne auf Rückschritte zu achten. Er erörtert nicht, dass sich in den unendlichen Weiten des Star Trek-Universums nichts findet, was nicht die jeweils aktuellen gesellschaftlichen und politischen Befindlichkeiten reproduziert.

Die Untersuchung der Frauenrollen in Star Trek gerät nicht umfassend, da wichtige weibliche Charaktere wie beispielsweise Lieutenant Saavik nicht vorgestellt und in der Analyse übergangen werden. Auch dass in den älteren Star Trek-Serien und -Filmen in Bezug auf den Umgang mit starken Frauenrollen geradezu ein Muster zu erkennen ist – sowohl Number One in The Cage als auch Tasha Yar in The Next Generation sowie Saavik und Valeris aus den Star Trek-Kinofilmen wurden kurz nach ihrer Einführung bereits wieder eliminiert –, fällt dem Autor nicht auf. Die Aussagen des Autors zu feministischen Ansätzen geben nur einen groben historischen Überblick und sind kaum mit dem Rest des Textes verflochten, eher stehen sie unmotiviert und zusammenhanglos neben den ausführlichen Episodenbeschreibungen einzelner Star Trek-Folgen, wobei auch die Auswahl dieser Referenzfolgen mehr oder weniger willkürlich erscheint.

Star Trek und der Feminismus

Wer eine wissenschaftlich fundierte Analyse zum Thema Feminismus und Star Trek erwartet, wird nicht fündig werden. Der Autor versucht, Star Trek auf feministische Inhalte hin zu untersuchen, ohne sich intensiv gerade mit zeitgenössischen feministischen Theorien auseinandergesetzt zu haben. Leider wird die Arbeit also ihrem eigenen Anspruch, eine wissenschaftlich fundierte Einführung in die Behandlung feministischer Themen im Star Trek-Universum zu liefern, nicht gerecht. Der Autor stellt zwar die Verbindungen zwischen der realen feministischen Geschichtsschreibung und der Kultserie Star Trek dar und schneidet in diesem Zusammenhang einige auch aktuell brisante Themen wie Homosexualität und Präimplantationsdiagnostik an, bleibt aber aufgrund seines mangelnden Wissens um Gender Studies und Queer Theory leider an der Oberfläche der Analyse verhaftet. Auch nach der gerade für Star Trek so zentralen Analyse des homoerotischen Subtexts einzelner berühmt-berüchtigter Szenen suchen die Leser/-innen vergeblich. Hierfür hätten sich, neben einigen Szenen aus TOS (The Original Series) und den ersten sechs Kinofilmen, auch gerade die Schlüsselszenen der Beziehungsentwicklung zwischen Kapitän Janeway und Seven of Nine in der Serie Voyager angeboten.

Die gesamte dritte Welle feministischer Theorie ist unterrepräsentiert, zudem wirkt der Text, als lägen hier beim Autor Verständnisprobleme vor. Der Einfluss der Queer Studies auf aktuelle poststruktualistisch-feministische Theorien scheint dem Autor völlig unbekannt zu sein. Er greift weder auf die Thesen Judith Butlers noch auf die Donna Haraways zurück, obwohl sich deren Theorien sozusagen aufdrängen, beispielsweise um die Rolle der stark sexuell affizierenden, sich ihrer eigenen Sexualität aber gar nicht bewussten Cyborgfrau Seven of Nine aus postfeministischer Perspektive zu interpretieren. Insgesamt bleiben die Aussagen von Herrig allgemein und wenig kontextualisiert im Rahmen feministischer Theorien. Eine Abstraktion und eigene Interpretation findet kaum statt.

Fazit

Die Zielgruppe des Buches sind mit Sicherheit keine Wissenschaftler/-innen. Niemand, der sich schon einmal mit feministischen Themenstellungen auseinandergesetzt hat, sei es praktisch in der politischen Arbeit oder innerhalb historischer, soziologischer, philosophischer, medienwissenschaftlicher oder anderer gesellschafts-, kultur- oder sozialwissenschaftlicher Diskurse, wird in diesem Werk etwas Neues erfahren. Allenfalls werden sich Leser/-innen über die Unwissenschaftlichkeit und Unwissenheit des Autors im Umgang mit feministischen Theorien ärgern. Weder schließt dieses Buch also „eine wesentliche Lücke in der deutschsprachigen Literatur zu Star Trek“ (S. 8), wie im Vorwort angekündigt wird, noch kann es, trotz seines Erscheinens im Tectum Wissenschaftsverlag Wissenschaftlichkeit für sich beanspruchen. Der größte Teil der präsentierten Fakten wurde bereits ausgiebig in verschiedensten Publikationen und diversen Foren zum Thema Star Trek behandelt und diskutiert. Empfehlenswert ist das Buch allenfalls für junge Fans, die hier zumindest einen Überblick über die Wandlung der Frauenrollen in Star Trek erhalten.

Bärbel Schomers, M.A.

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Promovendin der Soziologie

E-Mail: b.schomers@gmx.de

(Die Angaben zur Person beziehen sich auf den Stand zum Veröffentlichungsdatum.)

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