Die kulturelle Konstruktion von Ungleichheit in der Warengesellschaft

Rezension von Alina Timofte

Katharina Knüttel, Martin Seeliger (Hg.):

Intersektionalität und Kulturindustrie.

Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen.

Bielefeld: transcript Verlag 2011.

285 Seiten, ISBN 978-3-8376-1494-7, € 29,80

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Abstract: Der interdisziplinär ausgerichtete und fächerübergreifend aufgestellte Sammelband von Katharina Knüttel und Martin Seeliger stellt den innovativen Versuch dar, ein hochaktuelles Thema der Genderforschung – Intersektionalität – mit einem Klassiker der Kultursoziologie – Kulturindustrie – zu verbinden. Im Anschluss an die theoretische Rahmung durch die ersten drei Beiträge folgen acht weitere Aufsätze, in denen anhand von Fallbeispielen aus Presse, Fernsehen, Kino und Mode konkrete kulturelle Repräsentationen von intersektionalen Differenzkategorien analysiert werden. Diese Publikation sei allen empfohlen, die den Einstieg in das kulturwissenschaftliche Feld der Intersektionalitätsforschung suchen.

Kreuzungen

Mit der Metapher einer Verkehrskreuzung (engl. intersection) versuchte die amerikanische Juristin Kimberlé W. Crenshaw Ende der neunziger Jahre die wechselseitigen Einflüsse bzw. die Überlagerung sozialer Ungleichheiten in einer Person begrifflich zu fassen. Über die juristische Prägung hinaus wurde das Konzept in der kultur- und sozialwissenschaftlichen Gender- und Migrationsforschung weitergeführt. Wichtige theoretische Impulse im deutschsprachigen Raum kamen 2001 aus der interkulturellen Pädagogik. Heutzutage wird Intersektionalität als wesentlicher und innovativer Ansatz anerkannt, dessen Reichweite aber unterschiedlich gesehen wird: Die Bewertungen schwanken zwischen einem neuen Analyseparadigma der Genderforschung (vgl. dazu McCall 2005, Bührmann 2009, Winker/Degele 2009) und einem flexiblen „Buzzword“ (Davis 2008), das vielfältige Debatten und Fragen zusammenführen kann. Allein in den letzten Jahren vermehrten sich die Publikationen sprunghaft, und gerade Nachwuchswissenschaftler/-innen scheinen das Paradigma in ihre interdisziplinären Forschungen zu integrieren.

Mit dem Sammelband Intersektionalität und Kulturindustrie. Zum Verhältnis sozialer Kategorien und kultureller Repräsentationen wollen Katharina Knüttel und Martin Seeliger „den Versuch einer Synthese zweier Diskussionsstränge“ (S. 7) wagen und somit ein hochaktuelles Thema der Genderforschung mit einem Klassiker der Kultursoziologie verbinden. Ziel der beiden Soziologen ist es, „dem Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer Kategorien mit Blick auf konkrete Kulturphänomene auf die Schliche zu kommen“(S. 8).

Die Gliederung des Bandes trägt der beabsichtigten Integrationsleistung Rechnung: Die ersten drei Beiträge bieten den theoretischen Vorspann, anschließend folgen acht Analysen konkreter kultureller Formen, die Fallbeispiele stammen aus Presse, Fernsehen, Kino, Literatur und Mode.

Theoretische Vorentscheidungen

In der Einleitung werfen die Herausgeber/-innen aus einer scheinneutralen Perspektive zahlreiche Schlaglichter auf unterschiedliche disziplinäre Positionen. Das Spektrum reicht von Durkheim, Marx und Weber über den poststrukturalistischen Diskurs und die Machtanalyse Foucaults bis hin zum Postfeminismus und zur Genderforschung der letzten Jahre. Dies schafft den paradoxen Effekt, dass sie dem Leser gerade durch die Vielzahl an prominenten Begriffen und Theoriebezügen auf knapp 12 Seiten Einiges an Umständlichkeiten zumuten. Als nicht minder hemmend für den Argumentationsgang erweist sich auch die Auslassung des titelgebenden und durchaus problematischen Begriffes der Kulturindustrie.

Bereits in der Einleitung zeigt sich, dass die Herausgeber/-innen – wie auch die überwiegende Mehrzahl der Autoren/-innen – sich primär innerhalb der Cultural und Gender Studies verorten. Deutlich wird die Nähe der Herausgeber zum Ansatz von Intersektionalität als Mehrebenenanalyse von Nina Degele und Gabriele Winker. Die für die Zusammenstellung des Bandes „äußerst inspirierende“ Innovation ihres Ansatzes liege „in der Berücksichtigung einer Ebene kultureller Repräsentationen“ (S. 14). Adäquat zu dieser Fragestellung verstehen die Herausgeber/-innen Kultur als „dynamisches Set von Symbolen, Artefakten und sozialen Praktiken“ (S. 15), das von den Akteuren permanent neu ausgehandelt werde.

Zwei weitere Texte, von denen der eine verstärkt den Begriff der Intersektionalität, der andere den der Kulturindustrie behandelt, konsolidieren die theoretische Rahmung des Bandes.

In ihrem Beitrag „‚Leistung muss sich wieder lohnen‘. Zur intersektionalen Analyse kultureller Symbole“ sehen Nina Degele und Gabriele Winker im Konzept der Intersektionalität eine Antwort auf die Frage, wie sich kulturelle Symbole in verschiedenen Kontexten entlang unterschiedlicher Differenzkategorien analysieren lassen. Neu dabei ist das theoretische und methodologische Ringen um eine Beschreibung und Erklärung der Wechselwirkungen und Interdependenzen der einzelnen Kategorien jenseits eines bloß additiven Nebeneinanders. Ihr „Mehrebenenansatz“ berücksichtigt zusätzlich die Wechselwirkungen zwischen drei Ebenen: soziale Strukturen, symbolische Repräsentationen und Identitätskonstruktionen. Als methodologischer Ausgangspunkt gilt die Fokussierung auf soziale Praxen (nach Bourdieu), ergo, „empirische Analysen nicht mit theoretischen Konzepten, sondern mit sozialen Praxen beginnen zu lassen“(S. 32 f.). Ausgesprochen überzeugend ist das von ihnen entwickelte Modell zur Analyse der Wechselwirkungen der drei Ebenen im Feld sozialer Praxen, welches systematische Bezugnahmen dieser Ebenen in jeweils beide Richtungen ermöglicht. Diese leicht aktualisierte Kurzfassung ihres Ansatzes wird durch die Darstellung eines empirischen Beispiels (das meritokratische Leistungsprinzip) abgerundet, an dem die Autorinnen die Anwendbarkeit ihres Ansatzes praktisch demonstrieren bzw. seine Möglichkeiten und Grenzen reflektieren lassen.

Grundlegend für die Zielsetzung des Bandes ist der lesenswerte Aufsatz „Unterhaltung als Unterdrückung. Kulturindustrie, Intersektionalität und Herrschaft“ von Roger Behrens. Sein Beitrag besticht durch Klarheit und Konzentration. Erst hier werden dem Leser sowohl die Anknüpfungspunkte als auch die Schwierigkeiten der für diesen Band programmatischen Annäherung zwischen Intersektionalität und Kulturindustrie sichtbar gemacht. Bemerkenswert ist sein fundiertes Plädoyer für eine theoretisch-historische Verortung des Begriffes der Kulturindustrie. Behrens fragt danach, ob das Theorem, das von Adorno/Horkheimer in den vierziger Jahren in der Dialektik der Aufklärung, einem der Hauptwerke der Kritischen Theorie, als eine aktualisierte Kritik der politischen Ökonomie systematisch entwickelt wurde, die gegenwärtige, Ungleichheit generierende Gesellschaft überhaupt noch angemessen beschreibe. Nach dem Zweiten Weltkrieg verkehrte sich – so Behrens – das kulturindustrielle Prinzip „Alle Kultur wird zur Ware“ in das Prinzip „Alle Ware wird zur Kultur“ (S. 74). Dies charakterisiere einen Prozess, der seit den fünfziger Jahren als „Popkultur“ spezifische und spezielle Ausprägungen erhielt. Im Verlauf der neunziger Jahre habe sich die Popkultur vollends als Feld für eine Vielzahl von gesellschaftlichen Konflikten und für die Artikulation von Protesten und Diskriminierungen etabliert. Zudem drohe das Problem, dass auch ein möglicher Widerstand gegenüber Diskriminierung(en) sich zunächst nur auf der symbolischen Ebene formuliere und allein im Symbolischen redundant verharre. (S. 77)

Geschlechterinszenierungen in zeitgenössischen Zeitschriften

Martin Seeligers Beitrag eröffnet die Folge der konkreten intersektionalen Analysen kultureller Repräsentationen. Der Autor untersucht die Verflechtungen von sozialen Verhältnissen mit hegemonialen Männlichkeitsinszenierungen im Magazin Business-Punk und zeigt, dass in dem Magazin eine Form von Hypermaskulinität propagiert wird, die sich als grenzüberschreitend, beruflich erfolgreich und außergewöhnlich leistungsfähig präsentiert. Somit lasse sich die Figur des Businesspunks als Verkörperung eines Idealbildes hegemonialer Männlichkeit unter postfordistischen Bedingungen der Arbeitergesellschaft interpretieren.

Hatte man sich in dem Artikel von Thomas Hecken und Isabelle Middeke mit dem Titel „Zeitgenössische Frauenzeitschriften als kulturindustrieller Schnittpunkt“ eine Fallbeispielanalyse erhofft, so beschränkt sich der Beitrag auf die Textanalyse der verschiedenen Rubriken eines Stylingsmagazins und bleibt auf weiten Strecken sehr deskriptiv. Obgleich die von den Autoren entworfenen Interview-Fragen die Zielgruppenpolitik von Frauenzeitschriften aufdecken sollten, enthalten sie stark suggestive Formulierungen. Folglich verwundert es kaum, dass von den neun adressierten Redaktionen nicht eine einzige an der Untersuchung teilnehmen wollte. Völlig unangemessen erscheint der Rezensentin der unwissenschaftliche, ja beleidigte Ton der Autor/-innen und deren Spekulationen: „Immerhin, ganz wertlos war unsere Anfrage nicht, dokumentiert ist auf jeden Fall die beinahe vollkommene Unwilligkeit der jeweiligen Redaktionen und Verlage, für ein wissenschaftliches Projekt Auskünfte zu geben. In acht von neun Fällen wurden nicht mal elementare Höflichkeitsregeln eingehalten; auf eine kurze Antwort bzw. Absage glaubte man verzichten zu können. Man geht wohl nicht fehl zu vermuten, dass diese Umgangsformen auch etwas mit der Unterbesetzung der Redaktionen bzw. einem knapp gehaltenen Zeit/Geldbudget zu tun haben. (…)“ (S. 109) Vor lauter Vermutungen büßt dieser Beitrag bedauerlicherweise an wissenschaftlicher Substanz ein, zumal hier außerdem soziale Differenz auf die Kategorien männlich/weiblich reduziert und der Bezug zu einer wissenschaftlichen Analyse intersektionaler Prozesse unklar bleibt. Demgegenüber sind die restlichen Beiträge erfreuliche Fallbeispiele, die dem Konzept des Bandes implizit oder explizit Folge leisten.

Diskriminierung und Akzeptanz in deutschen Casting-Shows

Katharina Knüttel und Gabriela Dietze setzen sich in ihren Beiträgen mit dem Medienformat der Casting-Shows mit unterschiedlich ausfallenden Ergebnissen auseinander.

Am Beispiel des „Germany’s Next Topmodel“ zeigt Knüttel, wie sich nicht nur die Trias von Klasse, Rasse und Geschlecht, sondern auch die Kategorien von Raum und Körper in der Figur des Topmodels in diskriminierender Weise verdichten. Am Ende ihrer klar strukturierten Analyse kommt die Autorin zu einem spannenden Ergebnis: In Germany’s Next Topmodel sei gerade die Variabilität dieser Differenzkategorien zum Maßstab geworden. Weiblichkeitsdarstellungen changierten zwischen Erotik, Eleganz, Sportlichkeit und Business; hinsichtlich der Rasse und Ethnizität gebe es genauso eine Variationsbreite; die Variabilität des Raumes werde in der Idealisierung des Reisens als Bestandteil einer erfolgreichen Modekarriere symbolisiert. Körper erscheinen als gestaltbare Körper, mittels derer Identitäten verhandelt werden. Durch diese prinzipielle Variabilität in den Inszenierungen wird „einerseits Gestaltungsfreiheit zugestanden, andererseits mutiert diese gewonnene Freiheit zum Gestaltungszwang“ (S. 153 f.). Somit habe dieses Format zugleich ein erhebliches antiemanzipatorisches Potenzial.

Dietze beschäftigt sich mit der Frage nach Diskriminierung und Integrationsleistung am Beispiel des „Deutschland sucht den Superstar“. Dieses popkulturelle Format, bei dem nationalistische und rassistische Stereotypen zumindest teilweise überwunden würden, könne Migranten/-innen über ein Konzept „kultureller Staatsbürgerschaft“ (S. 172) beheimaten. Die in ihrem Beitrag auf den Achsen Rasse, Klasse, Geschlecht, Sexualität, Nationalität und Religion aufgefächerten inneren Differenzen der Teilnehmer/-innen von DSDS seien somit nicht nur Handikaps, sondern auch Chancen. Die implizite Denkfigur der Intersektionalität wird von Dietze auf spannende Weise verhandelt: weniger als Parameter der Analyse von Diskriminierung, sondern stärker als Parameter der Wertschätzung multipler Identitäten in einer Person.

Die (De-)Konstruktion von Differenzkategorien in Literatur und Kino

Britta Hoffarth geht es darum, den Ansatz der Intersektionalität (an Winker und Degele anschließend) mit der Fiktionalitätstheorie zusammenzuführen bzw. in Beziehung zur literarischen Form der Science-Fiction als einem speziellen Genre medialer Texte zu setzen. Am Beispiel zweier „Star-Trek“-Figuren zeigt Hoffarth, dass fiktionale Medien intersektionale Differenzkategorien als Momente des Wirklichen entweder stabilisieren oder als Momente des Nicht-Wirklichen dekonstruieren können.

In seinem Beitrag zum Film „King Kong und die Weiße Frau“ nimmt Jos Schäfer-Rolfs einen expliziten und fundierten Bezug auf die Kritische Theorie – bedauerlicherweise als einziger unter allen Beitragenden. (Für die Rezensentin ist die Bezugnahme auf die Kritische Theorie und deren Betrachtungen über die Kulturindustrie nötig und sinnvoll, denn diese Berufung vermag das Konzept des Bandes zu beleuchten und der integrativen Zielsetzung der Herausgeber/-innen Folge zu leisten.) Der Autor rückt die Verschränkungen von gesellschaftlichen Grundkategorien wie Rassismus und Sexismus in den Mittelpunkt seiner Analyse. In der Darstellung der „weißen Frau“ und der „schwarzen Wilden“ ließen sich die Grundlagen ablesen, auf denen die Konstitution des zivilisierten Selbst beruht. Den Umgang mit Frauen in diesem Klassiker der Kulturindustrie sieht Schaeffer-Rolfs als ein zentrales Kriterium dafür, um fehlende Zivilisiertheit ablesen zu können. Obwohl der Autor sich zwar auf nur zwei Differenzkategorien (Geschlecht und Rasse) konzentriert, lässt er jedoch zumindest die Tendenz zu einer intersektionalen Betrachtungsweise erkennen, indem er am Ende seines Beitrags die Kategorie der Klasse ebenfalls in Erwägung zieht.

Ausgehend von der Überlegung, dass die Produkte der Filmindustrie hegemoniale Homogenisierungen hervorbringen, die intersektionale Ungleichheitsbeziehungen aufrufen und festigen, interessiert sich Karin Esders in ihrem Beitrag für „die vielfältig variierten Überkreuzungen von rassisierenden, vergeschlechtlichenden, sexualisierenden und klassenorientierten Positionierungen, an denen Systeme von Unterdrückung und Privilegierung durchgespielt und verhandelt werden“ (S. 236). Die Autorin unternimmt eine intersektionale Re-Lektüre verschiedener Hollywood-Verfilmungen und literarischer Rezeptionen des Romans Imitation of Life von Fannie Hurst aus dem Jahr 1933; dabei identifiziert sie drei mögliche Lesearten, die von einer Stabilisierung hegemonialer Positionierungen von Privileg und Unterwerfung (weiße Frauenfiguren vs. schwarze Helferfiguren) über einen widerständigen Umgang mit begrenzenden Stereotypisierungen als Untergrabung von Narrationslogiken (Rollentausch der weißen und schwarzen Figuren) bis hin zu einer politisch-ironischen Lektüre reichen.

Mode als Distanzierungsstrategie

Wie Martin Seeliger legt auch Hanne Loreck in ihrer den Sammelband abschließenden Fallstudie den Fokus auf Männlichkeitsinszenierungen. In der La Sape-Praxis kongolesischer Männer und (weniger) Frauen, in der sich diese besonders stilvoll und farben- und kontrastreich kleiden, manifestieren sich für die Autorin die Ambivalenzen der Aneignung von Mode in postkolonialen, globalisierten Kontexten. Das extravagante visuelle Spektakel der Sapeurs ziele nicht nur auf Sichtbarkeit und Oberfläche, sondern in der Aneignung einer postmodernen Form der Subjektivität gleichzeitig auch auf Distanz bzw. Distanzierung von allen Vorstellungen von Geschlecht, Ethnizität und Heterosexualität.

Fazit

In einem Kurzinterview auf der Verlags-Website haben die Herausgeber/-innen die Frage „Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?“ folgendermaßen beantwortet: „Nichts grundsätzlich Neues, dafür aber die weiterführende Integration existierender Forschungszweige mit rotem Theoriefaden.“ Insgesamt muss den Herausgebern/-innen zugestanden werden, dass die formulierte Fragestellung über die Verflechtungen zwischen Gesellschaft, Identitätskonstruktion und symbolischer Repräsentation ein weitgehend neues Forschungsfeld eröffnet. Die Antworten hierauf fallen allerdings unterschiedlich aus: Während vor allem Dietze und Esders den kulturellen Repräsentationen ein positives und integratives Potential zusprechen, greifen andere Autoren/-innen die entgegengesetzte Funktion kulturindustrieller Medienprodukte heraus, nämlich Ungleichheitsverhältnisse aufzurufen, zu konsolidieren und perpetuieren.

Bezüglich des Innovationscharakters ist dennoch zu beklagen, dass manche Beiträge an der integrativen Grundsatzfrage in allzu geringem Maße anknüpfen. Dadurch dass sich die meisten Aufsätze überwiegend innerhalb der Gender und Cultural Studies verorten und die theoretisch-historische Problematik der „Kulturindustrie“ außer Acht lassen, generiert man hier nicht nur Ungleichheit auf thematischer Ebene, sondern lässt auch den bipolaren Titel des Bandes als beinahe plakativ erscheinen. Ohne diese wesentliche Leerstelle hätten sich fruchtbare Diskussionen ergeben können. Zum Beispiel über eine Auseinandersetzung mit Horkheimers Theorie der „Pseudoindividualität“ und der „Verkehrsknotenpunkte (A.T.) der Tendenzen des Allgemeinen“ (S. 65) in der Klammer der Intersektionalitätsforschung hätte sich die Rezensentin gefreut.

Leider verzichten manche Autoren (wie Hecken/Middeke) auf eine methodologisch abgesicherte Auswertungsstrategie der von ihnen erhobenen empirischen Daten. Bemängelt werden muss auch das nachlässige Lektorat, denn zahlreiche Rechtschreib- und Tippfehler stören die Lesbarkeit mancher Beiträge. Trotz dieser Mängel bleibt insgesamt ein positiver Leseeindruck zurück, der vor allem den interessanten Themen der einzelnen Beiträge geschuldet ist. Wenngleich der Sammelband schon aufgrund des Themas eindeutig an ein Fachpublikum gerichtet ist, so ist zumindest die Mehrzahl der Texte auch für interessierte Laien gut lesbar. Aufgrund seiner fächerübergreifenden Aufstellung und Interdisziplinärität sei diese Publikation allen empfohlen, die einen Einstieg in das kulturwissenschaftliche Feld intersektionaler Fragestellungen suchen.

Literatur

Bührmann, Andrea (2009): Intersectionality – ein Forschungsfeld auf dem Weg zum Paradigma? Tendenzen, Herausforderungen und Perspektiven der Forschung über Intersektionalität. In: GENDER 1(2), S. 28–45.

Davis, Kathy (2008): Intersectionality as a Buzzword. A Sociology of Science Perspective on What Makes a Feminist Theory Successful. In: Feminist Theory 9, S. 67–85.

McCall, Leslie (2005): The Complexity of Intersectionality. In: Signs 30(3). S. 1771–1800.

Winker, Gabriele/Degele, Nina (2009): Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld: transcript Verlag.

URN urn:nbn:de:0114-qn:998:0

Alina Timofte, M. A.

Universität Konstanz

M. A. in Germanistik mit Soziologie, Kulturtheorie und Sprachwissenschaft im Ergänzungsbereich

E-Mail: timofte.alina@hotmail.com

(Die Angaben zur Person beziehen sich auf den Stand zum Veröffentlichungsdatum.)

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