Endlich! Ein deutschsprachiges Lehrbuch für die kommunikations- und medienwissenschaftliche Geschlechterforschung

Rezension von Sigrid Kannengießer

Margreth Lünenborg, Tanja Maier:

Gender Media Studies.

Eine Einführung.

Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2013.

224 Seiten, ISBN 978-3-8252-3872-8, € 19,99

Abstract: Margreth Lünenborg und Tanja Maier legen eine gelungene deutschsprachige Einführung in das Forschungsfeld der Gender Media Studies vor. Sie definieren zentrale Begriffe, stellen sowohl kultur- als auch sozialwissenschaftliche Theorien und Analysen vor und geben mit Fallbeispielen einen Einblick in die Forschungspraxis. Das Buch ist sehr hilfreich für die Planung und Durchführung einführender Lehrveranstaltungen in die Gender Media Studies und auch für diejenigen zu empfehlen, die sich einführend mit diesem Forschungsfeld beschäftigen möchten. So ist es nicht nur für Medien- und KommunikationswissenschaftlerInnen, sondern auch für Angehörige weiterer Sozial-, Kultur- und Sprachwissenschaften verständlich.

DOI: http://doi.org/10.14766/1126

Einführungen in die Gender Studies und die feministische Theorie gibt es zahlreich, solche in die kommunikations- und medienwissenschaftliche Geschlechterforschung selten: Seit Liesbet van Zoonens Feminist Media Studies (1994) vor 20 Jahren veröffentlicht wurde, ist in diesem Feld der Einführungen und systematischen Überblicke nicht viel passiert – schon gar nicht im deutschsprachigen Raum. Umso relevanter und erfreulicher ist das Lehrbuch für die Gender Media Studies von Margreth Lünenborg und Tanja Maier. Die Professorin und die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin wählen diesen englischsprachigen Titel, um die Trennung der sozialwissenschaftlich orientierten Kommunikationswissenschaft und der kulturwissenschaftlich ausgerichteten Medienwissenschaft, welche alleinig in Deutschland vollzogen werde, zu überwinden (vgl. S. 9). Auch wenn das Ausweichen in die englische Sprache m. E. nicht notwendig gewesen wäre – eine Kombination der Begriffe Medien- und Kommunikationswissenschaft verdeutlicht das Zusammendenken und -gehen beider Fächer bereits –, so ist die Ambition, sowohl sozialwissenschaftliche als auch kulturwissenschaftliche Ansätze zu präsentieren, die sich mit Medien und Geschlecht beschäftigen, sehr sinnvoll. Denn ein Auslassen der einen oder anderen Perspektive würde einer Einführung, die für die Medien- und Kommunikationswissenschaft relevant sein will, nicht gerecht werden.

Ziel der Autorinnen ist es, „Studierenden den Zugang zu diesem Forschungsfeld [zu] öffnen“ (S. 9). Entsprechend unkompliziert und übersichtlich ist das Buch geschrieben und strukturiert. Dabei ist es jedoch nicht nur für Studierende relevant, sondern für jede/n, der/die sich einführend mit der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Geschlechterforschung beschäftigen möchte. Nach einer kurzen Einführung ist die Publikation in drei Teile gegliedert: 1. „Theorien und Konzepte“, 2. „Geschlecht in der Medienkommunikation“ und 3. „Doing Gender Media Studies – Fallbeispiele“.

Definitionen, Theorien und Studien der Gender Media Studies

Im ersten Abschnitt des Buches werden zunächst „zentrale Theorien und Begriffe zum Verständnis von Geschlecht und Medien erläutert“ (S. 11). Neben Begriffen wie Geschlecht, Geschlechterkörper und -identität, Feminismus, Queer und Heteronormativität erklären die Autorinnen verschiedene in diesem Forschungsfeld oftmals diskutierte theoretische Ansätze und Perspektiven, wie den interaktionistischen Konstruktivismus, die diskurstheoretische Dekonstruktion und Intersektionalität. Die zentralen Definitionen sind in abgesetzten Kästchen herausgearbeitet, was nicht nur der Übersichtlichkeit dient, sondern auch die Lernprozesse für Studierende erleichtert. Anschließend wird in einem historischen Rückblick die Entstehung der Gender Media Studies entlang der Theorietraditionen der Gleichheits- und Differenzforschung sowie des interaktionistischen Konstruktivismus und der diskurstheoretischen Dekonstruktion skizziert, dabei werden diese voneinander abgegrenzt und erläutert. Ein folgendes Teilkapitel umreißt kulturwissenschaftliche Ansätze der Gender Media Studies, wobei neben dem Ansatz der Cultural Studies auch die feministische Filmtheorie sowie der Diskurs um Geschlechteridentitäten und Technologie bzw. Internet präsentiert werden. Den ersten Teil des Buches abschließend wird der komplexe (feministische) Diskurs um Privatheit, Öffentlichkeit, Medien und Geschlecht und hier u.a. die Konzepte der feministischen Öffentlichkeit sowie des Cultural Citizenship dargestellt.

Im zweiten Teil des Buches beschäftigen sich die Autorinnen abschnittsweise mit der Medienproduktion, den Medientexten sowie dem Medienhandeln (Nutzung, Rezeption und Aneignung). Dabei wird in den Erläuterungen zur geschlechterrelevanten Forschung zu Medienproduktion ein Schwerpunkt auf Journalismus und Public Relations gesetzt, da hier „die intensivste Forschung [vor]liegt“ (S. 75). Im Teil über Medientexte, in dem es um Inhalte, Repräsentationen und Diskurse geht, wird aufgezeigt, wie Geschlechter in den Medien dargestellt werden, welche Stereotype konstruiert werden, und auch, wer nicht dargestellt wird. Im Kapitel zum Medienhandeln werden Fragestellungen aus der geschlechtertheoretischen Mediennutzungsforschung sowie auch der Rezeptions- und Aneignungsforschung skizziert und entsprechende Antworten präsentiert: „Welche Bedeutung kommt Geschlecht bei der Medienauswahl zu? […] Wie nehmen Frauen und Männer einen bestimmten Medientext wahr und wie verarbeiten sie ihn? […] Wie werden bestimmte Medienangebote in spezifischen Kontexten […] in das Leben von Frauen und Männern integriert?“ (S. 123 f.) Durch diese Skizzierung der unterschiedlichen Forschungsfelder erhalten die Lesenden einen Eindruck von der Diversität und Komplexität der Gender Media Studies und durch Literaturempfehlungen Anregungen für die weitere Beschäftigung mit den unterschiedlichen Bereichen.

Fallbeispiele aus der Forschungspraxis

Veranschaulicht werden die bis hierher umrissenen Forschungsfelder der Inhalts- und Aneignungsebene im dritten Teil des Buches, in dem die Autorinnen drei Analysebeispiele vorstellen: So zeigen sie an einem Beispiel einer Repräsentationsanalyse, wie mit Hilfe der Methoden der Inhalts- und Diskursanalyse untersucht werden kann, wie BundespolitikerInnen in Tageszeitungen dargestellt werden. Das zweite Fallbeispiel präsentiert eine Fernsehanalyse, in der die „Sichtbarkeit bzw. Sichtbarmachung von schwulen Figuren in [der Serie] ‚Queer as Folk‘“ (S. 147) untersucht wird. Und das dritte Beispiel, eine qualitative Rezeptionsstudie, veranschaulicht, wie mit Hilfe der Methode der Fokusgruppen-Diskussionen betrachtet werden kann, wie Bilder und Texte über migrantisches Leben wahrgenommen werden (S. 179). Dabei bringen die Autorinnen Forschungserfahrung und -ergebnisse aus eigenen, ‚größeren‘ Forschungsprojekten ein (siehe Lünenborg et al. 2011 und Maier/Lünenborg 2012). Sie zeigen anhand dieser Fallbeispiele überzeugend, wie Gender Media Studies in den Forschungsfeldern der Medieninhaltsanalyse sowie der Rezeptionsforschung durchgeführt werden können. Studierende erhalten dadurch einen konkreten Einblick in die Forschungspraxis dieser Felder; allerdings sind durch die getroffene Auswahl weitere zuvor skizzierte Forschungsfelder nicht veranschaulicht, was sicherlich auch einem realistischen Umfang der Publikation geschuldet ist. Übungsaufgaben, welche im Anschluss an die drei Analysebeispiele gestellt werden, fordern den/die LeserIn zum Doing Gender Media Studies auf und können sehr gut im Rahmen von Lehrveranstaltungen sowie für ein Selbststudium genutzt werden.

Fazit

Das Buch ist eine gelungene Einführung in die Gender Media Studies. Neben einer Bandbreite verschiedener Theorien werden viele relevante empirische Studien und Analysen vorgestellt. Durch die Fallbeispiele erhalten ‚Neulinge‘ in diesem Bereich einen anschaulichen Einblick in die Forschungspraxis. Das Buch kann sehr gut für einführende Lehrveranstaltungen oder die selbstständige Einarbeitung in die Gender Media Studies genutzt werden: Zentrale Begriffe können schnell erarbeitet werden und erste Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Theorieansätzen und Forschungsbereichen einfach erfolgen. Des Weiteren gibt die angegebene weiterführende Literatur Anregungen für Vertiefungsmöglichkeiten. Neben dieser sehr guten Brauchbarkeit für die Lehre und das Selbststudium verdeutlicht die Publikation die Relevanz der Gender Media Studies innerhalb der Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie die Komplexität und Diversität dieses Forschungsgebiets.

Literatur

Lünenborg, Margreth/Fritsche, Katharina/Bach, Annika. (2011). Migrantinnen in den Medien. Darstellungen in der Presse und ihre Rezeption. Bielefeld: transcript Verlag.

Maier, Tanja/Lünenborg, Margreth. (2012). „Kann der das überhaupt?“ Eine qualitative Textanalyse zum Wandel medialer Geschlechterrepräsentationen. In Lünenborg, Margreth/ Röser, Jutta (Hg.): Ungleich mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation. Bielefeld: transcript Verlag.

Van Zoonen, Liesbet. (1994). Feminist Media Studies. London: Sage.

Dr. Sigrid Kannengießer

Universität Bremen

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung

E-Mail: sigrid.kannengiesser@uni-bremen.de

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